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Monika Heinold: Ein Recht auf Faulheit hat der Kanzler erst, wenn die Probleme gelöst sind!
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 10 - Rechte und Pflichten von Arbeitslosen - Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Ein Recht auf Faulheit hat Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de der Kanzler erst, wenn Nr. 122.01 / 10.05.2001 die Probleme gelöst sind!Arbeitslosigkeit ist ein strukturelles Problem. Die Förderung der Jobrotation, das Recht auf Teilzeitarbeit, die Senkung der Lohnnebenkosten sind erste Schritte in die richtige Richtung, aber es bleibt noch viel zu tun. Dazu die finanzpolitische Sprecherin der Frakti- on, Monika Heinold:"Sehr geehrte Damen und Herren!Meine Fraktion begrüßt den Antrag des SSW, und wir sagen sehr klar: Wenn ein Bun- deskanzler Arbeitslose pauschal als faul diffamiert, muss er mit Kritik von unserer Seite rechnen - auch wenn er Kanzler einer rot-grünen Bundesregierung ist.Ich erinnere mich noch an Bundeskanzler Kohl, der SozialhilfeempfängerInnen vorgewor- fen hat, sie würden sich auf Kosten der Allgemeinheit in der sozialen Hängematte ausru- hen. Erschreckend ist, dass wohl jeder Kanzler - egal aus welchem politischen Lager er kommt - ein Mal pro Legislaturperiode eine derartige Schuldzuweisung braucht. Erschre- ckend deshalb, weil wir alle wissen, dass Arbeitslosigkeit überwiegend kein vereinzeltes individuelles Schicksal ist, sondern ein strukturelles Problem - es gibt schlicht und ergrei- fend zu wenig Arbeitsplätze für alle Arbeitssuchenden.Unsere Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass soziale Lasten solidarisch von der All- gemeinheit getragen werden - durch soziale Sicherungssysteme wie die Arbeitslosenver- sicherung, aber auch durch steuerfinanzierte Hilfen wie die Sozialhilfe. Wer diesen be- stehenden gesellschaftlichen Konsens sprengt, legt Zündstoff, der leicht entflammbar ist.Da ist es natürlich für die CDU ein leichtes, in einer Pressemitteilung mehr Sensibilität bei der Diskussion über SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslose zu fordern. War es nicht die CDU, welche über Jahre hinweg zu einer Entsolidarisierung in der Gesellschaft bei- getragen hat, zu einer Gesellschaft, in der nur noch Ellenbogen zählen? Das Ergebnis dieser Politik wird im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung überdeutlich: Es sind die Arbeitslosen, welche von der sozialen Ausgrenzung betroffen sind. Wenn Arbeitslose jetzt glauben, bei Wadephul Schutz zu finden, sollten sie sich vorher das Märchen von Rotkäppchen und dem Wolf durchlesen: Nicht jedes mitfühlende Wort ist ernst gemeint. Das zeigt auch der heutige Antrag der CDU: Die mitfühlenden Worte des Landesvorsitzenden sind Schnee von gestern, jetzt wird wieder Klartext gere- det, und da bleibt es bei der Androhung von Repressalien. Der Vorschlag der CDU, Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammenzuführen greift eine bundesweit laufende Debatte auf. Allerdings gibt es hier sehr unterschiedliche Aussagen zur Ausgestaltung. Während Bündnis 90/Die Grünen dies immer im Rahmen einer ´Grundsicherung für Alle´ vorgeschlagen haben, will Arbeitgeberpräsident Hundt die Ar- beitslosenhilfe der Sozialhilfe angleichen. Da halte ich es mit dem sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der sagt, dass ´wer in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, auch Anspruch auf angemes- sene Leistungen hat´. Deshalb können wir dem Vorschlag der CDU-Landtagsfraktion so pauschal nicht zustimmen, sondern unterstützen die Bundestagsfraktion der GRÜNEN dabei, unser Modell einer Grundsicherung durchzusetzen. Aber zurück zum Bundeskanzler, der uns die heutige Debatte beschert hat. Natürlich ist es die Aufgabe der PolitikerInnen, neue Denkanstöße zu geben, Debatten auch durch provokative Äußerungen zu initiieren und bestehende Strukturen in Frage zu stellen. Al- lerdings ist es klug, sich vorher mit den Fakten zu beschäftigen: - Bei einer Arbeitslosigkeit von ca. 10 Prozent und angesichts der Möglichkeiten des Arbeitsamtes, auch Druck zur Annahme einer Arbeit auszuüben, kann es nicht nur an der Faulheit einiger liegen, dass diese Zahl so hoch ist. - Die Bundesanstalt für Arbeit hat zurecht darauf hingewiesen, dass ein erheblicher Teil derer, die sich Jahr für Jahr arbeitslos melden, schnell wieder eine Arbeit fin- det. Und in der Zwischenzeit haben die BeitragszahlerInnen einen wohlverdienten Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe. - Das Hauptproblem der Langzeitarbeitslosen liegt darin, dass ArbeitgeberInnen nur ungern Menschen einstellen, die älter als 50 Jahre sind, dass Behinderte schlech- te Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben (ihre Arbeitslosenquote liegt 100 Prozent über dem Durchschnitt) und dass auch Niedrigqualifizierte erhebliche Probleme bei der Arbeitssuche haben. - Ein weiteres Problem - vor allem im Niedriglohnbereich - sind die viel zu hohen Lohnnebenkosten. Wenn ich als ArbeitgeberIn 1.600 DM aufwenden muss, damit meine Angestellte dann 1.000 DM Netto bekommt, hilft auch das steuerbefreite Existenzminimum nur bedingt weiter. Diese Zahlen verhindern in einigen Berei- chen das Entstehen neuer Arbeitsplätze. Diese Gründe sprechen also dafür, den SSW-Antrag anzunehmen - mit einer kleinen Änderung. Der Antrag bietet auch die Chance, dass wir uns alle gemeinsam erneut dar- über Gedanken machen, wie wir vor allem Langzeitarbeitslose und Menschen über 50 Jahren wieder in Arbeitsmarkt integrieren. Dabei kommen Weiterbildungs- und Qualifizie- rungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle zu. Dies entspricht auch dem Interesse der ArbeitgeberInnen, die in einigen Bereichen händeringend gut ausgebildete Fachkräfte suchen. Deshalb müssen wir, wie vom SSW in seiner Pressemitteilung zu diesem Antrag gefor- dert, die Rechte und Pflichten von Arbeitslosen diskutieren und sollten als Vorbild Däne- mark, Schweden und die Niederlande nehmen. Zu den Rechten der Arbeitslosen in die- sen Ländern gehört eben auch der Anspruch auf Weiterbildung und Qualifizierung. Dort suchen die Arbeitsämter nicht die geeigneten Menschen zur Besetzung freier Stellen, sondern stellen vielmehr einen individuellen Plan auf, wie eine Arbeitslose / ein Arbeits- loser weitergebildet werden kann, um die Anforderungen einer bestimmten Stelle zu er- füllen. Solange PolitikerInnen in Deutschland einen solchen Rechtsanspruch nicht ge- schaffen haben, sollten sie Forderungen nach mehr Druck auf ´faule´ Arbeitslose unter- lassen. Immerhin: Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Jobrotation ist ein erster Schritt auf diesem Weg gemacht. Beschäftigte erhalten die Möglichkeit, zeitweise auszu- steigen, um sich fortzubilden. Gleichzeitig werden den Betrieben qualifizierte Arbeitslose vermittelt. Auch die Landesregierung hat sich sehr schnell und sehr deutlich für dieses Modell ausgesprochen. Ebenfalls ein Fortschritt ist das Recht auf Teilzeitarbeit - eine Initiative der rot-grünen Bundesregierung, die dazu beitragen wird, dass Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird. Ein weiterer Schwerpunkt der Politik muss darin liegen, Jugendlichen Ausbildungs- und Arbeitsstellen zu vermitteln. Vor allem hier unterstützt meine Fraktion die verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten. Wir tun keinem Jugendlichen einen Gefallen, wenn er oder sie erst einmal ein paar Jahre ´herumhängt´. Angebote, Beratung und Mo- tivation sind Aufgabe von Elternhaus und Staat - dann muss aber auch von den jungen Menschen erwartet werden können, dass sie sich selbst aktiv ins Berufsleben integrie- ren. Aber auch die Arbeitsämter sind gefordert, aktiv und kreativ zu beraten. Hier hat sich schon einiges getan - z.B. die Jobvermittlung über PC`s, die in den Arbeitsämtern stehen und mit deren Hilfe sich Arbeitslose selbst über angebotene Arbeitsstellen informieren können. Aber es mangelt zum Teil noch immer an einer zielgerichteten Vermittlung, wel- che auch Beratung mit einschließt, z.B. wo ich mein Kind während der Arbeitszeit unter- bringen kann. Arbeitslose brauchen Perspektiven, konkrete Angebote und Beratung. Dass vor allem die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen noch verbesserungswürdig ist hat auch die Bundesanstalt für Arbeit erkannt: Sie hat ein Konzept zur vorzeitigen Vor- beugung von Langzeitarbeitslosigkeit vorgestellt. Hier soll im Rahmen einer erweiterten Intensivberatung und -vermittlung gemeinsam mit Arbeitslosen, denen auf Grund von Al- ter, Gesundheitsbeeinträchtigung oder auch mangelnder Qualifikation Langzeitarbeitslo- sigkeit droht, ein individuell abgestimmtes Konzept erarbeitet werden. Die Bundesregierung hat einen ersten Schritt gemacht und die Lohnnebenkosten ge- senkt. Aber die Ökosteuer kann dazu nur einen kleinen Beitrag leisten. Hauptforderung meiner Fraktion ist es, dass die Sozialkassen von versicherungsfremden Leistungen be- freit werden, dass alle Menschen in die Sozialversicherungen einzahlen und dass es im unteren Lohnbereich eine geringere Belastung mit Lohnnebenkosten gibt, so dass hier neue Arbeitsplätze entstehen können. Es bleibt also viel zu tun. Ein Recht auf Faulheit hat der Kanzler erst, wenn die Probleme gelöst sind." ***