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10.05.01 , 15:27 Uhr
SPD

Klaus-Dieter Müller zu TOP 27: Situation der Außenhandelswirtschaft

Sozialdemokratischer Informationsbrief


Landtag Kiel, 10.05.2001
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn



Klaus-Dieter Müller zu TOP 27:

Situation der Außenhandelswirtschaft

Fakt ist: Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat ihren Exportanteil in den letzten Jah- ren deutlich steigern können. Die Exportquote unseres Landes hat sich von 1980 bis 2000 mit einem Anstieg auf 32,5 Prozent knapp verdoppelt. Der Bund legte im selben Zeitraum nur um rund 50 Prozent zu. Diese Zahlen lassen die Entwicklung noch positi- ver erscheinen, wenn man bedenkt, dass sich in der Exportquote nur das verarbeiten- de Gewerbe widerspiegelt, das in Schleswig-Holstein unter Durchschnitt vertreten ist.

Unser Land ist ein überdurchschnittlich ausgeprägter Dienstleistungsstandort, dessen außenwirtschaftliche Verflechtung bisher nicht erfasst wird. 73 Prozent ist der Anteil des Dienstleitungssektors an der Bruttowertschöpfung bei uns, ähnlich hoch wie bei den Stadtstaaten. Wir sind ein ganz überwiegend mittelständisch strukturiertes Land. Kleine und mittlere Unternehmen sind in aller Regel regional orientiert.

Dennoch dürfen uns die schwierigen Rahmenbedingungen und die Erfolge in den letz- ten Jahren nicht davon abhalten, noch intensiver und wenn möglich noch effektiver Außenwirtschaftspolitik zu betreiben: Vor dem Hintergrund nur begrenzter finanzieller Möglichkeiten – auf den Haushaltsansatz komme ich noch zurück – muss man zu- nächst Schwerpunkte benennen, die Aktivitäten sinnvoll fokussieren auf erfolgverspre- chende Märkte und Branchen. Hierbei ist es besonders wichtig, dass alle an diesem Prozess Beteiligten dieselben Schwerpunkte setzen. Wirtschaftsminister und Schleswig- SPD- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Fraktion stehen zu diesem Fragenkomplex in ständigen Gesprächen mit Unterneh- mensverbänden und Kammern, um noch mehr einheitliches Vorgehen zu fördern. Die nächste Runde findet am 2. Mai statt.

Die wichtigsten ausländischen Handelspartner sind für die Wirtschaft in Schleswig- Holstein in der Reihenfolge ihrer Bedeutung: Europa, Asien und Amerika. In Europa ist der wichtigste Markt für unsere Unternehmen Großbritannien. Diese nackte Tatsache veranlasst mich an dieser Stelle zur Empfehlung, dass bei allem Verständnis und mei- ner Unterstützung für jede Förderung der Ostseekooperation der Wirtschaftsraum Nordsee nicht vernachlässigt werden darf.

Besonders deutlich war die Zunahme der Exporte nach Osteuropa, die Ausfuhr nach Polen etwa stieg um 170 Prozent! Wir müssen unsere strategisch-geografische Positi- on zwischen West- und Nordosteuropa noch intensiver nutzen. Hier kann gelegentlich ein Blick auf die Größe von Märkten nicht schaden. In Polen gibt es allein 40 Millionen Verbraucher. Auch für den Bereich der Außenwirtschaftsförderung gilt: Kosten-Nutzen- Analysen können hilfreich sein. Der Aufbau und Unterhalt von Kontaktstrukturen, die Überwindung sprachlicher Barrieren allein durch Übersetzungsleistungen und die Ana- lysen des jeweiligen Marktes verschlingen ähnlich viele Mittel, ob ein Land nun 6 Milli- onen Menschen zählt oder 40 Millionen.

Lieber Uwe Eichelberg, Du hast die Frage in Deinem Beitrag aufgeworfen, ob man wirklich das wirtschaftliche Handeln auf dem nicht mehr durch Grenzen abgeschotte- ten Markt noch mit den Begriffen Export und Import belegen könne? Ich warne davor zu glauben, dass mit dem Abbau der physischen Grenzen und einer gemeinsamen Währung alle europäischen Märkte als Inlandsmärkte bewertet werden können und insbesondere die Märkte in Mittel- und Osteuropa von uns unterschätzt werden. Hier sind die größten Potenziale unserer Wirtschaft, die wir noch erobern müssen. Hier fal- len die Handelsbeschränkungen, hier eröffnen sich neue Märkte, die natürlich von ih- ren Gesetzmäßigkeiten her weiter Außenhandelsmärkte sind, aber Märkte, die schnell und mit immer weniger Hemmschwellen zu erreichen sind. -3-



Es muss weiter gelten: Wer nur wenig Geld hat und wem es ganz überwiegend um kleine und mittlere Unternehmensstrukturen geht, der muss nahe Märkte mit wenigen Barrieren im Auge haben! Alles andere geht an den Bedürfnissen und den Möglichkei- ten der kleinen und mittleren Unternehmen vorbei. Außenwirtschaftspolitik hat nichts mit Wolkenkuckucksheimen zu tun, sondern mit erreichbaren Zielen und schnellen realistischen Erträgen.

Ich rede von Prioritäten. Ich schließe selbstverständlich nicht aus, dass wir uns auch um außereuropäische Chancen kümmern müssen. Aber auch hier gilt: Kosten und Nutzen im Auge haben, Konzentration auf das Wesentliche und schnell Erreichbare. Ich habe die Erfolge in China mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, aber machen wir uns nichts vor: China ist kein Markt für schnelle Erträge. Ich gebe dem Minister völ- lig Recht, die greifbaren Potenziale außerhalb Europas liegen auf dem US-Markt.

Bei den Branchen zeigt sich, dass Anstrengungen im Bereich Elektro- nik/Informationstechnologien Wirkung zeigen, Maschinenbau und Chemie halten Posi- tion. Wenn es richtig ist, der Bericht bleibt konkrete Beispiele schuldig, dass „eine Rei- he mittelständischer Konzerne, die auf ihren Spezialgebieten Weltmarktführer sind“, zum positiven Ergebnis maßgeblich beitragen, sollte man sie nennen.

Wenn es um die Instrumentarien der Außenwirtschaftsförderung geht, werden Sie ü- berall, auch in diesem Bericht, lesen, wie wichtig Delegationsreisen und die Nutzung persönlicher Kontakte sind. Das ist richtig und wird ja auch bei uns entsprechend prak- tiziert. Mein Kollege Eichelberg hat da eine etwas gespaltene Haltung: Einerseits spricht er hier und heute von „konzeptloser Reiserei“. Haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, seinen nachgerade euphorischen Bericht aus Anlass seiner Teilnahme an der konzeptlosen Reise in die USA gelesen?

Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr konsequent trennen zwischen Delegati- onsreisen als Mittel zur allgemeinen Kontaktpflege und Verbesserung von Atmosphäre -4-



einerseits – dies geschieht nach gleichen Regeln wie überall auch bei uns – und ge- zielten Recherchen und daraus resultierendem Ansprechen von Unternehmen und Regionen, deren Unzufriedenheit mit anderen Standorten bekannt ist, deren Expansi- onsabsichten deutlich werden usw. Ich bin davon überzeugt, dass Außenwirtschafts- förderung in beide Richtungen noch sehr viel spezieller und gezielter betrieben werden sollte. Das ist etwas anderes als Delegationsreisen. Das ist Aufgabe einer Task-Force, die nah am Minister sein muss.

In diesem Zusammenhang komme ich zum Thema Haushalt und Außenwirtschaftsför- derung. Auch wir – die Wirtschaftspolitiker der SPD-Landtagsfraktion - haben bedau- ert, dass die Haushaltsansätze an dieser Stelle gekürzt wurden, aber auch der Einzel- plan 06 bleibt nicht verschont von schmerzlichen Einschnitten. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Ich weiß, dass der Minister die richtigen Konsequenzen ziehen will. Vor dem Hinter- grund der Haushaltsprobleme stellt sich vielmehr die Frage nach strukturellen Verän- derungen und Schwerpunktsetzungen innerhalb des Ressorts. Und da schlage ich die Brücke zu meinen Ausführungen in Bezug auf eine noch speziellere Politik der Au- ßenwirtschaftsförderung, die sich an konkreten Entwicklungen und Bedarfen orientiert. Ich kann Ihnen da sehr erfolgreiche Beispiele nennen, sowohl in Bayern als auch in Hamburg. Hier helfen die Methoden des Benchmarking durchaus weiter. Bernd Roh- wer wird hier zusätzliche neue Akzente setzen.

Ich möchte an dieser Stelle kritisch an die weiteren Partner der Außenwirtschaftspolitik appellieren. Ein Blick auf die Instrumentarien einer Außenwirtschaftsförderung der wichtigsten Konkurrenzländer Deutschlands – Frankreich, Großbritannien, Japan und USA – zeigt, dass dort der Aufbau von Exportkapazitäten bei Klein- und Mittelbetrie- ben besonders unterstützt wird, da zwar gute Möglichkeiten für den Export bestehen, aber Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) allzu häufig die finanziellen Risiken scheuen. Insbesondere in Frankreich und Japan werden die Außenwirtschaftsaktivitä- ten kleiner und mittlerer Unternehmen von staatlichen, halbstaatlichen, aber auch pri- -5-



vaten Kreditinstituten deutlich stärker als bei uns begleitet. Dort zählt zu den Standard- instrumenten ein differenziertes Angebot an Exportfinanzierungen und - versicherungen, aber auch die finanzielle Begleitung von Joint-Venture-Beteiligungen. Auch hier gilt es für uns, das Bankensystem kritischer als bisher zu begleiten.

Bei unseren Konkurrenten steht an herausragender Stelle die Marktforschung. Das ist nicht zuletzt Aufgabe der Auslandshandelskammern. Ein Besuch des Arbeitskreises Wirtschaft der SPD-Landtagsfraktion bei der IHK Oslo vor wenigen Monaten konnte uns diesbezüglich nicht beruhigen. Wir würden es begrüßen, wenn die Landesregie- rung und die Kammerorganisation den Auslandshandelskammern die in den für unsere schleswig-holsteinische Wirtschaft bedeutenden Märkten ermittelten Grunddaten transparenter machen würde, damit Aktivitäten unserer KMU in Gang gesetzt werden. Als Funktionär des DIHT und der Kammer Kiel liegt mir viel daran, die Kooperation zwischen Regierung und Kammer zu optimieren.

Lassen Sie mich abschließend kurz auf ein sehr wesentliches Instrument von Außen- wirtschaftsförderung eingehen. Ich meine die Bindung zukünftiger ausländischer Ent- scheidungsträger an unser Land. Mentale Bindungen sind der beste Garant für dauer- haft gute Auslandsbeziehungen. Darum müssen wir nicht nur in der Verwaltung, son- dern in allen gesellschaftlichen Bereichen Austauschprogramme nachhaltig fördern. Der Potsdamer Platz hätte kein Sony-Gebäude, wenn nicht der inzwischen verstorbe- ne Sony-Chef in Berlin studiert hätte. Rechnen lässt sich die Investition für Sony nicht. Insofern begrüße ich auch die Initiative des Landtagsvizepräsidenten. Wer morgen Außenwirtschaft erfolgreich betreiben will, muss heute für persönliche Bindungen von Ausländern an unser Land sorgen, um so mehr als wir leider nicht gerade das Image besonderer Gastfreundschaft in der Welt genießen.

Nach Schätzungen des DIHT wird sich der Anteil des Auslandsgeschäfts am Gesamt- umsatz mittelständischer Unternehmen bis 2005 nahezu verdoppeln. Wir sprechen hier über einen Kernbereich unserer Wirtschafts- und Strukturpolitik. Lassen Sie uns Bewährtes fortführen, Neues hinzufügen, andere Schwerpunktsetzungen und Metho- -6-



den, und lassen Sie uns erkennen, dass der, der nicht viel hat, nicht nur besonders kreativ sein muss, sondern sich vor allem auf das Wesentliche konzentrieren muss. Das Wesentliche ist nicht immer das mental Gewollte, eher das rechnerisch Sinnvolle.

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