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24.01.02 , 12:15 Uhr
SPD

Wolfgang Baasch zu TOP 12 + 13

Sozialdemokratischer Informationsbrief
Kiel, 24.01.02 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell


Wolfgang Baasch zu TOP 12 + 13

Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen / Neuorientierung des Arbeitsmarktes / Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung

Ein total deregulierter Arbeitsmarkt, der für einen großen Teil der Beschäftigten auch Löh- ne unterhalb des Existenzminimums bedeuten würde, ist weder sinnvoll noch sozialpoli- tisch akzeptabel. In dieser Frage sind wir uns hier im Hause sicherlich alle – auch die GRÜNEN und die FDP – einig. In der heutigen Diskussion stellt sich allerdings erneut die Frage, ob geringproduktive und demnach auch nur gering entlohnte Arbeit systematisch und auf Dauer bzw. zeitlich begrenzt staatlich subventioniert werden soll. Befürworter ei- ner solchen Subventionierung von geringqualifizierter Arbeit führen folgende Argumente an: 1. In der Industrie würden ständig Arbeitsplätze in diesem Sektor abgebaut und die so freigesetzten Arbeitskräfte könnten nur mit einfachen Arbeiten in einfachen perso- nenbezogenen Dienstleistungen beschäftigt werden. 2. Zusätzliche Beschäftigung mit einfachen Arbeiten sei auch deshalb notwendig, weil die Qualifikationsanforderungen ständig steigen und immer mehr Menschen nicht in der Lage sind, diese Anforderungen zu erfüllen. 3. Im gegenwärtigen Sozialsystem fehle es an Anreizen für Arbeitslose, eine gering bezahlte Arbeit anzunehmen. Diesen Argumenten kann man folgende Einwände entgegenhalten: 1. Die Arbeitsplatzlücke ließe sich auch problemlos ohne einen subventionierten Nied- riglohnsektor schließen, wenn nur Arbeitszeitverkürzungen und Abbau von Über- stunden umgesetzt würden. Und es gilt auch weiterhin, die besondere Situation Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



nach der Wiedervereinigung mit der hohen Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands zu berücksichtigen. 2. Die nicht vorhandene Qualifikation vieler Arbeitssuchender sollte eine Herausforde- rung für berufliche Weiterbildung sein. Jedenfalls gibt es im Bildungswesen, vor al- lem in der Weiterbildung, noch viele unausgeschöpfte Möglichkeiten, um die Quali- fikation von Arbeitssuchenden zu verbessern. Die Antwort auf das Problem der geringqualifizierten Arbeitslosen ist nicht, sie zu sub- ventionieren, sondern sie zu qualifizieren und die Anstrengungen in der Bildungspolitik zu verstärken. Das heißt, es darf auf keinen Fall durch die Subventionierung gering- qualifizierter Arbeit dazu kommen, dass arbeitsmarktpolitische Alternativen, die zu an- deren langfristig tragfähigen strategischen Ansätzen wie Arbeitszeitverkürzung oder in- tensive Qualifikation von Arbeitssuchenden führen, vernachlässigt werden.

Der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die geringqualifizierte Arbeit aus Steu- ermitteln zu subventionieren, ist eine Möglichkeit, die allerdings dazu führt, innerhalb des bestehenden Sozialversicherungssystems die Gewichte zwischen Beitrags- und Steuerfinanzierung zu verschieben. Natürlich könnte ein höherer Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, ein Regelbundeszuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit oder die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik aus steuerfinanzierten Einnahmen ganz durch den Bund ein Weg sein. Ein Weg, den die Rot-Grüne Bundesregierung seit 1998 z. B. zur Entlastung der Rentenversicherungsbeiträge mit der Öko-Steuer geht. Dem Vorteil, dass durch diesen Weg die Arbeitskosten entlastet werden, steht allerdings der Nach- teil gegenüber, dass damit die Abhängigkeit der Sozialversicherung von der Haus- haltspolitik des Bundes immer weiter steigen würde. Und neben den politischen Schwierigkeiten mit der Umstellung unseres Sozialversicherungssystems wird dieser Weg auch eine Antwort darauf geben müssen wie er denn die durch die Beitragsfinan- zierung begründeten Ansprüche auf die Sozialversicherung umsetzen will, denn genau diese Ansprüche an unsere Sozialversicherung werden durch ein neues Finanzie- rungssystem aufgeweicht.

Wer wie Karl-Martin Hentschel einfach eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 % vorschlägt, vergisst, dass derartige Steuererhöhungen sich auch in den Löhnen und -3-



den Arbeitskosten niederschlagen. Wenn die Sozialversicherungsbeiträge durch indi- rekte Steuern ersetzt und die Konsumpreise drastisch erhöht werden, wird sich dies auch in den Lohnforderungen der Gewerkschaften und der Beschäftigten generell nie- derschlagen. Und im Übrigen glaube ich, dass der geschichtliche Rückblick von Karl- Martin Hentschel auf die Zeiten des Kaiserreichs nicht nur hinkt, sondern auch Gefah- ren birgt. Hentschel behauptet nämlich, dass im Kaiserreich die Arbeiter keine Abga- ben gezahlt hätten, nur die Reichen. Wahrscheinlich wünscht er sich auch zur Unter- stützung seiner Position und der der GRÜNEN Wahlchancen das Dreikassenwahl- rechts des Kaiserreichs wieder, denn dort durften die Arbeiter, die keine Steuern zahl- ten, auch nicht wählen.

Zum F.D.P.-Antrag: Bei diesem Antrag handelt es sich um die Neuauflage einer Dis- kussion, die wir bereits im September des letzten Jahres geführt haben. Eine Diskussi- on, die erneut dazu beitragen soll, sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse akzeptabel zu machen. Dieses haben wir damals abgelehnt, und wir halten es auch heute für falsch.

Wir unterstützen das neue Job-AQTIV-Gesetz. Mit dem Job-AQTIV-Gesetz werden neue Wege in der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik eingeschlagen. Mit dem Job- AQTIV-Gesetz wird die Effektivität der Arbeitsvermittlung gesteigert. Es wird die beruf- liche Qualifizierung verstärkt. Es wird eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt, und in noch stärkerem Maße wird das Prinzip „Fördern und Fordern“ verankert. Es sollen mit dem Job-AQTIV-Gesetz alle Beschäftigungsmöglichkeiten konsequent genutzt werden, um Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und eine schnelle Vermittlung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt wieder zu erreichen. Hierzu wird der Arbeitssuchende sehr schnell und sehr qualifiziert beraten, und es wird mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Eine Eingliederungsvereinba- rung, die die Angebote des Arbeitsamtes und der Arbeitsvermittlung erhält und die auf der anderen Seite die Aktivitäten des Arbeitssuchenden verbindlich festlegt. Um Lang- zeitarbeitslosigkeit zu meiden wird der Einsatz aller arbeitsmarktpolitischen Instrumen- te für Arbeitssuchende sofort und ohne Wartezeiten, wie bisher, möglich. -4-



Dieses sind notwendige Neuregelungen, die dazu führen werden, die Vermittlung von Arbeitslosen noch stärker zu beschleunigen und zielgenau vorantreiben zu können. Neben dem Job-AQTIV-Gesetz wird jetzt bundesweit das Mainzer Modell ausgeweitet. Dieses Kombi-Lohn-Modell sieht vor, insbesondere gering qualifizierte Empfänger von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe gezielt zu fördern. Im Rahmen des Mainzer Modells sind sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse von mindestens 15 Wochenstunden mit einer Bezahlung nach Tarif bzw. ortsüblicher Bezahlung förderfähig. Die Höchst- dauer dieser Subventionierung beträgt 36 Monate. Mit dem Mainzer Modell wird ein Kombi-Lohn-Modell bundesweit eingeführt, das eine durchaus vernünftige Ergänzung von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten sein kann. Allerdings wäre nun zu beobach- ten, ob durch die Subventionierung von Niedriglöhnen es zu Lohndumping kommt und Arbeitgeber die Subventionierung geringqualifizierter Arbeit für ihre Zwecke ausnutzen.

Es wäre wahrscheinlich klüger gewesen, das Elmshorner Modell zur Grundlage für ein bundesweites Kombi-Lohn-Modell zu machen, denn mit dem Elmshorner Modell wer- den Arbeitgeber animiert, neue Arbeitsplätze einzurichten. Die Lohnkostenzuschüsse werden genutzt, um Arbeitgeber dabei zu unterstützen, neue und sich auf Dauer im ersten Arbeitsmarkt etablierende Arbeitsplätze zu schaffen, und gleichzeitig werden die Arbeitssuchenden für diese Tätigkeiten qualifiziert. Dies und das neue Job-AQTIV- Gesetz, das für eine schnellere Vermittlung und eine bessere Qualifizierung und für ei- ne größere Flexibilität steht, wie auch die konsequente Fortsetzung von ASH 2000 mit der regional sehr unterschiedlichen Umsetzung in Beschäftigungsgesellschaften und Projekten, sind die richtigen Antworten, um mehr Arbeit zu schaffen und um schneller und besser Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Beide Anträge sollten wir im Sozialausschuss weiter beraten.

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