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Friedrich-Carl Wodarz zu TOP 11 - Wettbewerbsfähigkeit der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 16.11.01 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellFriedrich-Carl Wodarz zu TOP 11:Wettbewerbsfähigkeit der schleswig-holsteinischen LandwirtschaftUns liegt ein interessanter Bericht vor. Den Mitarbeitern im MLR gebührt viel Dank für die Fleißarbeit. Es ist ein Bericht, den ich mir aufheben werde als Nachschlagewerk, falls CDU und Bauernverbandsvertreter mal wieder das Klagelied von der Benachteili- gung der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein durch die Landesregierung singen.Der Bericht kann allerdings nicht viel über die Wettbewerbsstellung der Landwirtschaft aussagen, weil die Fragen so dürftig sind. So verfehlt nicht der Bericht das eigentliche Thema, sondern die Fragestellung der CDU. Die CDU ist so sehr in der Vorstellung verhaftet, die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft sei von der Höhe der staatlichen Subventionen abhängig, dass ihr die tatsächlichen wirtschaftlichen Fragestellungen gar nicht in den Sinn kommen.Zur tatsächlichen wirtschaftlichen Lage darf ich zur Erinnerung für die CDU einige Eckwerte aus dem aktuellen Agrarreport 2001 zitieren: Die Unternehmensgewinne der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft im Wirt- schaftsjahr 1999/2000 sind die besten, die je in unserem Land erzielt wurden. Die 19.700 Betriebe stellten mit einer Steigerung von 16 % und einem durchschnittlichen Gewinn von rund 78.000 DM gegenüber dem Vorjahr ihre Spitzenstellung vergangener Jahre im Vergleich der alten Länder wiederum unter Beweis. Schleswig-Holstein liegt erneut deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Die Ausgleichszahlungen an die schleswig-holsteinischen Landwirte betragen im Durchschnitt rund 41.000 DM pro Unternehmen, das sind 7.000 DM mehr als im Ver- gleich der alten Länder. Sie stellen 53 % des Gewinns und etwa ein Achtel des Um- satzes dar. Insgesamt sind die Ausgleichszahlungen um 1,8 % auf 506 Mio. DM ge- stiegen.Wirtschaftliche Rahmenbedingungen stellen sich eben wesentlich komplexer dar als es die enge CDU-Sicht vermuten lässt, und ein wesentlicher Standortvorteil sind z. B. unsere guten Ackerböden, das günstige Klima, der hohe Ausbildungstand der Landwir- te und die gute Anbindung an die Absatzmärkte.Ich werde im einzelnen auf den Bericht eingehen, doch so viel vorweg: Bei dem wirt- schaftlichen Teilaspekt Subventionen bedeutet es für einen Landwirt keinen Standort- nachteil, wenn er in Schleswig-Holstein wirtschaftet. Die Subventionshöhe und Sub- ventionstatbestände mögen zwischen den Bundesländern variieren. Es ist überhaupt nicht zu erkennen, dass sich in CDU-regierten Ländern daraus Standortvorteile für dort arbeitende Landwirte ergeben.Schauen wir uns einmal die Handhabung der BSE-Folgekosten für Tiermehle und Tierkörperbeseitigung an. Durchaus kein einheitliches Bild. Eins ist aber offensichtlich: In Schleswig-Holstein wird in allen Bereichen geholfen. Bei der Futtermittelüberwa- chung engagieren sich alle Bundesländer. Das scheint mir eher ein Indikator dafür zu sein, dass man in ganz Deutschland aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.Dass die CDU mit den bundesweit niedrigsten Kosten für BSE-Tests in Schleswig- Holstein ihre Probleme hat, konnten wir schon aus der Presse erfahren. Wir sind da Spitze, und das kommt unseren Landwirten zugute. Auch wenn Schleswig-Holstein zu den wenigen Ländern gehört, die die BSE-Forschung finanziell unterstützen, so bleibe ich dabei, dass das eine Aufgabe des Bundes oder der EU ist. -3-BSE ist kein Problem eines einzelnen Bundeslandes. Und alles, was wir bisher über diese Krankheit erfahren haben, spricht eher dafür, dass wir dringend europaweit die Forschungsergebnisse, die Forschungsstrategien und die wissenschaftlichen Kapazi- täten bündeln müssen.Machen wir uns nichts vor. Auch wenn BSE in der derzeitigen Medienlandschaft kein Thema mehr ist, so sind wir seit dem ersten BSE-Fall in Schleswig-Holstein keinen Schritt weiter gekommen.Wenn die CDU nach den Anstrengungen der Bundesländer zur Verbesserung des Verbraucherschutzes fragt und wir in der Zusammenstellung bei Bayern die meisten Punkte aufgezählt sehen, so spricht das keineswegs für ein höheres Bewusstsein des Herrn Stoiber in dieser Frage, sondern zeigt deutlich, dass in Bayern beim Verbraucherschutz in der Vergangenheit am meisten geschlampt worden ist und man eben dort am meisten nachzuholen hat. Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass die Bayern ein eigenes staatliches Labor aufbauen werden. Ich erinnere an die Regierungserklärung unserer Ministerpräsidentin im Frühjahr die- ses Jahres. Kein Bundesland hat so offen und schonungslos eine Schwachstellenana- lyse durchgeführt und die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen. Wir schla- gen das Konzept der Qualitätstore vor. Ein Prinzip, das sich recht kurzfristig in ganz Deutschland anwenden ließe.In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die Gütezeichenabteilung der Landwirtschaftskammer, die beteiligten Firmen und das MLR für die konsequente und praxisnahe Umsetzung dieser Konzeption loben. Aber ich betone auch an dieser Stel- le: Eine Qualitätssicherung über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus muss in erster Linie eine Aufgabe der Marktteilnehmer sein. Und dazu gehören in erster Linie die Landwirte. Ich kann die zögerliche, z. T. ablehnende Haltung des Bauernverban- des zu einer möglichst raschen Einführung und Beteiligung an diesem Qualitätssiche- rungssystem überhaupt nicht nachvollziehen. -4-Nutznießer aller Lebensmittelskandale waren Produkte aus Qualitätssicherungssyste- men, die über längere Zeit im Bewusstsein der Verbraucher etabliert waren, so z. B die ökologischen Markenzeichen oder das EDEKA Markenfleischprogramm. Betrachte ich mir die Ausgaben einiger Länder für das regionale Agrarprodukt-Marketing. so frage ich mich, ob wir wirklich in einem marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem leben. Zwar beteiligt sich unser Land auch am Gütezeichen Schleswig-Holstein, doch darf und kann Marketing auf Dauer nicht eine staatliche Aufgabe sein.Trotz der bekannten Schwierigkeiten bei der Zahlung von Tierprämien in Schleswig- Holstein zeigt die Übersicht doch auf, dass wir im Bundesvergleich gar nicht aus dem Rahmen fallen. Da hat der Kollege Jensen-Nissen in seiner bekannten Art zu differen- zieren ein Bundesland ausgesucht, das schneller war und flugs den Eindruck vermit- telt, es wäre überall besser als in Schleswig-Holstein. Nun Herr Kollege, mit diesem In- formationsmaterial sollten auch Sie etwas differenzierter argumentieren.Interessant sind auch die Aussagen zur einzelbetrieblichen Investitionsförderung. Während es in Schleswig-Holstein zu keinem Zeitpunkt einen Antrags- bzw. Bewilli- gungsstopp wegen fehlender finanzieller Mittel für die Investitionsförderung gab, konn- ten in Bayern genau aus diesem Grunde einige Investitionen nicht getätigt werden.Die CDU-Agrarpolitiker polemisieren oft und gerne gegen eine vermeintliche Bevorzu- gung des Ökolandbaus gegenüber den konventionell wirtschaftenden Landwirten. Schauen wir uns die Zahlen genauer an, so liegen wir bei den Einführungs- wie bei den Beibehaltungsprämien gut im Vergleich. Dass wir dennoch unsere Anstrengungen für den Ökolandbau verstärken müssen, zeigt aber auch der Vergleich des relativen Anteils an landwirtschaftlichen Betrieben und an der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wir sind hier im unteren Drittel platziert, und wenn ich auch hier der Ansicht bin, dass es nicht in erster Linie Aufgabe des Staates sein kann, mit welchen Produktionsme- thoden und welchen Produkten sich ein Markteilnehmer zu positionieren hat, so sehe ich den sozialen und ökologischen Nutzen der Ökolandwirtschaft, der ein staatliches Engagement im begrenzten Umfang rechtfertigt. -5-Wenn die Partei der Marktwirtschaft auch bei den Tierzuchtverbänden vehement staat- liche Finanzmittel einfordert, so verweise ich nur auf die Holsteiner Zucht. Diese ist pri- vat organisiert, hat beste züchterische Ergebnisse und ist damit wirtschaftlich recht er- folgreich. Der Staat hat da nichts zu suchen, sehen wir einmal von den hoheitlichen Aufgaben ab, die sich aus der Gesetzeslage ergeben.Ganz anders stellt sich die Situation für die Zuchtverbände der Kleintierzüchter und der Imker dar. Hier gibt es keinen ausgeprägten wirtschaftlichen Hintergrund, doch ein großes Leistungsspektrum an sozialen und ökologischen Leistungen. Die Genreserve, die die Rassegeflügelzüchter vorhalten und pflegen, ist geldlich gar nicht zu erfassen. Diese Kürzungen im Haushaltsentwurf werden wir erneut diskutieren müssen.Lassen Sie mich zum Schluss auf die Organisationsform der Agrarverwaltungen ein- gehen. Die meisten CDU-regierten Länder haben keine Landwirtschaftskammern. Eine Landwirtschaftskammer ist also zunächst einmal kein Naturgesetz. Wenn sich die SPD dennoch für den Erhalt der Kammer ausspricht, so allein deshalb, weil wir aus histori- schen Gründen dieses Instrument haben und es wenig Sinn macht, aus Prinzip etwas neues zu etablieren, was letztlich zu gleichen Aufgabenerledigungen führen wird.Das Land wird der Kammer Aufgaben übertragen und dafür bezahlen. Das wird im Rahmen bestimmter Projekte oder einer Zielvereinbarung geschehen. Eine pauschale institutionelle Förderung wird es in Zukunft in Schleswig-Holstein nicht mehr geben. Die Landwirtschaftskammer und deren Vorstand haben sich der neuen Zielvorgabe gestellt und auch schon die richtigen Weichen gestellt.Ich fasse zusammen: • Uns liegt eine Zusammenstellung von interessanten Informationen vor. • Diese ist vom Fragesteller mit einer falschen Überschrift versehen worden. • Schleswig-Holstein kann sich im Bundesvergleich sehen lassen. -6-• Unsere Landwirtschaft hat sich im Wettbewerb aufgestellt und nimmt einen Spit- zenplatz ein. • Wir dürfen aber nicht die Landwirtschaft nur nach ihrer Wirtschaftlichkeit beurteilen. Für die Verbraucher und deren Vertrauen sind Qualität und Herstellungsprozesse entscheidend. Immer wichtiger werden die sozialen und Umweltleistungen der Landwirtschaft. Das vom Bauernverband inzwischen wieder geforderte „Weiter so“ mit Produktionsformen der Vergangenheit ist daher falsch. Wir brauchen nach wie vor eine Neuorientierung der Landwirtschaft und unterstützen hier den Kurs der Bundesregierung.