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Rechtsextremismus: Antwort der Regierung ist blutleer
Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82PRESSEINFORMATION SSW-Landtagsvertretung Norderstr. 74 D – 24939 Flensburg Tel. (0461) 14 40 83 00 Fax (0461) 14 40 83 05 Kiel, d. 16.11.2000 Es gilt das gesprochene Wort Anke Spoorendonk: „Die Antwort der Landesregierung ist blutleer“TOP 5 Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit (Drs. 15/493)Diese vorliegende Große Anfrage wird von der antragstellenden Fraktion bewusst in die Traditionfrüherer Berichte und Anfragen gestellt - nicht zuletzt sei hierbei an die Große Anfrage der SPDaus dem Jahre 1989 gedacht. Diesem Anspruch wird die Antwort der Landesregierung nichtgerecht.Während die 1989’er Anfrage programmatischen Charakter hatte, und somit eine neue Ära in derAufarbeitung der NS-Vergangenheit in Schleswig-Holstein einläutete, wirkt die Große Anfragevom Ergebnis her eher blutarm. Ich hätte mir etwas mehr Engagement gewünscht, so z. B. in derBeantwortung der ersten Fragen, die sich auf die historischen Perspektiven beziehen. Mag sein,dass der Landesregierung keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der historischen Wurzeln desRechtsextremismus in Schleswig-Holstein bekannt sind. Es wäre aber wünschenswert gewesen,dass sie die Chance genutzt hätte, ausführlicher auf das einzugehen, was die Erkenntnisse sind.Es reicht aus meiner Sicht nicht aus zu sagen: “Ob und inwieweit heutige Skinheads sich in einerkontinuierlichen Tradition befinden oder nur jeweils neu erfahrene Ängste auf bekannte Weisekanalisieren und mehr oder weniger in einen historischen Kontext stellen, ist umstritten“. DerRechtsextremismus in Schleswig-Holstein ist mehr als glatzköpfige Jugendliche – er ist gar keineJugendbewegung, sondern betrifft alle Altersgruppen: Er besteht aus organisierten und nicht-organisierten Befürwortern rechtsextremistischen Gedankenguts, die in unterschiedlichem Maße Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de an den geschichtlichen Nationalsozialismus anknüpfen. In diesem Zusammenhang vermisse ichganz einfach auch die Erfahrungen, die man in Schleswig-Holstein mit vier Jahren DVU imLandtag gemacht hat. Die Redebeiträge dieser Volksgenossen belegten immer wieder, dass heutevertretenes rechtsextremistisches Gedankengut durchaus in der Tradition des Faschismus‘ steht.Dazu findet sich im vorliegenden Papier aber keine Zeile.Auch in der Frage der weiteren Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in Schles-wig-Holstein hätte ich mir mehr gewünscht. Es schadet ja nicht, eine Bibliographie zu bekommen.Sie reißt aber niemanden vom Hocker. Wenn man bedenkt, wie schwierig der Anfang war; wennman bedenkt, dass gerade die Große Anfrage aus dem Jahre 1989 dazu beitrug, dass junge Histo-riker sich mit großem Enthusiasmus an die Arbeit machten, dann hätte ich mir auch in dieserFrage von der Landesregierung mehr Engagement gewünscht. Einiges ist im letzten Jahrzehntabgearbeitet worden. Aber zu sagen: „Das meiste ist geschafft“, das kann wohl nicht dieKonklusion sein.Die Blutarmut der Großen Anfrage beschränkt sich aber nicht nur auf den Umgang mit dernationalsozialistischen Vergangenheit. Die Beantwortung der Fragen zum heutigen Rechtsradika-lismus in Schleswig-Holstein liest sich in weiten Zügen wie ein Verfassungsschutzbericht. DieserAspekt sollte auch laut Antragstellerin mit einbezogen werden. Aber sie kann nur ein Teil derAnalyse darstellen, auf der unsere Schritte gegen den heutigen Rechtsextremismus fußen.Die Zahlen zu den Ermittlungs- und Strafverfahren mit rechtsextremistischem bzw. fremden-feindlichen Hintergrund in Schleswig-Holstein machen deutlich, dass wir glücklicherweise gegen-wärtig keinen großen Anstieg zu verzeichnen haben. Über vierhundert pro Jahr sind zwar immernoch über vierhundert zu viel. Wir können uns aber leisten, einen kühlen Kopf zu bewahren. Esbesteht gegenwärtig wenig Anlass dazu, aktionistisch nach harten innenpolitischen Maßnahmenzu rufen und zweifelhafte Verbote einzufordern. Es muss vielmehr darum gehen, die Ursachen insVisier zu nehmen. Hierfür bietet die Grosse Anfrage aber nicht annähernd eine ausreichendeGrundlage. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen von Rechtsextremismus undAusländerfeindlichkeit sind klar. Das stellt der Bericht eindrucksvoll dar. Es sind vielfach dieVerlierer der Modernisierung, die anfällig sind für solche Gedanken. Die Konklusion aus dieserErkenntnis ist auch einigermaßen klar: Nur soziale Sicherheit, Bildung und demokratischeTeilhabe werden verhindern können, dass die Anhänger rechtsextremen Gedankenguts mehrwerden. Das einzige was nicht klar ist, ist der Ansatz der Landesregierung zur vorbeugendenBekämpfung dieser Ursachen.Die Landesregierung bleibt hier selbstverschuldet in einem schwierigen Spagat hängen, weil siegleichzeitig in der Jugend- und Sozialpolitik Haushaltskürzungen vorschlägt. Man spricht z. B.über die herausragende Bedeutung der Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen und willgleichzeitig die Fördermittel für die Demokratiekampagne und „Schleswig-Holstein Land fürKinder" kürzen. Man will junge Menschen daran hindern abzugleiten, und gibt nichts für neueWege in der Jugendstraffälligenhilfe aus.Aber nochmals: Der Rechtsextremismus ist mehr als eine Jugendbewegung. Der Bericht zeigt,dass wir in allen Altersgruppen in hohem Ausmaß rechtsextreme und ausländerfeindlicheEinstellungen antreffen. Der größte Teil dieser Menschen ist weder jugendlich noch gewalttätigund begreift sich nicht als rechtsextrem. Daher werden wir nicht mit Jugendhilfe oder historischerAufklärung weiter kommen. Wir kommen nicht umhin, uns auch mit politischen Argumentenauseinander zu setzen. Gerade hier gibt die Landesregierung aber keine zufriedenstellendenAntworten - außer Veranstaltungen in der Erwachsenenbildung, die hauptsächlich jene erreichendürften, die ohnehin nicht für rechtsextremistisches Gedankengut anfällig sind. Ansätze, die eherauf eine direkte Bearbeitung der Probleme Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeitabzielen, bleiben auf Jugendhilfe und Schulen beschränkt. Das reicht nicht.Der SSW wirbt dafür, dass sich die Demokratinnen und Demokraten im Land denminderheitenfeindlichen Argumenten der Rechtsradikalen stellen. Nur wenn wir gemeinsamplausibel vermitteln, dass Ausländer uns z. B. keine Arbeitsplätze wegnehmen, werden wir denrechten Brandstiftern wirklich das Wasser abgraben. Wir haben daher zum Beispiel die Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de gemeinsame Herausgabe einer Zeitung an alle Haushalte, eine Serie von Zeitungsanzeigen oderähnliche Maßnahmen angeregt, in denen gegen die offensichtlich hohlen aber wirkungsvollenParolen der rechten Agitatoren argumentiert werden könnte. Wir haben die Hoffnung nichtaufgegeben, auch in diesem Hause Verbündete für eine solche Strategie zu finden.Erfreulich ist es, dass wir endlich eine Debatte darüber bekommen, dass wir ohne Einwanderunggar nicht weiter machen können. Das ist ein Fortschritt und wird hoffentlich auch zur Akzeptanzausländischer Mitbürger beitragen. Trotzdem besteht auch Anlass anzumahnen, dass Politikerüberlegen, was sie auslösen, bevor sie sich an der Diskussion beteiligen. Wir wissen doch alle wiesensibel das Thema ist.Wir brauchen zusammenfassend das, was der Juso-Bundesvorsitzende Mikfeld mit einemtreffenden Ausdruck als „doppelte Integration“ bezeichnet hat. Wir müssen Einwanderer inunsere Gesellschaft integrieren, aber wir müssen genauso dafür sorgen, dass die sozial Schwachenund gesellschaftlich Ausgegrenzten in unserem Land in die Gesellschaft integriert werden. Das istdie große Herausforderung vor der wir stehen. Diese Aufgabe steht leider im Widerspruch zu derZielsetzung, die Lage der öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Die Finanzen dürfen aber nichtwichtiger sein als der soziale Frieden.Wenn ich die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD zu Rechtsextremis-mus und Ausländerfeindlichkeit in Schleswig-Holstein betrachte, dann komme ich leider zu demSchluss, dass die Beantwortung in zweierlei Hinsicht blutleer ist: Sie lässt im Umgang mit derVergangenheit den Geist von 1989 vermissen, auf dem sie sich beruft, und sie entbehrt gleich-zeitig zukunftsweisender Ansätze zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ich hoffe, dass dieLandesregierung in den Ausschüssen zumindest einen Teil der Fragen beantworten kann, die –zugegebener Maßen teilweise auch wegen der Fragestellung - in der Großen Anfrage offenbleiben. Ihr Bericht macht deutlich, dass wir uns noch viel mehr mit dem Phänomen Rechts-extremismus auseinandersetzen müssen. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de