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Lothar Hay und Friedrich-Carl Wodarz: Für eine Wende in der Agrarpolitik
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 07.02.2001, Nr.: 028/2001Lothar Hay und Friedrich-Carl Wodarz:Für eine Wende in der AgrarpolitikLösungsvorschläge statt Schuldzuweisungen„Der Bauernverband macht es sich einfach: Er schiebt die Schuld für BSE einfach den Politikern und der EU zu. Was wäre gewesen, wenn vor einem halben Jahr auch nur ein Politiker es gewagt hätte zu sagen, Deutschland sei vielleicht doch nicht BSE-frei?“ Mit diesen Worten hat der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay, in einer Pressekonferenz Bauernverbandsfunktionäre und deren Haltung in der gegenwärtigen BSE-Krise kritisiert. Die Verantwortung trügen alle, so Hay: „die Politiker, die Bauern- funktionäre, die Futtermittelhersteller, die Verbraucher, die Bauern“.„Die BSE-Krise, so schlimm sie ist, ist aber gleichzeitig die Chance, einen Richtungs- wechsel in der Agrarpolitik einzuschlagen“, sagte der agrarpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Friedrich-Carl Wodarz. Seine Fraktion habe in einem Eckpunk- te-Papier Perspektiven für einen besseren Verbraucherschutz und eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik erarbeitet.Fraktionschef Lothar Hay vermisste sowohl bei Bauernverbandspräsident Steensen als auch bei der Opposition Lösungsvorschläge für die Probleme, die sich aus BSE er- geben haben. „Auch ein Herr Wadephul und ein Herr Carstensen sollten sich jetzt nicht hinstellen, Schuldige benennen und so tun, als ginge sie alles, was vor der ersten BSE-Kuh in Deutschland war, nichts an.“ Der Fraktionsvorsitzende stellte sich klar hin- ter Landwirtschaftsministerin Ingrid Franzen und wies die Attacken von Bauern scharf zurück. „Es ist der Landwirtschaftsministerin hoch anzurechnen, dass sie sich durch Aktionen einzelner nicht einschüchtern lässt, dass sie weiterhin zu den Bauern und in ihre Versammlungen geht, das Gespräch sucht und um Unterstützung für ihre Lösun- gen wirbt.“ Hay rief die „Biedermänner aus der CDU“ zu Mäßigung auf und riet dem Bauernverband, „eine gefährliche Entwicklung“ mit zu verhindern. „Sie sollten – auch in ihrem eigenen Interesse – über den verbandsegoistischen Tellerrand schauen.“ Mit den einzelnen Landwirten sei vernünftig zu reden, „und das werden wir auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen auch tun“.Lothar Hay zeigte sich erfreut über jüngste Äußerungen des Bauernverbandspräsiden- ten Steensen, die er als Bereitschaft zum Dialog interpretierte. Allerdings warnte der Politiker, wer mit Aktionen wie Autobahnblockaden Rechtsbruch begehe oder diesen dulde, sei für ihn kein Dialogpartner. „Gespräche führt man nicht in einer Atmosphäre von Drohung und Gewalt.“ Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Beim derzeitigen Stand der Dinge gebe es, so Hay, keine Alternative zur Herdenkeu- lung. Bei der Hälfte der betroffenen Betriebe in England sei mehr als ein Tier befallen, deshalb mache es Sinn, die ganzen Herden zu keulen. Er kritisierte, dass „von Seiten des Bauernverbandes gerne verschwiegen wird, dass eine betroffene Herde nur mit Zustimmung des Landwirts gekeult werden darf“. Würde die Herde nicht gekeult, müsste der Betrieb gesperrt werden, und der Landwirt erhielte keine Entschädigung. Nach der Herdenkeulung könne er aber einen Neubeginn planen. „Sollten jedoch nach neuen Erkenntnissen hier Veränderungen hin zur Kohortenkeulung möglich sein, wer- den wir uns dem nicht verschließen.“In den Versuchen der Opposition, die Landwirtschaftsministerin und ihren Staatssekre- tär wegen eines „geretteten“ Kalbes an den Pranger zu stellen, sieht Hay die „Hilflosig- keit der CDU“. Der Staatssekretär habe in einer emotional aufgeheizten Atmosphäre nicht die Möglichkeit der freien Entscheidung gehabt. „Es waren die Kollegen von Herrn Carstensen, die den Staatssekretär bedrängt haben." Die Opposition wolle ledig- lich eigene Fehler in der Vergangenheit vertuschen. Konstruktive Vorschläge für eine Lösung der BSE-Krise habe sie bisher nicht vorgelegt.Als „demagogisch“ wertete der Fraktionsvorsitzende die Angriffe des stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden Reimer Böge auf den Lübecker Bischof Kohlwage. „Ein Christ hat das Recht, rein marktwirtschaftlichem Handeln die christliche Wertvorstel- lung entgegenzusetzen, derzufolge Tiere ebenso Geschöpfe wie Menschen sind und mit Achtung behandelt werden müssen.“ Die Aufkaufaktion müsse eine einmalige An- gelegenheit bleiben. Produzieren „auf Teufel komm raus“ könne in der Agrarwirtschaft nicht mehr die Devise der Zukunft sein. Deshalb müssten Subventionen für die Land- wirtschaft grundsätzlich überdacht werden.Perspektiven für einen besseren Verbraucherschutz und eine nachhaltige Landwirt- schaft„Wir müssen von einer kurzfristigen Agrarpolitik hin zu längerfristigen Perspektiven kommen“, erklärte der agrarpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Friedrich- Carl Wodarz. Dafür biete die BSE-Krise eine große Chance. Das in der Pressekonfe- renz vorgestellte umfangreiche Eckunkte-Papier „betrachten wir als Grundlage für eine breit zu führende Diskussion über die Wende in der Agrarpolitik“, so Wodarz.Das Papier sieht folgendes vor:Perspektiven für einen besseren Verbraucherschutz und eine nachhaltige Land- wirtschaftspolitikI. Ökologisierung der Produktion und Verbesserung des Verbraucherschutzes1. Produktion ökologisieren - Konventionelle Landwirtschaft nicht verteufeln -3-Schleswig-Holstein besitzt eine gut strukturierte und betriebswirtschaftlich vergleichs- weise gesunde Landwirtschaft. Es handelt sich um überwiegend mittelständische Be- triebe. Sogenannte Agrarfabriken gibt es bei uns kaum. Viele Tierhalter bauen tatsäch- lich noch einen großen Anteil des Futters selbst an. Wenn wir eine „Ökologisierung“ fordern, so wollen wir nicht die konventionell wirtschaf- tende Landwirtschaft verteufeln oder diskriminieren. Wir glauben nicht, dass reine Ökolandwirtschaft die alleinige agrarwirtschaftliche Alternative ist. Ursächlich für die derzeitige Krise sind nicht in erster Linie die Landwirte, sondern die Strukturen der Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln und Tierfutter und die bisherige Subventionspolitik. Aufbauend auf der guten Ausgangsbasis der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft muss eine konsistente Doppelstrategie konzipiert und umgesetzt werden: 1. Der Anteil des ökologischen Landbaus muss gemäß des steigenden Marktpotentials erhöht wer- den. 2. In weiterhin konventionell wirtschaftenden Betrieben muss naturnäher gewirt- schaftet werden. Neben der Umstellung der Landwirtschaft auf zertifizierten und kon- trollierten Ökolandbau umfasst der Begriff der Ökologisierung insofern auch bereits ei- ne stärkere Einbeziehung von Naturkreisläufen in die konventionelle Nahrungsmittel- produktion. Regelungen zur guten fachlichen Praxis sind durch den Bund unter Be- rücksichtigung regionaler Besonderheiten zu konkretisieren und vom Land umzuset- zen. Damit sich die Wende für die Landwirte rechnet, müssen sämtliche Subventionen zunehmend an Umwelt- und Verbraucherschutzauflagen gekoppelt werden. Bereits jetzt bieten die geltenden EU-Richtlinien ungenutzten Spielraum. In Zukunft müssen die Bauern mehr alternative Erwerbsmöglichkeiten im Dienstleistungsbereich , sowie der Honorierung von Leistungen im Naturschutz, der Landschaftspflege, der Energie- erzeugung und dem Tourismus haben. Zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft müssen Barrieren abgebaut werden, es muß ein sachlicher Informationsaustausch stattfinden2. Verbraucherschutz stärken durch schärfere Kontrollen Die BSE-Krise hat gezeigt wie lückenhaft die staatliche Kontrolle vieler Nahrungsmittel ist. Die Versäumnisse im Bereich der Futtermittel sind besonders offensichtlich. Der Zusatz von Antibiotika wurde auch aus Gründen des vorbeugenden Gesundheits- schutzes (Stichwort: Resistenzen) bereits seit längerem als höchst bedenklich ange- sehen. Damit die Gesundheit der Menschen und die naturverträglich wirtschaftenden Land- wirte von morgen nicht unter den schwarzen Schafen von heute leiden, müssen Pro- duktion und Qualität der Lebensmittel wirksam kontrolliert werden. Unabhängig von der Produktionsmethode verdient der Verbraucherschutz höchste Priorität. Darüber hinaus muss ein bundeseinheitliches Qualitätssiegel für ökologisch erzeugte Spitzen- produkte Anforderungen an eine umwelt- und naturverträgliche Produktionsweise, eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung und den Verzicht auf Gentechnik ent- halten. Standards für eine offene Deklaration der Futtermittel sind schnell zu entwickeln. Auf einer Positivliste sollen erlaubte Futtermittel erfasst werden. Antibiotisch wirkende -4-Leistungsförderungen und die prophylaktische Anwendung von Antibiotika sind zu ver- bieten.3a. Geschlossene Futter- und Düngemittelkreisläufe schaffen Im scharfen Kontrast zu einer naturgerechten Bewirtschaftung fordert die Logik der industriellen Landwirtschaft einen kon- zentrierten Tierbestand, der von der bewirtschafteten Fläche un- abhängig ist. Gestützt von der Subventionspraxis einer auf Wachstum ausgerichteten Agrarpolitik haben kleine und mittel- ständische Betriebe die Fütterungsmethoden der industriellen Landwirtschaft übernommen. Die Preispolitik der Futtermittelin- dustrie mit ihrer vermeintlich optimalen Dosierung der Inhalts- stoffe und dem Zusatz von Antibiotika unterstützte diese Tendenz massiv, so dass bestehende Futter- und Düngemittelkreisläufe zerstört wurden. Die Verfütterung von angeblich unbedenklichem Gensoja ist eine Scheinalternative und würde an den zerstörten Kreisläufen nichts ändern. Zudem würde sie das zunehmende Inte- resse vieler Landwirte an einer unabhängigeren Position gegen- über der Futtermittelindustrie nicht berücksichtigen. Um den Bedarf an unbedenklichen eiweißhaltigen Futtermitteln zu decken, müssen regional mehr Eiweißträger angebaut werden. Es muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die es den Bauern ermöglicht, das auf eigener Fläche hergestellte Futter ent- sprechend den Anforderungen des Betriebes zu mischen. Der Tierbesatz sollte sich zukünftig mehr an der vorhandenen Fläche orientieren. Wir unterstützen mehr Trans- parenz und Unabhängigkeit im Futtermittelbereich - die Ausbildung von Futter- und Düngemittelkreisläufen muss entwickelt werden.3b. Einsatz gentechnischer Methoden im Ernährungsbereich überprüfen und Freisetzung gentechnisch-manipulierter Pflanzen grundsätzlich überden- ken Auf dem US-Markt werden mittlerweile auf ca.17 % der Ackerfläche transgene Pflanzen angebaut Erste Anzeichen von Umweltunverträglichkeit (Sterben von Schmetterlingen) und Gesundheitsschädlichkeit (al- lergische Reaktionen) sind bereits zu beobachten. Die Verbrau- cher reagieren und kaufen kein Genfood. Die Agroindustrie hat Milliardenverluste zu verzeichnen. Kritische Forschungsergeb- nisse wurden z.T. nicht weiter untersucht. Zur selben Zeit wird uns die Gentechnologie als Heilmittel für den Welthunger präsen- tiert. Dabei gibt es ungezählte Stimmen im Bereich der Wissenschaft, die die Unterer- nährung nicht als Problem falscher Technik, sondern der Armut entlarven. Hinter den Unbedenklichkeitsbeteuerungen erkennt man dasselbe Muster wie bei der Verharmlo- sung der Pestizide in den vergangenen Jahren. Wir fordern eine Technikfolgenabschätzung , die insbesondere Kriterien der Rückhol- barkeit stärker als bisher beachtet und Auskreuzungen ausschließt. Die neue Auf- merksamkeit des Verbrauchers für seine Nahrung muss von der Politik aufgegriffen -5-werden. Die Forderung nach einer umfassenden Kennzeichnungspflicht transgener Pflanzen auch für Zwischenprodukte und Futtermittel steht dabei am Anfang.4. Artgerechte Haltung stärken Die BSE-Krise ist auch das Ergebnis einer ethischen Krise. Wir haben vergessen, Nutz- und Haustiere als Lebewesen und nicht als bloße Ware zu betrachten. Morali- sche Kriterien wie die Achtung vor der Kreatur spielen in der Tierproduktion kaum noch eine Rolle. Bei einer reduzierten Sicht auf Tier und Futtermittel als reine Produktions- mittel spielt die Tiergesundheit nur eine Rolle im Kontext von Leistungssteigerung. So gilt oft sogar eine Haltung noch als artgerecht, wenn die volle Leistung wie bei Lege- hennen unter quälerischen Bedingungen erbracht wird. Über Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit müssen ethische Fragestellungen wieder in den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht werden. So muss sich die Ge- sellschaft neu darüber verständigen, was sie als artgerecht ansieht. Eine gebannte Sicht auf die Versäumnisse im Bereich der Rinderhaltung darf nicht von den Missständen in anderen Bereichen der Tierhaltung wie der Geflügelmast und Ei- erproduktion ablenken. Nur ein aufgeklärter ethischer Blick kann davor schützen, dass die Verbraucher mit ihrer vermehrten Nachfrage nach Geflügelfleisch diese ungesunde und quälerische Tierhaltung unreflektiert unterstützen. Schleswig-Holstein wird sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, dass Trans- portfahrten von Tieren generell auf eine maximale Höchstdauer von 4 Stunden be- grenzt werden.II. Vermarktung regionaler Produkte stärken5. LSE um Ökothema bereichern In einer Denkschrift der Robert-Koch-Stiftung wird von „subsidi- ärer Organisation von Entscheidungsprozessen“ gesprochen, wobei die Mitwirkung und Mitentscheidung der Betroffenen (hier: Land- wirte, Verbraucher, Verarbeiter, die Gemeinde, etc.), die ein Umweltproblem durch ihr Verhalten oder Handeln schaffen und es durch Änderungen von Verhalten und Handeln beseitigen und be- grenzen können, wesentlich für die Ausgestaltung der Subsidiari- tät ist. Mit den Ländlichen Struktur und Entwicklungsanalysen (LSE) besitzen wir ein europa- weit anerkanntes Instrument für die Bündelung kreativer Ideen für den ländlichen Raum, mit der dieses wissenschaftlich begründete Postulat umgesetzt werden könnte. Bisher spielte das Thema Ökologisierung der Landwirtschaft in den LSE jedoch eine untergeordnete Rolle. LSE sollten in Zukunft grundsätzlich die Ökologisierung der Landwirtschaft in Schles- wig-Holstein mit einbeziehen. Konkret sollten unverzüglich drei Zentren des ökologi- schen Landbaus zu Referenzprojekten ausgebaut werden. Hier sollten zusätzliche Sonderfördermittel gezielt und schwerpunktmäßig eingesetzt werden. Mit der kompetenten Beratung und Werbung für Produktionsumstellungen müssen gleichzeitig neue Absatzwege aufgezeigt und entwickelt werden. Wir schlagen folgende Standorte vor: -6-a. Pellworm: Hier wird gerade eine LSE begonnen. Da auf Pellworm zudem bereits 12% der Landwirte ökologisch arbeiten und ein umweltverträgliches Energiekonzept vorliegt, sind die Voraussetzungen günstig für ein außenwirksames Modellprojekt. b. Bereich um die Gemeinde Westerau (Stormarn): Auch hier wird gerade eine LSE begonnen. Das Institut für ökologische Tierhaltung (Trenthorst) könnte als Kompe- tenzzentrum fungieren. c. Gut Lindhof: Der Lindhof böte sich als ökologisches Kompetenzzentrum an.6. Diskurs über den ökologischen Landbau und regionale Vermarktungsstruktu- ren initiieren Viele gewerbliche Initiativen laufen in unseren Landkreisen und Städten nebeneinan- der her, obwohl sie aufeinander bezogen viel erfolgsversprechender wären. Um über gesetzliche Neuordnungen hinaus das kreative Potential von Landwirten, Gastwirten, Verbraucherschützern, Vertretern des verarbeitenden Nahrungsmittelge- werbes und von Einzelhandelsketten besser zu nutzen, sollte ein großer Runder Tisch einberufen werden, um Verabredungen zur Ankurbelung regionaler Produktions- und Absatzkreisläufe zu unterstützen. Auch in kleinerem Maßstab als die DEHOGA- Kampagne „Aus der Region - für die Region“ könnten etwa in touristischen Zentren Gaststätten stärker mit regionalen Erzeugern von Produkten des ökologischen Anbaus kooperieren und ihr Angebotsprofil schärfen.7. Ökovermarktungsfonds effektiver machen und für Umstellungschancen wer- ben Seit mehreren Jahren besitzen wir mit dem Ökovermarktungsfonds ein Instrument zur Förderung privater Vermarktungsideen. Aufgrund mangelnder Effektivität und um- ständlicher Vergabebestimmungen funktioniert der Mittelabfluss nicht. Der Vermarktungsfonds sollte verstärkt bei den konventionellen Landwirten durch Auf- klärung und Aufzeigen der wirtschaftlichen Chancen für eine Umstellung auf ökologi- schen Landbau werben. Auch wenn unter den ökologisch wirtschaftenden Landwirten zusätzliche Konkurrenz gefürchtet wird, darf dies nicht davon abhalten, die Grundlage für eine flächendeckende und zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit ökologi- schen Produkten zu legen.8. Bewusstere Konsumhaltungen und Gesundheitsverhalten fördern Das Gros der Verbraucher ist von einer aufgeklärten Konsumweise noch weit entfernt. Über die Kaufentscheidung entscheidet noch oft allein der Preis, manchmal zudem der direkte Genusswert, selten die Qualität in einem umfassenden Sinne. Einige Apotheken raten den Kunden schon seit einiger Zeit, auf rindertalghaltige Pro- dukte zu verzichten. In großem Stil fand bislang keine Gesundheitsberatung zu dieser Problematik statt. Der Verbraucher ist mit vagen Kenntnissen und Ängsten stark ver- unsichert und fühlt sich hilflos. Das Erschrecken über die BSE- Krise muss in ein neues Bewusstsein für gesunde Nahrungsmittel einmünden. Darauf aufbauend könnte die Bereitschaft wachsen, dau- erhaft für die gesündere Ernährung etwas mehr zu bezahlen. -7-Im Bereich der Gesundheitsförderung müssen neue Impulse gesetzt werden. In einer konzertierten Aktion müssen sich alle Verantwortlichen dieser Problematik annehmen. Einzubinden sind neben dem Verbraucherschutz, den Kreisgesundheitsbehörden, vor allem auch die Ärzteschaft und die Krankenkassen. Auch eine umfassende EU-weite Kennzeichnung von Inhaltsstoffen und Herkunfts- nachweis auf den Etiketten macht einen bewussteren Konsum von Fleisch- und Wurstwaren möglich. Die eigenen Bereiche der Lebensmittelherstellung müssen wieder stärker in die schleswig-holsteinischen Regionen eingebunden werden.III. Konsequenzen für Ausbildung, Forschung und Landesverwaltung9. Forschung und Ausbildung stärken Der fachliche Kenntnisstand der schleswig-holsteinischen Betriebsinhaber ist auf den meisten Feldern sehr gut. Doch in der Ausbildung werden die grundlegenden Mängel einer an industrieller Logik orientierten Produktionsweise unzureichend vermittelt. Ethi- sche Fragestellungen werden ausgeblendet. Ergänzt um die geschönte Darstellung industrieller Produktionsweisen in Teilen der Agrarwissenschaft und Fachpresse fällt ein Umsteuern zu einem artgerechteren und umweltverträglicheren Wirtschaften ge- danklich schwer. Ökologische Fragestellungen müssen in den Lehrplänen der Berufs- und Fachschulen zur Geltung kommen.. Alle Lehrer müssen an Fortbildungen teilnehmen, um die ent- sprechenden Kenntnisse ihren Schülern zu vermitteln. Lehrende und Lernende müs- sen zu einer kritischen, gegenüber den Vorschlägen der Agroindustrie unabhängigen Einschätzung der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen befähigt werden.10. Im Verbund forschen und lückenlos testen Auf EU-Ebene, Bundes- und Länderebene wird die Forschung über BSE und die Anla- ge von Datenbanken intensiviert. BSE ist kein originär schleswig-holsteinisches Prob- lem. Die Erforschung dieser Krankheit in Schleswig-Holstein sollte stets im Verbund mit an- deren Bundesländern, Bund oder EU erfolgen, insbesondere wenn sich Schleswig- Holstein finanziell engagiert. Um die Herkunftskennzeichnung von Fleisch effizienter kontrollieren zu können, sollten neue Untersuchungsverfahren entwickelt werden. Es müssen Tests am lebenden Tier entwickelt werden. Schlachttiere müssen unab- hängig vom Alter getestet werden.11. Sonderprogramm zur Förderung des ökologischen Landbaus auflegen Viele Landwirte haben - zum Teil wegen einer ungünstigeren Ausgangsbasis - trotz Umstellungsprämie Befürchtungen vor der Durststrecke, die die ersten drei Jahre für die Umstellung eines Betriebes auf ökologischen Landbau mit sich bringen könnte. Um diesen Befürchtungen mehr Planungssicherheit entgegen zu setzen, sollte - zeit- lich befristet - die Umstellung verstärkt gefördert werden. Die Landesregierung muss ein Sonderprogramm zur Förderung des ökologischen Landbaus auflegen.12. Stabsstelle im Landwirtschaftsministerium einrichten -8-Viele Mitarbeiter in Behörden und Institutionen sind eher dem konventionellen Land- bau verbunden und stehen einer ökologischeren Ausrichtung der Landwirtschaft skep- tisch gegenüber. Um die Neuausrichtung der Landwirtschaft zu gestalten, muss im Landwirtschaftsmi- nisterium eine Stabsstelle geschaffen werden, die die ökologische Ausrichtung unserer Landwirtschaft koordiniert. Sonst könnten die Initiativen der Landesregierung im Sande verlaufen.13. Neuausrichtung des Subventionssystems unterstützen Viele Subventionen wie die Silomaisprämie schädigen mittelbar die Umwelt, da sie z.B. die konzentrierte Rinderhaltung erst betriebswirtschaftlich rational erscheinen las- sen. Einige fortschrittliche Ansätze zur Änderung sind bereits in der Agenda 2000 zu erkennen. Die artgerechte, umweltverträgliche und flächengebundene Tierhaltung muss gefördert werden, z.B. durch die Einführung einer Grünlandprämie bei Umwandlung der Silo- maisprämie in eine Futterbauprämie und die Förderung von artgerechten Tierstallsys- temen. Steuerrechtliche und baurechtliche Privilegien für gewerblich-industrielle Tier- haltung müssen gestrichen werden. Die Umschichtung der EU-Mittel aus dem Markt- bereich in die Bereiche ländliche Entwicklung und Umwelt muss konsequenter fortge- setzt werden. Die Honorierung ökologischer und arbeitsplatzbezogener Leistungen muss im Vordergrund stehen. Schleswig-Holstein muss die eigenen Förderprogramme in diesem Sinne überprüfen und ggf. rechtzeitig für die Beantragung europäischer Ko- finanzierungen im Jahr 2001 ändern. Der Bund muss die Gemeinschaftsaufgabe Ag- rarstruktur und Küstenschutz neu ausrichten, um zusätzliche alternative Erwerbsmög- lichkeiten der Landwirte im Dienstleistungs- und im Naturschutzbereich als auch im Bereich der Energieerzeugung und des Tourismus zu unterstützen.14. Energetische Verwertung von Tiermehl fördern Schleswig-Holstein lehnt die Verfütterung von Tiermehl ab. Um eine gesicherte Ent- sorgungskette für Tierabfälle zu errichten, besteht neben der thermischen die Möglich- keit der energetischen Verwertung. Die energetische Verwertung von Tiermehl sollte gefördert werden. Um Investitionssi- cherheit für den Aufbau sicherer Verwertungskapazitäten und -ketten zu gewährleisten muss sich das Land neben dem Bund für die Aufhebung der zeitlichen Befristung des EU-weiten Verfütterungsverbots einsetzen.