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23.05.01 , 12:04 Uhr
FDP

Heiner Garg: Landesregierung verschiebt die Bekämpfung der Ursachen der Schwarzarbeit bis auf weiteres

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Nr. 174/2001 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Kiel, Mittwoch, 23. Mai 2001 E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Arbeitsmarkt/Schwarzarbeit in SH
Heiner Garg: Landesregierung verschiebt die Bekämpfung der Ursachen der Schwarzarbeit bis auf weiteres (langfristig) Zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP zur Schwarzarbeit in Schleswig-Holstein (Drs 15/960)* , erklärte der



Presseinformation arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg:
„Im November habe ich Ihnen unsere Große Anfrage zur Schwarzarbeit vorgestellt - heute möchte ich Ihnen die kleine Antwort der Landesregierung vorstellen und kommentieren.
Wir haben 37 Fragen zu Umfang, Ursachen und Bekämpfung gestellt; 29 davon kann die Landesregierung nach eigenen Angaben mangels Daten nicht beantworten.
Nicht beantwortet hat die Landesregierung hauptsächlich Fragen zum Umfang der Schwarzarbeit in Schleswig-Holstein und im Ländervergleich sowie zur Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema.
Erschöpfende Aussagen werden zu den einzelnen gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gemacht.
Interessant sind vor allen Dingen die allgemeinen Aussagen der Landesregierung zu den Ursachen der Schwarzarbeit und der Widerspruch dieser Erkenntnisse zur tatsächlichen Politik in Land und Bund.
Die Landesregierung kennt das Problem aber nicht seinen Umfang, und sie erkennt die Wurzel des Übels Schwarzarbeit, mag sie aber nicht bekämpfen, sondern kuriert stattdessen an den Symptomen.
So teilt die Landesregierung
„die Auffassung der meisten Wissenschaftler, ... , dass eine hohe Steuer– und Abgabenlast die Bereitschaft zu schattenwirtschaftlichen Aktivitäten erhöhen kann.“ (Drs. 15/960, S. 20)



* Sie können die Antwort der Landesregierung (Drs. 15/960) im Internet abrufen unter http://www.lvn.ltsh.de/infothek/wahl15/drucks/0900/drucksache-15-0960.pdf 2 Als Mitglied des Bundesrates geht die Landesregierung sogar noch einen Schritt weiter: Sie sieht
„... in den hohen Lohnneben- und -zusatzkosten eine Hauptursache für illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit ...“ (Drs. 15/960, S. 53)
Der Umfang der Schwarzarbeit richtet sich grundsätzlich danach, wie viel sie einbringt, wie groß die Gefahr ist, entdeckt und bestraft zu werden und wie hoch die Strafe bei Entdeckung ausfällt.
Wie viel Schwarzarbeit einbringen kann, zeigt die Landesregierung in einem einfachen Beispiel:
„So mussten 1999 rund 94,10 DM für eine legale Maurerstunde einschließlich Gemeinkosten kalkuliert werden. Ein Maurer erhält, wenn er verheiratet ist und zwei Kinder hat, ungefähr 18,00 DM netto. Erhält der Schwarzarbeiter für seine illegale Tätigkeit 30,00 DM pro Stunde, so verdient er fast doppelt so viel und der Bauherr spart zwei Drittel.“ (Drs. 15/960, S. 40)
Hier liegt der Hase im Pfeffer: Der eben genannte Maurer könnte sich von seinem legalen Stundenlohn 42 Minuten Schwarzarbeit kaufen und nur knapp 12 Minuten legale Arbeit.
Wen soll es da noch wundern, dass Schwarzarbeit sozusagen en vogue ist? Selbstverständlich niemanden.
Die Lösung will die Landesregierung auf drei Ebenen angehen: Aufklärung, Bekämpfung und langfristig Beseitigung der Ursachen mittels Maßnahmen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik (Drs. 15/960, S. 52).
Und hier setzt meine Kritik an: Die Ursachen sollen langfristig bekämpft werden, das heißt im Lichte der bisherigen Politik wohl, dass die Bekämpfung der Ursachen bis auf weiteres verschoben wird.
Ich gehe noch weiter: Bundes- und Landesregierung stärken durch ihre Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik die Anreize für Schwarzarbeit.
Die gesetzlichen Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung, Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit, zum Anspruch auf Teilzeit, zu befristeten Arbeitsverträgen und zur Mitbestimmung erhöhen die Kosten des Faktors Arbeit, und der letzte Rest an Flexibilität wird gründlich aus dem Arbeitsmarkt herausgepresst.
Diejenigen, die schon einen Arbeitsplatz haben, werden besser geschützt und gleichzeitig wird vielen Arbeitssuchenden die Chance auf einen legalen Arbeitsplatz verbaut. Gleichzeitig wird legale Arbeit noch teurer: Der oben genannte Maurer kann sich von seinem Lohn noch weniger legale Arbeit einkaufen.
Der weitere Anstieg der Schwarzarbeit ist programmiert.
Die Erläuterungen der Landesregierung zu diesen Vorhaben lauten anders: Alle diese Regelungen werden das Wachstum der legalen Beschäftigung stärken und die Schwarzarbeit einschränken. Das klingt für mich wie das ängstliche Pfeifen des einsamen Wanderers im dunklen Wald und widerspricht den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Gleichzeitig wird die Bekämpfung der Schwarzarbeit verstärkt. Die Landesregierung weist dies in ihrer Antwort detailliert nach. Eine Vielzahl von Gesetzesbestimmungen auf Bundes- und Länderebene zur schärferen Bekämpfung und Ahndung von Schwarzarbeit soll das Problem eindämmen. 3
Es bietet sich der Vergleich mit dem pyromanischen Feuerwehrmann an: Er legt Feuer, damit er es kurze Zeit später selbst bekämpfen kann.
Zum Vergleich: Bundes- und Landesregierung erhöhen die Anreize zur Schwarzarbeit, um dann schärfere Gesetze zu erlassen und mehr Personal zur Bekämpfung einzusetzen.
Dieses zusätzliche Personal wird entweder von anderen Aufgaben abgezogen oder zusätzlich eingestellt. Es muss ein größerer Teil der staatlichen Einnahmen für die Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt werden. Der Staat braucht immer mehr seiner Einnahmen, um das Phänomen zu bekämpfen, das er mit seiner Einnahmengier auslöst.
Das ist die Schattenseite des umlagefinanzierten Wohlfahrtsstaates. Ein Teufelskreis, bei dem die Bekämpfung des Übels das Wachstum des Übels noch verstärkt.
Selbstverständlich muss Schwarzarbeit verfolgt und geahndet werden. Aber viel wichtiger ist die Verringerung der Anreize zur Schwarzarbeit.
Ohne grundlegende Reformen der Sozialversicherungen und des Steuersystems und einer damit einhergehenden Senkung der Steuer- und Abgabenlast wird die Schattenwirtschaft weiterhin der florierendste Sektor unserer Wirtschaft bleiben.
Und auf diesem Gebiet taugt die rot-grüne Politik wenig bis gar nichts, was die kleine Antwort auf unsere Große Anfrage deutlich belegt: Die Bekämpfung der Ursachen der Schwarzarbeit wird bis auf weiteres verschoben.
Damit ist die FDP überhaupt nicht zufrieden; wir fordern deshalb von der Landesregierung:
1. Ein wissenschaftliches Gutachten zum Umfang der Schattenwirtschaft in Schleswig- Holstein und den Einstellungen der Bevölkerung zur Schwarzarbeit ähnlich wie es bereits für Baden-Württemberg vorliegt.
2. Eine Umsetzung der Erkenntnisse der Landesregierung: Konsequenter Abbau der Steuer- und Abgabenbelastung sowie der Regulierungsdichte. Das senkt die Schwarzarbeit, erhöht das Wirtschaftswachstum, schafft Arbeitsplätze und steigert so die Einnahmen des Staates nachhaltiger als alle Bekämpfungsmaßnahmen es je könnten. 4 Zahlenspiele:
Schneider** schätzt den Umfang der Schattenwirtschaft in Schleswig-Holstein im Jahre 1999 auf
22,046 Milliarden DM = 17,81% des BIP
• Damit bräuchten die Schwarzarbeiter in Schleswig-Holstein knapp eineindrittel Jahre, um die Schulden des Landes von ca. 30 Mrd. DM abzubauen.
• 1998 betrug das Verhältnis von Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit und BIP 58,3%.*** Überträgt man diese Quote auf die Schattenwirtschaft, so entstanden 1999 knapp 13 Milliarden Mark Arbeitseinkommen aus Schwarzarbeit. Bei dem oben von der Landesregierung angegebenen Stundenlohn für Schwarzarbeit von 30 DM wurden rund 433 Millionen Stunden Schwarzarbeit in Schleswig-Holstein geleistet, das entspricht gut 54 Millionen 8-Std. Arbeitstagen
oder
bei 200 Arbeitstagen pro Jahr 270000 Vollzeitarbeitsplätzen.
Zum Vergleich: in Schleswig-Holstein gibt es derzeit rund 115000 Arbeitslose.
• Die Verhältnis von Steuern und steuerähnlichen Einnahmen zum BIP des Landes betrug 1998 8,8%.***
• Überträgt man diese Quote auf die Schattenwirtschaft, entgingen dem Land 1999 rund 1,94 Milliarden DM an entsprechenden Einnahmen.
Zum Vergleich: die Nettoneuverschuldung 2001 beträgt über 1,2 Milliarden DM.

Alle diese Rechnungen sind grobe Überschlagsrechnungen und dienen nur dazu, die Größe der Schattenwirtschaft in Schleswig-Holstein vergleichend darzustellen.

** Schneider, Friedrich: Arbeit im Schatten: Einige theoretische und empirische Überlegungen über die Schattenwirtschaft, September 2000, Vortrag an der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik 2000 in Berlin, http://www.economics.uni-linz.ac.at/Members/Schneider/ArbeitimSchatten.PDF *** Eigene Berechnungen aufgrund des Statistischen Jahrbuches Schleswig Holstein 1999

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