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Heroinprojekt: FDP Antrag ist dilletantisch
Südschleswigscher Wählerverband Schleswig-Holsteinischer Landtag im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 D - 24105 Kiel Tel. (0431) 988 13 80 Fax (0431) 988 13 82 SSW-LandtagsvertretungPRESSEINFORMATION Norderstr. 74 D – 24939 Flensburg Tel. (0461) 14 40 83 00 Fax (0461) 14 40 83 05 Kiel, d. 28.09.2001 Lars Harms Es gilt das gesprochene WortTOP 24 Modellversuch in der Drogenpolitik (Drs. 15/1192) Heroinvergabe ist eine feine Sache. In der Theorie verspricht sie u a. das Leiden der Betroffenen undihrer Angehöriger zu mindern, den Ausstiegswillen der Abhängigen zu fördern, Neueinsteiger ab-schrecken, der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten wie AIDS zu vorzubeugen, den Drogen-markt auszutrocknen, Beschaffungskriminalität zu verhindern, Kräfte der Polizei z. B. für die Terror-bekämpfung freizumachen und die Geldquellen der Terroristen zu blockieren.Auch in der Praxis sieht es nicht schlecht aus, aber die praktischen Erfahrungen mit der kontrolliertenVergabe von Heroin sind spärlich und gesicherte Erkenntnisse wohlfeil. Es gibt eine lange Praxis derHeroinverschreibung durch Ärzte in Großbritannien, aber die ist schlecht dokumentiert. Es gibt kaumdokumentierte Erfahrungen mit Opiatvergabe in Schweden und Australien, die auch noch vieleJahrzehnte zurück liegen. Es gab Experimente mit kontrollierter Heroinvergabe in Großbritannien, diesind aber veraltet und können wegen kleiner Teilnehmerzahl nicht verallgemeinert werden. DieErfahrungen der Versuche sind nicht durchweg positiv, was aber nicht an der Heroinverschreibung ansich lag. Gegenwärtig gibt es einen laufenden Versuch in den Niederlanden. Am besten dokumentiertist das in den 1990ern durchgeführte Projekt zur Verschreibung von Betäubungsmitteln in derSchweiz, das so gut lief, dass man es permanent gemacht hat. Damit konnte man die Probandengesundheitlich, sozial, wohnungsbezogen und arbeitsmäßig stärken und die Kriminalität senken. Kurzgesagt: Die Versuchsteilnehmer leben nicht alle enthaltsam, aber viele leben ein geregeltes Leben undbelästigen keine Dritte. Und der Staat spart noch Geld. Die heroingestützte Behandlung ist heute festerBestandteil schweizerischer Drogenpolitik. Sie ersetzt nicht andere Therapien, die direkt aufAbstinenz ausgerichtet sind oder die Methadonvergabe, sondern ergänzt diese um noch einedrogenpolitische Alternative. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de Entscheidend ist letztlich, was man als Erfolg ansieht. Wenn man auch Ziele unterhalb der totalenEnthaltsamkeit akzeptiert, dann verspricht die kontrollierte Heroinvergabe enorme Fortschritte.Deshalb will man das Experiment auch in Deutschland wagen. Man macht es erst einmal im Rahmeneines Modellversuchs, denn der Erfolg solcher Maßnahmen hängt entscheidend von den Modalitätender Abgabe und von dem Umfeld ab. Ähnliche Drogenpolitiken können in unterschiedlichen Ländernsehr unterschiedliche Wirkungen zeigen. Deshalb will man die Methode auch in Deutschland ersteinmal im Rahmen eines wissenschaftlich kontrollierten Modellversuchs testen. Mal ganz davonabgesehen, dass so auch behutsamer um die Akzeptanz in der Bevölkerung geworben werden kann.Gerade weil vieles von den genauen Abgabemodalitäten, dem Teilnehmerkreis und anderen Faktorenabhängt, und gerade weil eine Menge zusätzlicher Programme organisiert werden müssen - für diepsychosoziale Begleitung, die Begleitforschung usw. - dauert die Vorbereitung eines ModellversuchsJahre. Auch die Finanzierung ist nicht leicht, das Heroinprojekt ist viel kleiner als ursprünglichgeplant, weil das Ganze sehr teuer ist. Deshalb ist es vollkommen utopisch zu glauben, dass wir danoch fix mitmachen können. Punkt 1 des Antrages der FDP ist unrealistisch. Andererseits macht eswenig Sinn, dass die Bundesrepublik einen aufwendigen Modellversuch durchführt, und wirgleichzeitig mal schnell was ähnliches ausprobieren wollen. Einmal ganz davon abgesehen, dass esnicht zu bezahlen wäre und gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen würde. Punkt 2 desAntrages der FDP ist unmöglich.Die FDP hat ja auch erst vor wenig Monaten gemeinsam mit SSW, SPD und Grünen einen Antrageingebracht in dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich in Berlin für die rechtlicheErmöglichung solcher Modellversuche einzusetzen. In diesem Sinne ist es jetzt erst einmal wichtig,dass die Landesregierung im Bundesrat aktiv wird, wie ihr von der überwältigenden Mehrheit diesesHauses aufgetragen wurde. Deshalb bitte ich um Zustimmung für unseren Änderungsantrag.Es ist bedauerlich, dass der Kollege Garg jetzt vorgeprescht ist. Der vorliegende Antrag ist einleuchtendes Beispiel dafür, wie man mit einem gut gemeinten aber dilettantischen Antrag der Sacheschadet. Ein Blick auf unsere Homepage im Internet hätte dies verhindern können. Dort liegt seitlangem eine der umfassendsten und aktuellsten deutschsprachigen Bestandsaufnahmen zur kontrol-lierten Opiatvergabe. Ich empfehle dem Kollegen die Lektüre – denn vorbeugen geht vor, gerade inder Drogenpolitik. Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de