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13.07.01 , 13:16 Uhr
FDP

Heiner Garg: Ein Tabu im Tabuthema

F.D.P. L a n d t a g s f r a k t i o n Schleswig-Holstein 1 Christian Albrecht Pressesprecher
V.i.S.d.P.


F.D.P. Fraktion im Nr. 262/2001 Schleswig- Holsteinischen Landtag Landeshaus, 24171 Kiel Kiel, Freitag, 13. Juli 2001 Postfach 7121 Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497 Sperrfrist: Redebeginn E - Mail: fraktion@fdp-sh.de Internet: http://www.fdp-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!
Heiner Garg: Ein Tabu im Tabuthema
In seinem Redebeitrag zu TOP 37 (Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen) sagte der sozialpolitische Sprecher der FDP- Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg:



Presseinformation „Der Bericht der Landesregierung zeigt, dass das Problem der sexuellen Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen noch nicht adä- quat gelöst worden ist. So möchte ich darauf hinweisen, dass auf Antrag der FDP bereits in der letzten Wahlperiode eine Plenardebatte zu diesem Thema im Rahmen der Möglichkeiten von getrenntgeschlechtlichen Un- terbringung in Wohnheimen diskutiert worden ist.
In diesem Rahmen wurde auch generell über sexuelle Gewalt und die sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen mit Behinderun- gen gesprochen. Dabei war festzustellen, dass gerade von den Instituti- onen und Heimeinrichtungen eine sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen weitgehend negiert wird.
Die sexuelle Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen stellt immer noch ein Tabu im Tabuthema der sexuellen Gewalt gegen Mädchen und Frau- en generell dar, obwohl sich die gesellschaftliche Diskriminierung behin- derter Frauen hier von der krassesten Seite zeigt.
Deutlich wurde – auch bei der damaligen Debatte – dass, gerade weil die Problematik des sexuellen Missbrauchs als undenkbar gilt, diese in der Öffentlichkeit als eine seltene Tat eingestuft wird.
Dabei ist aber zu bedenken, dass gerade die gesellschaftliche Ausgren- zung in isolierten Anstalten und die enge Begrenzung des sozialen Radi- us auf Herkunftsfamilie und Betreuer zwar Frauen und Mädchen mit Be- hinderungen schützen kann, gleichzeitig aber die Betroffenen um so stärker den Bezugspersonen oder professionellen Betreuungspersonen ausliefert.
Der vorgeblich schützende Rahmen in den jeweiligen Einrichtungen kann dann schnell in eine bedrängende Situation umschlagen. Hier muss des- halb ein neuer Denkansatz her, um dieses Dilemma lösen zu können. 2 Machen wir uns doch nichts vor: Die Brisanz der Problematik wird dann sichtbar, wenn die Hälfte der befragten Einrichtungen angebe, dass Fälle von sexueller Gewalt gegen Men- schen mit geistiger Behinderung bekannt seien und rund 64% der befragten Frauen mit Behinderungen einmal oder mehrmals in ihrem Leben sexuelle Gewalt erfahren haben.
Offensichtlich spielt diese Problematik der sexualisierten Gewalt eben doch eine gravie- rende Rolle in stationären Einrichtungen. Wir können also nicht ausschließen, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch in den Einrichtungen für Behinderte verletzt werden kann.
Was sollte bei der als Lösung des Problems bedacht werden?
Wir dürfen bei Hilfsangeboten nicht vergessen, dass sich auch die Mitarbeiter im Behin- dertenbereich im Umgang mit dieser Problematik oftmals extrem verunsichert, auf sich ge- stellt und isoliert fühlen. Die Problematik wird somit auf dem Rücken der engagierten Be- treuer ausgetragen.
So gibt es zu dieser Thematik bis heute kaum ausdifferenzierten Überlegungen zur Frage, wie in Wohneinrichtungen für Behinderte angemessen mit sexuellen Gewalterfahrungen von Bewohnerinnen umgegangen werden kann.
Zwar wird immer im Bericht der Landesregierung auf die Zugänglichkeit für Mädchen und Frauen mit Behinderungen zu Beratungsstellen hingewiesen. Doch besteht tatsächlich ein solcher Zugang?
Von vielen Anlauf- und Beratungsstellen wird tatsächlich angegeben, dass diese für alle von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen offen stehen.
Doch bei genauerem Hinsehen ist zu fragen, ob die dort an die Mädchen und Frauen mit Behinderten gesteckten Anforderungen – und hier sehe ich das Problem insbesondere bei denjenigen mit geistiger Behinderung – nicht zu hoch sind?
Der Zugang zu Hilfseinrichtungen muss deshalb so verbessert werden, dass die betroffe- nen Personen, die gerade durch ihre Behinderung häufig von ihrer Bezugsperson abhän- gig sind, unabhängig von diesen Hilfe erhalten können.
Darüber hinaus muss die Kommunikation zwischen der beratenden Stelle und den betrof- fenen Frauen noch verbessert werden. Oftmals besteht doch das Problem, dass keine gemeinsame Kommunikationsebene mit der Klientin gefunden werden konnte und den je- weiligen Beratern die Erfahrung speziell für diese Hilfesuchenden fehlte.
Eine intensivere Vernetzung mit spezialisierten Beratungsangeboten ist deshalb dringend erforderlich. Denn bei vielen Angeboten besteht immer wieder das Problem, dass bei den angebotenen Hilfen oftmals die von sexueller Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen mit geistiger Behinderung in erster Linie als geistig Behinderte und nicht – oder erst in zweiter Linie – als Frauen wahrgenommen wurden.
Um so unverständlicher finde ich es, dass eine Einrichtung wie „Mixed Pickles“, die sich gerade aber auf solche Fragestellungen spezialisiert hat und unbestritten für seine kompe- tente Arbeit gelobt wird, nicht weiter unterstützt wird. Gerade eine verbesserte Unterstüt- zung durch spezialisierte Angebote gibt den Mädchen und Frauen die Hilfe, die sie benöti- gen.
Der Bericht zeigt, dass wir hier erst am Anfang stehen.“

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