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26.09.01 , 11:41 Uhr
SSW

Ehrenamt: Mehr Mitbestimmung ist wichtiger als Geld

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Kiel, d. 26.09.2001 Anke Spoorendonk Es gilt das gesprochene Wort

TOP 11 Ehrenamtliche Tätigkeit in Schleswig-Holstein (Drs. 15/1050)
Der SSW hat ja seine kulturellen Wurzeln in einer Gesellschaft, die ganz anders mit Staat, Markt
und dem bürgerschaftlichen Engagement umgeht, als wir es aus Schleswig-Holstein kennen.
Trotzdem können auch wir nur beipflichten, wenn die unermessliche Bedeutung des Ehrenamtes
für das Zusammenleben im Land unterstrichen wird. Wir alle können aus eigener Erfahrung
erzählen, dass Schleswig-Holstein ohne das freiwillige Engagement vieler Bürgerinnen und
Bürger arm dran wäre. Gerade wir in den Minderheiten wissen nur allzu gut: Ohne die vielen
Menschen, die ihre freie Zeit den anderen opfern und dieses auch noch gerne tun, wäre die Welt
wohl grau und unmenschlich wie im Märchen von Momo. Dafür schulden wir ihnen Dank und
Anerkennung.

Auch ich werde jetzt nicht allen ehrenamtlich Tätigen gebührend meinen Respekt zollen können.
Die Antwort auf die große Anfrage macht deutlich, dass das bürgerschaftliche Engagement im
Land viele Facetten hat. Die Vielfalt ist so groß, dass sie sich einer Aufzählung entzieht.

Sie ist sogar so groß, dass der Landesregierung entgangen ist, dass es in Schleswig-Holstein ein
Spendenparlament gibt. Obwohl auf Seite 30 festgestellt wird, dass es keine solche Initiative im
Land gibt, haben wir in Flensburg seit Jahren eins. Ein waschechtes Spendenparlament, dem
nebenbei bemerkt die Kollegin Silke Hinrichsen vorsitzt. Aber da sieht man wie groß und
unüberschaubar die Welt des Ehrenamts ist, dass so etwas nicht bis nach Kiel vordringt.
Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Das bürgerschaftliche Engagement blüht aber nicht nur im zwischenmenschlichen Miteinander, es
ist seit über einem Jahrzehnt auch zu einem wichtigen politischen Konzept geworden. Insbeson-
dere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Entstehung der jungen osteuropäischen Demo-
kratien ist das bürgerschaftliche Engagement zu einem hochgelobten Grundpfeiler der demo-
kratischen Gesellschaften geworden. Es bildet das Fundament der „Zivilgesellschaft“, die auch in
Zukunft Demokratie und Wohlfahrt sichern soll. Auch deshalb ist das Ehrenamt zum Gegenstand
eines internationalen Jahres der Vereinten Nationen geworden, und das ist auch einer der Gründe
weshalb sich der Landtag und die Landesregierung so intensiv mit diesem Thema beschäftigen.

Denn es ist noch nicht gesagt, dass das bürgerschaftliche Engagement in Zukunft wirklich eine
solche Entwicklung tragen kann. Der Feststellung der ernormen Bedeutung des Ehrenamts steht
die bange Frage nach der Zukunft des ehrenamtlichen Engagements gegenüber. Die Welt verän-
dert sich, und die Menschen mit. Wir wissen mit Sicherheit, dass die Zukunft des Ehrenamtes
anders aussieht als das, was wir bisher kennen. Wir alle kennen Menschen, die ihr ganzes Leben
einer oder mehreren Sachen geopfert haben. Die Minderheiten leben von Ehrenamt, wir waren
bisher ohne exzessives Ehrenamt gar nicht denkbar. Aber auch wir werden uns aber daran
gewöhnen müssen, dass sie seltener werden - die Menschen, die sich in jeder freien Minute für
eine Sache aufschleißen.
Die Menschen von heute haben andere Lebensstile entwickelt, sie haben andere Ziele in ihrem
Leben. Sie werden sicherlich immer noch ehrenamtlich tätig sein, aber sie Stellen sich unter
Ehrenamt etwas anders vor, als heute. Die potentiellen Ehrenamtlichen der Zukunft lassen sich
nicht mehr so gern in feste Strukturen dauerhaft einbinden. Ihre ehrenamtliche Arbeit ist ziel-
orientiert, soll in sich sinnstiftend sein, ist weniger zeitaufwendig und flexibler. Die Politik für das
Ehrenamt muss sich auf diese neuen Bedingungen einstellen.

Das Ehrenamt ist wichtig für unsere Zukunft, und deshalb müssen die Weichen gestellt werden.
Das Jahr des Ehrenamts ruft uns ins Bewusstsein, dass wir uns nicht einfach zurücklehnen

Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de können. Die Politik ist aufgerufen, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ehrenamt-
liche Arbeit zu unterstützen und zu fördern.
Das kann natürlich zum einen durch Geld geschehen. Der Antrag der FDP macht deutlich, dass
sie hierin ein zentrales Element sieht. Andere Möglichkeiten bestehen zum Beispiel darin, dass
man das Ehrenamt als Qualifikation für Berufsausbildungen oder Erwerbsarbeit anerkennt. Es ist
zum Beispiel gut, dass Schülerinnen und Schüler ab diesem Schuljahr solche Tätigkeiten ihrem
Zeugnis hinzufügen lassen können. Der SSW meint auch immer noch, dass Ehrenämter im
Rahmen der Hochschulzulassung als Zusatzqualifikation anerkannt werden sollten. Solche
Anerkennung des bürgerschaftlichen Engagements in anderen Lebensbereichen sind eine
Möglichkeit, das Engagement zu fördern.

Ich glaube allerdings nicht, dass die meisten potentiellen Ehrenamtlichen sich wegen Geld,
steuerrechtlicher Regelungen oder ähnlicher Vorteile für oder gegen das Engagement entscheiden.
Ich glaube vielmehr, dass sie vor allem gute Rahmenbedingungen erwarten. Sie wollen vor allem
dass das Ehrenamt so strukturiert ist, dass es ihnen erlaubt, wirklich den angesprochenen nicht-
materiellen Nutzen aus dem Engagement zu ziehen. Es geht also darum, dass man sie zuerst darin
unterstützt, sich wirklich über die ehrenamtliche Tätigkeit selbst zu verwirklichen. Dazu gehören
sinnvolle Strukturen, die das Ehrenamt erleichtern. Dazu gehören z. B. Fortbildung und Qualifi-
zierung. Und dazu gehört vor allem die Möglichkeit, auf die ehrenamtliche Tätigkeit Einfluss
nehmen zu können und selbst Entscheidungen zu treffen.

Zu einer konsequenten Förderung des Ehrenamts gehört eben auch, dass man erkennt, dass
modernes Ehrenamt und Mitsprache zwei Seiten der selben Medaille sind. Die Ehrenamtlerinnen
und Ehrenamtler wollen natürlich nicht nur als billige, voraussetzungslose Arbeitskraft in Ver-
einen arbeiten. Die Zukunft des Ehrenamts hängt unter anderem maßgeblich davon ab, ob die
Menschen demokratisch mitreden können. Gerade in dieser Hinsicht ist es auch Aufgabe der Poli-
tik, hier nicht nur schöne Sonntagsreden zu schwingen sondern mit gutem Beispiel voranzugehen.

Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Die Demokratie lebt nicht nur vom Ehrenamt in Jugendverbänden und Bürgerinitiativen. Auch
wenn es durch die große Politik im Fernsehen mit ihren Bodyguards und dunklen Limousinen in
den Hintergrund rückt, sind der weit größte Teil der Politikerinnen und Politiker ehrenamtlich
tätig. Zur politischen Mitsprache gehört zum einen, dass Kinder und Jugendliche an die Teilhabe
herangeführt werden. Hier liegt Schleswig-Holstein bundesweit an der Spitze. Zur Mitsprache
gehört zum anderen aber auch, dass erwachsene Menschen, die sich in die Demokratie einbringen
wollen, auch wirklich Einflussmöglichkeiten erhalten. I diesem Sinne kann man nicht ignorieren,
was gegenwärtig in unseren Kommunen abläuft. Verwaltungsreformen, die Städte, Kreise und
Gemeinden am Modell eines Wirtschaftsunternehmens ausrichten und hierarchische Manage-
mentstrukturen einführen, machen vielleicht den Job des Verwaltungschefs attraktiver. Sie tragen
kaum dazu bei, das ehrenamtliche Engagement in der Demokratie zu fördern. Und das dürfte
immerhin das wichtigste Feld der Ehrenamtlichkeit überhaupt sein. Hier haben wir einen Bereich,
in dem alle Mitglieder in diesem Hause konkret und unmittelbar dafür arbeiten können, die
Bedingungen des Ehrenamts zu verbessern.
Wie eingangs erwähnt beruht SSW-Politik auf einem Gesellschaftsverständnis, das anders mit
dem bürgerschaftlichen Engagement umgeht. In unseren Augen dürfen wichtige gesellschaftliche
Aufgaben nicht im Sinne der Subsidiarität den Betroffenen und ihren Nächsten überlassen
werden, sondern die Gesellschaft tritt solidarisch für Mitmenschen ein, auch bevor die allerletzten
Reserven in deren Umgebung erschöpft sind. Deshalb sind wir auch froh, dass die
Landesregierung deutlich macht, dass Ehrenamt für sie kein Ersatz für staatliche Verantwortung
sein kann. Ehrenamt ist ein Bereich, der sich nicht staatlich steuern lässt, sondern allenfalls über
Rahmenbedingungen beeinflussbar ist. Sonst würde es auch seinen Charakter verlieren. Und die
Zukunft des Ehrenamts lässt weniger Kontinuität in den Tätigkeiten erwarten. Deshalb kann sich
der Staat nicht zurückziehen. Ehrenamt ist keine Alternative zum staatlichen Handeln. Insbe-
sondere in teuren Bereichen wie Gesundheit und Soziales ist die Versuchung heute groß, die
Hilfen auf den Dritten Sektor auszudehnen und zu verschieben. Es bleibt aber Aufgabe der Politik
zu definieren, welche Bereiche von zentraler Bedeutung sind, und die Sicherstellung dieser
Bereiche selbst zu gewährleisten.
Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de

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