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09.05.01 , 16:54 Uhr
SPD

Konrad Nabel zu TOP 4: Änderung des Landesnaturschutzgesetzes

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 09.05.2001
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn

Konrad Nabel zu TOP 4:

“Änderung des Landesnaturschutzgesetzes”

Stellen Sie sich vor, Sie läsen in der Zeitung folgenden Text:

“Straßen sind seit Jahrhunderten die Landschaft prägende, zerschneidende Land- schaftselemente und dienen neben dem Transport von Menschen und Waren dem Schutz der links und rechts der Straßen liegenden Natur. Das Vorhandensein und die ständige Verbesserung von Straßen sind eine Grundvoraussetzung für jegliche Wei- terentwicklung der Gebiete abseits der Straßen. Somit wird die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts durch Straßen nachhaltig ge- währleistet. Also ist Straßenbau aus dem Eingriffskatalog des Landesnaturschutzgesetzes heraus- zunehmen. Ein Ausgleich findet nicht statt. ...”

Wer dieses nicht als zugespitzte Satire erkennt, muss sagen: “Dummes Zeug, das entbehrt jeder Grundlage!” - und genau diese Aussage trifft auch auf den vorliegenden Gesetzentwurf des SSW zur Änderung des LNatSchG zu.

Der Gesetzentwurf des SSW ist zugleich populistisch, dilettantisch und rückwärts ge- wandt.



Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Der SSW war immer vorn mit dabei war, als es galt, den Schutz der Natur auch um ih- rer selbst Willen in die Landesverfassung aufzunehmen - heute aber schlägt der nette, junge Familienvater von nebenan, - Koldenbüttel auf Eiderstedt, eine Gesetzesände- rung vor, die uns - würde sie Wirklichkeit - in die Zeit vor 1973 zurückwürfe.

Die Situation des Weltklimas hat sich seither erheblich verschärft, Praxis und Wissen- schaft haben sich zugleich vom konservierenden Naturschutz hin zum Schutz der Dy- namik in der Natur, zum Schutz natürlicher Prozesse weiter entwickelt. Aber selbst bei einem konservierenden Naturschutzverständnis, das diesem Antrag of- fensichtlich zu Grunde liegt, kann doch niemand, der einmal eine Baustelle zur Erhö- hung oder Verlagerung von Deichen mit den Lasterkolonnen und gigantischen Erdbe- wegungen gesehen hat, davon sprechen, es läge hier kein Eingriff in die Natur vor, es gäbe keine Veränderung im Landschaftsbild.

Es ist in höchstem Maße populistisch und fahrlässig zugleich, durch den vorgelegten Gesetzesentwurf glauben machen zu wollen, Küstenschutz sei mit einem Federstrich im Landesnaturschutzgesetz preiswerter und damit mehr Küstenschutzmaßnahmen zum selben Preis zu haben.

Bundes- und EU-Recht, aus denen das Landesnaturschutzgesetz in vielen Bestim- mungen abgeleitet ist, bieten eigene Vorschriften, die bei einer Streichung der Aus- gleichspflicht für Eingriffe bei Küstenschutzmaßnahmen aus § 7 greifen würden. Die durch das Bundesrecht formulierte Eingriffsdefinition in §8, Abs. 1 BNatSchG würde auch dann greifen, wenn in unserem LNatSchG dazu keine Aussagen gemacht wären.

Es würde sich also nichts an den Ausgleichspflicht ändern, wahrscheinlich würde alles etwas komplizierter und langwieriger, aber das Ergebnis wäre dasselbe: Der für den Eingriff nötige Ausgleich muss her! -3-



Auch der Ansatz, Küstenschutzmaßnahmen unter die Landwirtschaftsklausel zu stel- len und als ordnungsgemäße Bodennutzung zu deklarieren, geht an der Rechts- wirklichkeit vorbei. Auch hier ließe sich vortrefflich der Vergleich zum Straßenbau her- stellen:

Beides ist keine nicht auszugleichende Bodennutzung im Sinne der geltenden Gesetze und der Rechtsprechung, die unter Bodennutzung die Bodenbearbeitung während der täglichen Arbeit von Landwirten, Försterinnen und Fischern verstehen. Ich möchte den Abgeordneten Harms im übrigen darauf hinweisen, dass in der aktuel- len Debatte um eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes gerade die “ordnungs- gemäße Landwirtschaft” und die “gute fachliche Praxis” in der Neubewertung steht.

Bei uns in Schleswig-Holstein ist die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Mi- nisterien - dem MLR und dem MUNF - sowie den nachgeordneten Ämtern nicht nur beim Vorlandmanagement vorbildlich, sondern bei allen Küstenschutzmaßnahmen - auch in der einvernehmlichen Bewertung von Eingriffen und damit des Umfangs des nötigen Ausgleichs.

Durch Ausgleichsmaßnahmen im Küstenschutz wird vieles möglich für den Natur- schutz und den Tourismus, was sonst nicht finanzierbar wäre: • So ist im Naturschutzgebiet Schmoel in der Probstei durch die Zurückverlegung des Deiches ein Nassbiotop geschaffen worden, das als “Vogelparadies” auch für Wanderer erschlossen ist. • Die Vorlandgestaltung am Wattenmeer mit ihren Lahnungen nicht nur vor Westerhever erhalten wertvolle einzigartige Salzwiesen. • Bei den Wiedernaturierungsmaßnahmen an Kleientnahmestellen im Friedrich- Wilhelm-Lübcke-Koog sind Teiche entstanden, an denen Vögel sich tummeln. Dies alles würde der Antrag von Herrn Harms in Zukunft verhindern. Das kann nicht ernsthaft gewollt sein. Was treibt den SSW zu solchen Anträgen? -4-



Ist es die Sorge des Familienvaters vorm menschengemachten Anstieg des Meeres- spiegels, der durch weiteres Ignorieren der natürlichen Vorgänge, Kreisläufe und Res- sourcen, der Reaktionen auf menschliche Eingriffe eher weiter zu- als abnehmen wird?

Oder ist es der Versuch des SSW, sich hier im Landtag deutlich von Rot und Grün ab- zusetzen, um rechtzeitig den Hut in den Ring zur nächsten Bundestagswahl zu wer- fen? Weder sich selbst, noch dem SSW, noch den Menschen an unseren Küsten hat der Abgeordnete Harms mit diesem Gesetzentwurf etwas Gutes getan.

Lieber Lars Harms, lassen Sie uns gemeinsam Küstenschutz und Naturschutz weiter entwickeln, damit beides von möglichst allen betroffenen Menschen mitgetragen wird. Ihr Antrag ist auf diesem Wege wenig hilfreich.

Nur wenn der Küstenschutz mit dem Naturschutz Hand in Hand geht, kann er wirklich nachhaltig sein, nur dann werden die Deiche uns alle überleben und auch die Kinder des Abgeordneten Harms und all die anderen liebenswerten, niedlichen oder auch rotzfrechen nordfriesischen Kinder vor den Kräften der Natur, des Sturms und des Meeres schützen.

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