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22.02.01 , 17:41 Uhr
FDP

Christel Happach-Kasan: "Land- und Ernährungswirtschaft brauchen Hilfe zur Selbsthilfe"

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 69/2000 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Donnerstag 22. Februar 2001 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Christel Happach-Kasan: „Land- und Ernährungs- wirtschaft brauchen Hilfe zur Selbsthilfe“
In Ihrem Redebeitrag zu TOP 16 (Soforthilfeprogramm für die Land- und Ernährungswirtschaft) sagte die agrarpolitische Sprecherin der F.D.P.- Landtagsfraktion, Dr. Christel Happach-Kasan:



Presseinformation „Wir erinnern uns: Vor nicht allzu langer Zeit, als sich die neugewählte Bundesregierung im Stimmungstief befand, reiste Bundeskanzler Schröder nach Hessen, um dem angeschlagenen Holzmann-Konzern durch Unterstützung des Bundes zur Hilfe zu eilen. Die Bundesregierung feierte und verständlicherweise die Arbeiterschaft von Holzmann gleich mit. Tatsache ist, dass der Holzmann-Konzern durch eigenes Verschulden und Fehlverhalten in diese Lage gekommen war.
Wir schreiben den November 2000. Der erste BSE-Fall in Schleswig- Holstein erschüttert die Bundesrepublik. Aber statt sich auf die Seite der Landwirte zu stellen, die unschuldig in diese Krise geraten waren, stellen sich die GRÜNEN und vorneweg der Umweltminister von Schleswig- Holstein, Herr Müller, hin, reden davon, dass Lebensmittel Sondermüll seien und fordern die Umstellung der konventionellen auf die ökologische Landwirtschaft.
Den Menschen wurde suggeriert, BSE sei ein Problem der konventionellen Landwirtschaft und die ökologische Wirtschaftsweise würde BSE verhindern. Ich erwähne hierzu einen Artikel der Dithmarscher Landeszeitung vom 03.02. des Jahres, in dem Herr Müller die Aussage trifft, dass Rinderwahnsinn auch keine Frage großer oder kleiner Höfe sei, sondern eine Frage der Arbeitsweise der Landwirte. Die Landwirte wurden in die Ecke gedrängt und gegen die Verbraucher ausgespielt.
Erst eine ordentliche Standpauke vom ehemaligen Bundesland- wirtschaftsminister Funke in der Sendung „N3 aktuell“ vor zwei Wochen brachte Herrn Müller wieder auf den Pfad der Tugend zurück.
Der Flurschaden, den Sie, Herr Müller, mit ihrer Partei angerichtet haben, ist aber dadurch nicht wieder gutgemacht worden. Sie haben es 2 versäumt, die Landwirten zu unterstützen. Das wäre im Gegensatz zu der Unterstützung von Holzmann seitens der Bundesregierung weitaus ehrlicher gewesen. Diese tragen keine Schuld an der BSE-Krise. Sie haben nicht gegen Vorschriften verstoßen. Wenn die Landwirte infiziertes Tiermehl verfüttert haben sollten, dann auch deshalb, weil es nicht genügend Kontrollen gab. Dies wäre Aufgabe Ihres Ressorts gewesen, Herr Müller.
Ich stelle hier fest: Landwirte, ob Öko- oder nicht Ökolandwirt, haben das gleiche Interesse, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher im Land. Sie wollen, dass gesunde Lebensmittel hergestellt werden, die mit Genuss und ohne Reue gegessen werden können.
Insofern ist das Thema Landwirtschaft auch mit dem Thema Verbraucherschutz untrennbar verbunden.
Eine wichtige Voraussetzung für Verbraucherschutz ist Transparenz. Wie werden die Lebensmittel produziert, wie werden sie verarbeitet. Besser als jede Werbebroschüre mit hoch intelligenten Angaben ist der persönliche Augenschein. Je weiter weg die Produktion erfolgt, um so mehr sind die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf angewiesen, über Dritte informiert zu werden. Je weiter weg die Produktion von Frischwaren erfolgt, um so mehr zahlt der Verbraucher, um die Transportschäden auszugleichen.
Auch deshalb gehört gerade in einem weitgehend von der Landwirtschaft geprägten Land der Schutz der eigenen Betriebe vor künstlichen Wettbewerbsverzerrungen zum Verbraucherschutz.
Die BSE-Krise wird ihre Opfer fordern.
Die Politik hat eingestanden, die Verbreitung von BSE auf den Kontinent nicht verhindert zu haben, und dies obwohl es bei mutigem Handeln möglich gewesen wäre. Doch keiner der dafür verantwortlichen Politiker wird dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Das ist bitter, insbesondere für die, die trotz eigener sorgfältiger Arbeit in den Strudel gerissen werden.
Daher gibt es eine Verpflichtung der Politik auf den verschiedenen Regierungsebenen, realistische Hilfsprogramme auszuarbeiten, mit denen den unter der BSE-Krise leidenden Betrieben und damit auch den davon betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geholfen werden kann.
Der immer wieder zu hörende Appell an das unternehmerische Risiko, das Betriebe zu tragen hätten, ist vor dem Hintergrund eklatanter politischer Fehlentscheidungen als Ursache der Krise blanker Zynismus.
Die existentielle Situation ist für viele rinderhaltende Betriebe dramatisch. Rindermastbetriebe können ihre Tiere nicht oder nur zu einem sehr schlechten Preis verkaufen und müssen hohe Verluste hinnehmen, Milchviehbetriebe haben Angst vor einem BSE-Fall und lassen deshalb Tiere im Stall, die sie unter normalen Bedingungen längst abgegeben hätten.
Es wird leicht vergessen, dass die fleischverarbeitenden Betriebe teilweise ähnliche existentielle Schwierigkeiten haben. 3 Wenn nicht geschlachtet wird, haben die Schlachtbetriebe Ertragsausfälle, in den fleischverarbeitenden Betrieben wird keine Wurst hergestellt. Über 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen Kurzarbeit und das in einer Region, in der es nur wenige Beschäftigungsalternativen gibt.
Ein Problem ist auch, dass Schlachthöfe ein beträchtliches Risiko eingehen, wenn sie ältere Tiere schlachten, weil das Auffinden eines BSE-Falles dazu führt, dass die danach geschlachteten Tiere nicht verkauft, sondern kostenpflichtig entsorgt werden müssen.
Vor diesem Hintergrund hat die CDU einen Antrag eingebracht, der in seiner Zielrichtung, den in der Folge der BSE-Krise in der Existenz gefährdeten Betrieben zu helfen, richtig ist. Allerdings räumen wir ihm nicht allzu große Realisierungschancen ein. Wir warnen auch davor, in einen Unterstützungswettbewerb einzutreten: Niedersachsen bietet 10 Millionen, Schleswig-Holstein 30 Millionen, wer bietet mehr?
Der Antrag hat den Charakter eines Wunschzettels für den Weihnachtsmann. Der Schreiber weiß von vornherein, dass er nicht erfüllt wird.
Die F.D.P. hat daher einen Alternativantrag eingebracht, der unmittelbare Existenznöte mindern soll, der aber auch berücksichtigt, dass die Betriebe auch einige wirtschaftlich sehr erfolgreiche Jahre hinter sich haben und daher einen Teil der Belastungen auch tragen können.
Die BSE-Krise betrifft vorwiegend mittelständische Betriebe. 1997 waren mehr als 50.000 Menschen in der Land- und Ernährungswirtschaft beschäftigt. Diese sind unmittelbar und mittelbar von den Folgen der Krise betroffen. Sie brauchen die Hilfe des Landes, nicht als Dauersubvention, sondern nach den Vorstellungen der F.D.P. als Hilfe zur Selbsthilfe. Es darf nicht dazu kommen, dass die Regierung ihnen Hilfen verwehrt, nur weil sie nicht alle einen einzigen Arbeitgeber haben. Wäre ein Großunternehmen in einer vergleichbaren Krise, die Hilfsangebote hätten sich überschlagen. Holtzmann lässt grüßen.
Der Vorsitzende der F.D.P.-Fraktion, Wolfgang Kubicki, hat in der heutigen Aktuellen Stunde deutlich gemacht, dass die Land- und Ernährungswirtschaft nach wie vor zu den wesentlichen Säulen der Wirtschaft dieses Landes gehört. Für können es uns gar nicht leisten, dem Wegbrechen dieser Säule tatenlos zuzusehen.
Der Ansatz der Grünen, die BSE-Krise für die Akquirierung von Geldern zur Umsetzung des eigenen Parteiprogramms zu nutzen, statt Mittel einzuwerben, um den Betroffenen zu helfen, ist für eine Partei, die dem Betroffenheitskult huldigt, beschämend.
Zur Bewältigung der BSE-Krise bedarf es großer Anstrengungen auf der Ebene der EU, des Bundes und des Landes. Ohne Frage sind alle Ebenen gefordert, finanzielle Beiträge zu leisten.
Die Politik in Deutschland ist aber auch gefordert in der Bewältigung der Krise keine zusätzlichen Wettbewerbsverzerrungen zuzulassen. Ein Beispiel: Frankreich lässt inzwischen wieder die Verwendung von Fischmehl als Proteinquelle zur Ernährung von Schweinen und Geflügel zu. Die F.D.P. lehnt die Fischmehlproduktion schon aus ökologischen Gründen ab. Gleichwohl ist bei dieser Frage immer auch die Wettbewerbssituation der Betriebe zu berücksichtigen. 4
Die BSE-Krise verursacht in Deutschland spezifische Probleme, die in anderen Ländern deutlich weniger schwer wiegen.
Der Rindfleischmarkt ist zusammengebrochen, aber es ist inzwischen ein leichter Silberstreifen am Horizont zu sehen. Der Vergleich der Preises zeigt das deutsche Problem: Die Erzeugerpreise für Jungbullen sind seit dem Oktober in Deutschland um 39% gesunken, zum Vergleich in Österreich nur um 26%, in Dänemark um 13%, in Großbritannien um 4% und in Portugal sind sie sogar um 2,7% gestiegen.
Diese Zahlen zeigen deutlich, wir haben in Deutschland ein besonderes Problem.
Die BSE-Krise ist Mittelpunkt überregionaler Berichterstattung. Gerade die Bilder im Fernsehen über Schlachtbetriebe, das Keulen von Rindern und die Vernichtung von Rindfleisch sind nicht appetiterregend. Es gibt kaum ein Politikfeld, dass zur Darstellung derartig emotionalisierende Bilder bietet. Kein Fernsehsender, keine überregionale Zeitung mag darauf verzichten. Wir müssen darauf setzen, das Selbstvertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher stark zu machen, dass sie sich von den teilweise uralten Bildern nicht den Appetit verderben lassen.
Die nüchternen Erklärungen von Wissenschaftlern, Rindfleisch sei heute sicherer als in den neunziger Jahren haben keine Wirkung und gleichzeitig einen faden Beigeschmack, warum war denn Rindfleisch nicht sicher?
Gleichwohl müssen wir anerkennen, es ist so - diese Erklärungen sind richtig. Und auf den ausgewogenen Speiseplan gehört eben auch Rindfleisch, auch jetzt.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden in eigener Verantwortung, was sie essen. Niemand kann ihnen diese Entscheidung abnehmen, auch nicht die Regierung durch Erklärung, was alles sicher sei.
Und wenn mir der Umweltminister erzählen will, Ökoprodukte seien besser, glaube ich dies erst, wenn es durch Kontrolle der Inhaltstoffe nachgewiesen wurde. Die vergleichende Untersuchung von Kartoffeln hat beispielsweise vor Jahren ergeben, dass Gütezeichenkartoffeln die besten waren.
Damit die Verbraucherinnen und Verbraucher sich auch in Zukunft für schleswig- holsteinische Produkte entscheiden können, brauchen unsere Betriebe unsere emotionale Solidarität, und sie brauchen konkrete Hilfe zur Selbsthilfe.“

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