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Ehrenamt: Mehr Mitbestimmung ist wichtiger als Geld
Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82 SSW-LandtagsvertretungPRESSEINFORMATION Norderstr. 74 D – 24939 Flensburg Tel. (0461) 14 40 83 00 Fax (0461) 14 40 83 05 Kiel, d. 26.09.2001 Anke Spoorendonk Es gilt das gesprochene WortTOP 11 Ehrenamtliche Tätigkeit in Schleswig-Holstein (Drs. 15/1050)Der SSW hat ja seine kulturellen Wurzeln in einer Gesellschaft, die ganz anders mit Staat, Marktund dem bürgerschaftlichen Engagement umgeht, als wir es aus Schleswig-Holstein kennen.Trotzdem können auch wir nur beipflichten, wenn die unermessliche Bedeutung des Ehrenamtesfür das Zusammenleben im Land unterstrichen wird. Wir alle können aus eigener Erfahrungerzählen, dass Schleswig-Holstein ohne das freiwillige Engagement vieler Bürgerinnen undBürger arm dran wäre. Gerade wir in den Minderheiten wissen nur allzu gut: Ohne die vielenMenschen, die ihre freie Zeit den anderen opfern und dieses auch noch gerne tun, wäre die Weltwohl grau und unmenschlich wie im Märchen von Momo. Dafür schulden wir ihnen Dank undAnerkennung.Auch ich werde jetzt nicht allen ehrenamtlich Tätigen gebührend meinen Respekt zollen können.Die Antwort auf die große Anfrage macht deutlich, dass das bürgerschaftliche Engagement imLand viele Facetten hat. Die Vielfalt ist so groß, dass sie sich einer Aufzählung entzieht.Sie ist sogar so groß, dass der Landesregierung entgangen ist, dass es in Schleswig-Holstein einSpendenparlament gibt. Obwohl auf Seite 30 festgestellt wird, dass es keine solche Initiative imLand gibt, haben wir in Flensburg seit Jahren eins. Ein waschechtes Spendenparlament, demnebenbei bemerkt die Kollegin Silke Hinrichsen vorsitzt. Aber da sieht man wie groß undunüberschaubar die Welt des Ehrenamts ist, dass so etwas nicht bis nach Kiel vordringt. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Das bürgerschaftliche Engagement blüht aber nicht nur im zwischenmenschlichen Miteinander, esist seit über einem Jahrzehnt auch zu einem wichtigen politischen Konzept geworden. Insbeson-dere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Entstehung der jungen osteuropäischen Demo-kratien ist das bürgerschaftliche Engagement zu einem hochgelobten Grundpfeiler der demo-kratischen Gesellschaften geworden. Es bildet das Fundament der „Zivilgesellschaft“, die auch inZukunft Demokratie und Wohlfahrt sichern soll. Auch deshalb ist das Ehrenamt zum Gegenstandeines internationalen Jahres der Vereinten Nationen geworden, und das ist auch einer der Gründeweshalb sich der Landtag und die Landesregierung so intensiv mit diesem Thema beschäftigen.Denn es ist noch nicht gesagt, dass das bürgerschaftliche Engagement in Zukunft wirklich einesolche Entwicklung tragen kann. Der Feststellung der ernormen Bedeutung des Ehrenamts stehtdie bange Frage nach der Zukunft des ehrenamtlichen Engagements gegenüber. Die Welt verän-dert sich, und die Menschen mit. Wir wissen mit Sicherheit, dass die Zukunft des Ehrenamtesanders aussieht als das, was wir bisher kennen. Wir alle kennen Menschen, die ihr ganzes Lebeneiner oder mehreren Sachen geopfert haben. Die Minderheiten leben von Ehrenamt, wir warenbisher ohne exzessives Ehrenamt gar nicht denkbar. Aber auch wir werden uns aber darangewöhnen müssen, dass sie seltener werden - die Menschen, die sich in jeder freien Minute füreine Sache aufschleißen.Die Menschen von heute haben andere Lebensstile entwickelt, sie haben andere Ziele in ihremLeben. Sie werden sicherlich immer noch ehrenamtlich tätig sein, aber sie Stellen sich unterEhrenamt etwas anders vor, als heute. Die potentiellen Ehrenamtlichen der Zukunft lassen sichnicht mehr so gern in feste Strukturen dauerhaft einbinden. Ihre ehrenamtliche Arbeit ist ziel-orientiert, soll in sich sinnstiftend sein, ist weniger zeitaufwendig und flexibler. Die Politik für dasEhrenamt muss sich auf diese neuen Bedingungen einstellen.Das Ehrenamt ist wichtig für unsere Zukunft, und deshalb müssen die Weichen gestellt werden.Das Jahr des Ehrenamts ruft uns ins Bewusstsein, dass wir uns nicht einfach zurücklehnen Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de können. Die Politik ist aufgerufen, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ehrenamt-liche Arbeit zu unterstützen und zu fördern.Das kann natürlich zum einen durch Geld geschehen. Der Antrag der FDP macht deutlich, dasssie hierin ein zentrales Element sieht. Andere Möglichkeiten bestehen zum Beispiel darin, dassman das Ehrenamt als Qualifikation für Berufsausbildungen oder Erwerbsarbeit anerkennt. Es istzum Beispiel gut, dass Schülerinnen und Schüler ab diesem Schuljahr solche Tätigkeiten ihremZeugnis hinzufügen lassen können. Der SSW meint auch immer noch, dass Ehrenämter imRahmen der Hochschulzulassung als Zusatzqualifikation anerkannt werden sollten. SolcheAnerkennung des bürgerschaftlichen Engagements in anderen Lebensbereichen sind eineMöglichkeit, das Engagement zu fördern.Ich glaube allerdings nicht, dass die meisten potentiellen Ehrenamtlichen sich wegen Geld,steuerrechtlicher Regelungen oder ähnlicher Vorteile für oder gegen das Engagement entscheiden.Ich glaube vielmehr, dass sie vor allem gute Rahmenbedingungen erwarten. Sie wollen vor allemdass das Ehrenamt so strukturiert ist, dass es ihnen erlaubt, wirklich den angesprochenen nicht-materiellen Nutzen aus dem Engagement zu ziehen. Es geht also darum, dass man sie zuerst darinunterstützt, sich wirklich über die ehrenamtliche Tätigkeit selbst zu verwirklichen. Dazu gehörensinnvolle Strukturen, die das Ehrenamt erleichtern. Dazu gehören z. B. Fortbildung und Qualifi-zierung. Und dazu gehört vor allem die Möglichkeit, auf die ehrenamtliche Tätigkeit Einflussnehmen zu können und selbst Entscheidungen zu treffen.Zu einer konsequenten Förderung des Ehrenamts gehört eben auch, dass man erkennt, dassmodernes Ehrenamt und Mitsprache zwei Seiten der selben Medaille sind. Die Ehrenamtlerinnenund Ehrenamtler wollen natürlich nicht nur als billige, voraussetzungslose Arbeitskraft in Ver-einen arbeiten. Die Zukunft des Ehrenamts hängt unter anderem maßgeblich davon ab, ob dieMenschen demokratisch mitreden können. Gerade in dieser Hinsicht ist es auch Aufgabe der Poli-tik, hier nicht nur schöne Sonntagsreden zu schwingen sondern mit gutem Beispiel voranzugehen. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Die Demokratie lebt nicht nur vom Ehrenamt in Jugendverbänden und Bürgerinitiativen. Auchwenn es durch die große Politik im Fernsehen mit ihren Bodyguards und dunklen Limousinen inden Hintergrund rückt, sind der weit größte Teil der Politikerinnen und Politiker ehrenamtlichtätig. Zur politischen Mitsprache gehört zum einen, dass Kinder und Jugendliche an die Teilhabeherangeführt werden. Hier liegt Schleswig-Holstein bundesweit an der Spitze. Zur Mitsprachegehört zum anderen aber auch, dass erwachsene Menschen, die sich in die Demokratie einbringenwollen, auch wirklich Einflussmöglichkeiten erhalten. I diesem Sinne kann man nicht ignorieren,was gegenwärtig in unseren Kommunen abläuft. Verwaltungsreformen, die Städte, Kreise undGemeinden am Modell eines Wirtschaftsunternehmens ausrichten und hierarchische Manage-mentstrukturen einführen, machen vielleicht den Job des Verwaltungschefs attraktiver. Sie tragenkaum dazu bei, das ehrenamtliche Engagement in der Demokratie zu fördern. Und das dürfteimmerhin das wichtigste Feld der Ehrenamtlichkeit überhaupt sein. Hier haben wir einen Bereich,in dem alle Mitglieder in diesem Hause konkret und unmittelbar dafür arbeiten können, dieBedingungen des Ehrenamts zu verbessern.Wie eingangs erwähnt beruht SSW-Politik auf einem Gesellschaftsverständnis, das anders mitdem bürgerschaftlichen Engagement umgeht. In unseren Augen dürfen wichtige gesellschaftlicheAufgaben nicht im Sinne der Subsidiarität den Betroffenen und ihren Nächsten überlassenwerden, sondern die Gesellschaft tritt solidarisch für Mitmenschen ein, auch bevor die allerletztenReserven in deren Umgebung erschöpft sind. Deshalb sind wir auch froh, dass dieLandesregierung deutlich macht, dass Ehrenamt für sie kein Ersatz für staatliche Verantwortungsein kann. Ehrenamt ist ein Bereich, der sich nicht staatlich steuern lässt, sondern allenfalls überRahmenbedingungen beeinflussbar ist. Sonst würde es auch seinen Charakter verlieren. Und dieZukunft des Ehrenamts lässt weniger Kontinuität in den Tätigkeiten erwarten. Deshalb kann sichder Staat nicht zurückziehen. Ehrenamt ist keine Alternative zum staatlichen Handeln. Insbe-sondere in teuren Bereichen wie Gesundheit und Soziales ist die Versuchung heute groß, dieHilfen auf den Dritten Sektor auszudehnen und zu verschieben. Es bleibt aber Aufgabe der Politikzu definieren, welche Bereiche von zentraler Bedeutung sind, und die Sicherstellung dieserBereiche selbst zu gewährleisten. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de