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Karl-Martin Hentschel zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge
Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 12 und 13 – Senkung der Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Sozialversicherungsbeiträge - Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Mobil: 0172/541 83 53 von Bündnis 90/Die Grünen, E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Karl-Martin Hentschel: Internet: www.gruene-landtag-sh.de Nr. 015.02 / 24.01.2002Es muss Schluss damit sein, dass die unteren Einkommen auch noch unser Sozialsystem finanzieren müssen!Vor dreißig Jahren kam noch ein Drittel unserer Arbeitsplätze für ungelernte ArbeiterIn- nen und Angestellte in Frage. Heute sind es nur noch zehn Prozent. Die Folge davon ist, dass Menschen, die keine Ausbildung haben, dreimal so stark von der Arbeitslosigkeit betroffen sind wie ausgebildete FacharbeiterInnen und fünfmal so stark wie Akademike- rInnen.Das liegt aber nicht daran, dass einfache Arbeiten nicht mehr gebraucht werden. Aber je mehr das allgemeine Lebensniveau wächst, je mehr unsere Produkte von Maschinen hergestellt werden, desto vergleichsweise teuerer werden private Dienstleistungen. So sehr wir Dienstleistungen brauchen, wir können sie nicht bezahlen. Und das gilt nicht nur für private Dienstleistungen, dass gilt für alle Bereiche, in denen die Lohnkosten dominie- ren - so zum Beispiel auch im Handwerk.Aufgrund dieser Situation halte ich unser bestehendes Sozialversicherungssystem für die größte ökonomische Fehlsteuerung in unserem Steuersystem.Das Sozialversicherungssystem belastet die unteren Einkommensgruppen mit 40 Pro- zent Abgaben ab der ersten Mark. Während GeringverdienerInnen praktisch keine Steu- ern bezahlen - was ja auch sinnvoll ist, gibt es bei den Sozialabgaben keine Freibeträge und keine Progression.Diese hohe Belastung verhindert die Entstehung von Millionen Arbeitsplätzen, wie der Vergleich mit Ländern mit anderen Sozialsystemen zeigt. Diese hohe Belastung treibt Millionen von Beschäftigten in die Schwarzarbeit, um die Lohnnebenkosten einzusparen. Und damit ist dieses System schädlich für unsere Volkswirtschaft und muss dringend geändert werden.Nun kann man natürlich der Meinung sein, dass wir uns alle privat versichern. Aber das ist leider Traumtänzerei! Denn wenn man das ernst nimmt, dann bricht unser soziales Versicherungssystem zusammen. Das mag der FDP egal sein, aber nicht Millionen von Menschen, die auf gesetzliche Kranken- und Rentenversicherungen angewiesen sind.Das Sozialversicherungssystem ist ja nicht teurer, weil private Versicherungen zaubern können, sondern weil über die Sozialversicherungen viele staatliche Sozialleistungen fi- nanziert werden, die ansonsten der Staat finanzieren müsste.So wurden 1995 über die gesetzliche Krankenversicherung 53 Mrd. DM für Familienver- sicherung, vier Mrd. DM für Schwangerschaftsurlaub und 2,4 Mrd. DM für Erziehungsur- laub aufgebracht - alles Leistungen, für die es keine Beitragszahlungen gibt.Die Rentenversicherung leistete allein 33 Mrd. DM West-Ost-Transfer und 24 Mrd. DM Kriegsfolgelasten. Dazu kommen weitere Leistungen wie Kindererziehungszeiten, Ren- ten nach Mindesteinkommen usw. im Wert von fast 80 Mrd. DM. Auch aus dem Arbeits- losengeld wurden mit West-Ost-Transfer, Ausbildung, Umschulung, ABM, Vorruhestand usw. fast 60 Mrd. DM geleistet, denen keine Beitragszahlungen gegenüberstehen.Geht man weiterhin davon aus, dass in vielen Staaten, auch so liberalen wie den USA und Großbritannien, die medizinische Grundversorgung und eine Grundrente für Bedürf- tige vom Staat bezahlt wird, dann kann man mit Fug und Recht behaupten, dass zirka ein Drittel der Leistungen der Sozialkassen versicherungsfremd sind.Diese Sozialleistungen werden bei uns überwiegend von ArbeiterInnen und Angestellten mit unteren und mittleren Einkommen finanziert. Dagegen sind die Selbstständigen, die BeamtInnen und die oberen Einkommengruppen davon befreit und nicht an der Finanzie- rung dieser Soziallasten beteiligt.Es ist geradezu absurd, dass in unserem Staat die unteren Einkommensschichten mit 40 Prozent Abzügen vom Lohn für die Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werden, die hohen Einkommen aber davon befreit werden. Das ist sozial ungerecht.Das verhindert die Entstehung von Millionen Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor, wie man in anderen Ländern sehen kann. Das treibt Millionen in die Schwarzarbeit, um die Lohnnebenkosten zu sparen. Und das schwächt unser Steuer- und Sozialsystem. Nur diejenigen, die brav ihre Einkommen versteuern, sind dabei die Dummen.Deshalb habe ich einen Antrag gestellt, für die Sozialversicherungen wie bei den Steuern einen Freibetrag und eine Progressionszone einzuführen. Das ist das keine Lohnsubven- tion und kein Kombilohn. Es ist nichts weiter als die dringend gebotene Freistellung von unteren Einkommen von der Finanzierung von Sozialleistungen.Eine solches System ist aber besser, als das der FDP, die die Geringfügigkeitsgrenze verdoppeln will. Denn dann haben sie wieder eine Grenze, und es lohnt sich nicht, für Menschen, die mehr verdienen wollen, mehr zu arbeiten, weil sie dann plötzlich Steuern und Sozialabgaben bezahlen müssen. Und Sie erklären nicht, wie denn Menschen aus diesen Minieinkommen denn eine eige- ne private Altersversicherung aufbauen sollen, ohne im Alter doch wieder bei der Sozial- hilfe zu landen. Und wer soll die Krankenkasse bezahlen?Das vorgeschlagene Modell ist auch besser, als die Flickmodelle, wie sie jetzt auf Bun- desebene von der SPD gewollt sind. Denn das sind wieder Modelle, die nur denen nüt- zen, die schon länger Arbeitslos gewesen sind. Neue Arbeitsplätze auf Dauer werden dadurch nicht geschaffen. Die Dummen sind dann wiederum die, die ehrlich ihre Steuern gezahlt haben. Die bekommen mal wieder nichts.Eine Freistellung, wie ich sie vorschlage, ist nicht kostenlos zu haben. Sie muss gegenfi- nanziert werden. Aber Herr Garg, auch Ihr Modell muss gegenfinanziert werden. Sie sa- gen nur nicht wie.Wenn ich als Gegenfinanzierung die Verbrauchssteuern vorschlage, dann aus gutem Grund. Die Verbrauchssteuern belasten den Konsum - also alle. Das heißt: Alle werden an der Finanzierung des Sozialsystems beteiligt. Das ist viel gerechter, als das heutige System.Die Verbrauchssteuern haben einen weiteren Vorteil: Sie sind außenhandelsneutral. Denn sie belasten nicht den Export, wie alle anderen Steuerarten, sie belasten aber den Import - also auch die im Ausland produzierten Produkte, die hier konsumiert werden.Zum dritten sind die Verbrauchssteuern auch sozial gut gestaffelt. Der größte Ausgaben- faktor für niedrige Einkommen, die Miete, ist nämlich steuerfrei. Der zweite große Faktor, das Essen, hat einen reduzierten Mehrwertsteuersatz. Und schließlich kann ja diese Dif- ferenzierung durch einen dritten Mehrwertsteuersatz noch weiter ausgebaut werden, wie in Skandinavien.Wer der Theorie nicht glaubt, der kann sich ja auch in der Praxis anschauen, wie eine solche drastische Senkung der Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich funkti- oniert. In Dänemark hat sie in Folge der Steuerreform von 1993 innerhalb von fünf Jah- ren zur Halbierung der Arbeitslosigkeit geführt. Also genau zu dem Ergebnis, das uns nun schon von zwei Kanzlern tapfer versprochen wurde.Ich habe die hier dargelegten Überlegungen sowohl den Handwerkskammern wie auch dem VUV dargestellt – und bin dort auf Zustimmung gestoßen. Ich bedanke mich auch bei Minister Rohwer, die in einem Interview etwas Entsprechendes gefordert hat. Ich be- danke mich auch bei unserem Koalitionspartner, der es ermöglicht hat, abweichend vom Koalitionsvertrag diesen Antrag hier einzubringen, obwohl die SPD den Antrag bisher noch nicht mitträgt.Und ich würde mich aber freuen, wenn es gelänge, nach einer Diskussion in den Aus- schüssen diesen Antrag auch zu verabschieden und in die Bundespolitik einzubringen. ***