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Jutta Schümann zu TOP 15: Gender-Mainstreaming
Sozialdemokratischer InformationsbriefLandtag Kiel, 16.11.00aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: RedebeginnJutta Schümann zu TOP 15:Gender Mainstreaming: Systematisch Geschlechtergerechtigkeit realisierenBei der Benennung des Prinzips „Gender Mainstreaming“ wird oft kritisiert, der Name sei unverständlich und nicht zu vermitteln. Deshalb einige kurze Anmerkungen zum Begriff:Was bedeutet „gender“ ? Die englische Sprache kennt Unterscheidungen, die in der deutschen Sprache nicht in gleicher Weise erfasst werden. Sie besitzt einen Begriff für die biologisch definierten Aspekte des Geschlechts in dem Wort „sex“ und einen Beg- riff für die sozialen und kulturell definierten Aspekte des Geschlechts in dem Wort „gender“. Gender bedeutet soziale und kulturelle Geschlechterrolle.Eine griffige Übersetzung des englischen Fachausdrucks „Gender Mainstreaming“ ist eher schwierig. Es umfasst wesentlich mehr als die allgemeine Forderung nach Chan- cengleichheit zwischen Frauen und Männern.Die bisherigen Ansätze zur Gleichstellung von Frauen und Männern greifen z.T. in strukturellen Bereichen zu kurz, da Frauen- und Männerbelange durchaus unterschiedlich sein können. Es muss darum gehen Entscheidungen zu treffen, die sich nicht automatisch zu Gunsten der einen und zu Lasten der anderen Gruppe auswirken. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Daher müssen ALLE politischen Entscheidungen darauf hinterfragt werden, ob Frauen und Männer unterschiedlich betroffen sind, gerade in sog. „geschlechtsneutralen“ Be- reichen,Ein Beispiel aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik: Wegen der Unterschiede in Be- rufswahl und Erwerbsbiographie sind Männer und Frauen in unterschiedlichen Phasen ihres Erwerbslebens unterschiedlich von Arbeitslosigkeit und beruflicher Benachteili- gung betroffen. Es kann daher keine geschlechtsneutrale Arbeitsmarktpolitik geben.„ Gender Mainstreaming“ ist ein neuer Ansatz, der darauf ausgerichtet ist, dass z.B. in Politik und Verwaltung alle grundsätzlichen Entscheidungen auf die tatsächliche Gleichheit zwischen den Geschlechtern Rücksicht zu nehmen haben.Ziel ist es, in alle Entscheidungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnis- ses einzubeziehen und alle Entscheidungsprozesse für die Gleichstellung der Ge- schlechter nutzbar zu machen.Gender Mainstreaming und klassische Frauenförderung sind nicht untereinander aus- tauschbar. Sie haben unterschiedliche Aufgaben, aber ein gemeinsames Ziel, nämlich die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterdemokratie.Die bisherige Gleichstellungspolitik basiert auf der Kompensation von Nachteilen und Diskriminierung von Frauen. Damit ist jedoch die Gefahr verbunden, dass Frau-sein als defizitär und ausgleichsbedürftig wahrgenommen wird.Die Quote berücksichtigt Frauen zwar prozentual, macht aber keine Aussage über die tatsächliche Berücksichtigung von Frauenbelangen.Die klassische Frauenförderung ermöglicht zwar den Einstieg in die männlich domi- nierte Welt, ändert sie jedoch nicht per se. Inhalte, Handlungs- und Entscheidungs- muster werden mit ihr nicht (automatisch) verändert. -3-Genau aus diesem Grund erscheint es notwendig das Instrument „Gender Mainstrea- ming“ als zusätzlichen wichtigen Ansatz zur Geschlechtergerechtigkeit zu realisieren.Wir werden uns also an den Begriff gewöhnen müssen, genauso wie es z.B. mit den Begriffen Multi-Media Campus, Start up Unternehmen, Internet, homepage etc. bereits erfolgt ist.Außerdem hat das Festhalten an dem englischen Begriff Gender Mainstreaming den Vorteil, dass damit eine international entwickelte Strategie benannt wird und die not- wendige Verständigung auf internationaler Ebene möglich ist.Mit Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 1. Mai 1999 wurde die Gleichstel- lung von Männern und Frauen als grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts und als eines der Ziele der Gemeinschaft festgeschrieben. Die Gemeinschaft verpflich- tet sich bei all ihren Tätigkeiten, auf die Beseitigung von Ungleichheiten und die Förde- rung der Gleichstellung von Frauen und Männern hinzuarbeiten.Dem Beschluss der EU liegen drei Annahmen zugrunde: 1. Die Gleichberechtigung ist ein Grundrecht. 2. Die Beteiligung von Frauen und Männern ist ein demokratisches Grundprinzip. 3. Unterrepräsentierung in Gremien stellt die Legitimität der Beschlussfassung in Frage.In vielen Fällen findet das „Gender Mainstreaming“ seinen Niederschlag in der Ent- wicklung neuer Methoden zur Messung und Analyse der geschlechtsspezifischen Auswirkungen beschäftigungspolitischer Maßnahmen.Ein Beispiel: -4-In den Jahren 2000 bis 2006 erhält Deutschland rund 929 Mill. DM aus den insgesamt 22,3 Mrd. aus dem Europäischen Strukturfonds (ESF), für „spezifische Frauenmaß- nahmen“ zur Verfügung.Wegen der bestehenden Ungleichgewichte zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sollen zur Verwirklichung der Chancengleichheit als übergreifendes Poli- tikziel unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet werden.Es ist geplant: - Im Sinne des Gender Mainstreaming die Ursachen für Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt systematisch zu analysieren, dabei sollen die Aspek- te schlechtere Bezahlung und geringere Karrierechancen von Frauen besonders beachtet werden. - Frauen in allen Fördermaßnahmen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen zu berücksichtigen - Für Berufsrückkehrerinnen, alleinstehende Frauen und ältere Arbeitnehmerinnen besondere Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen bereitzustellen.Ebenso wie die EU hat das Bundeskabinett in seinem Beschluss vom 23.Juni 1999 die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip der Bundesre- gierung anerkannt und sich dazu verpflichtet, diese Aufgabe im Sinne des Gender- Mainstreaming zu fördern und umzusetzen. Eine interministerielle Steuerungsgruppe auf Leitungsebene wird unter Federführung des Bundesfrauenministeriums dafür sor- gen, dass das Gender Mainstreaming-Prinzip in allen Ressorts zu Handlungsroutine wird.Ein Beispiel: Die Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen verpufft, wenn nicht – wie in Schweden – konkrete Zielvorgaben gesetzt werden, die zu einem festge- legten Zeitpunkt erfüllt sein müssen. -5-In Analogie zum Beschluss der EU und der Bundesregierung fordern wir die Landes- regierung auf, die Prinzipien des Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung um- zusetzen. Dabei geht es uns sowohl um personelle, als auch um Sachentscheidungen. Dabei sind die bisherigen Instrumente zur Sicherung der Teilhabe von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie Frauenförderprogramme, Frauen- förderpläne und Gleichstellungsbeauftragte einzubeziehen.Wir stellen den Antrag, weil er ein weiteres wichtiges Instrument zur Erreichung des Ziels Geschlechtergerechtigkeit und Abbau von Diskriminierung bedeutet. Wir sind ge- spannt auf den ersten Bericht der Landesregierung über die Umsetzung des Konzep- tes.Ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.