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04.03.02 , 15:26 Uhr
CDU

Bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft des Landes Schleswig-Holstein an Bundesminister a.D. Dr. Gerhard Stoltenberg erklärt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg:

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr.109/02 vom 04.März 2002
Achtung: Sperrfrist, 04.März 2002, 17.00 Uhr Es gilt das gesprochene Wort
Bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft des Landes Schleswig-Holstein an Bundesminister a.D. Dr. Gerhard Stoltenberg erklärt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig- Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg:


Sehr verehrte, liebe Frau Stoltenberg, liebe Familie Stoltenberg, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Herr Dr. Schäuble, meine Damen und Herren,
mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde zeichnet das Land Schleswig-Holstein heute einen großen Deutschen, einen überzeugten Schleswig-Holsteiner und eine vorbildhafte Persönlichkeit aus, die unser Land in Deutschland und in der Welt in herausragender Weise repräsentiert hat.

Dr. Gerhard Stoltenberg war der Botschafter unseres Landes in allen Teilen der Welt.

Es ist schade, dass er, der langjährige Ministerpräsident und Bundesminister, die Verleihung dieser hohen Auszeichnung nicht mehr persönlich erleben kann.
Ich weiß aber, Frau Ministerpräsidentin, auch aus persönlichen Gesprächen, dass Gerhard Stoltenberg sich über Ihre Entscheidung, die von allen Fraktionen des Landtages mitgetragen wird, sehr gefreut hat und dass er sich hoch geehrt fühlte.
Die Ehrenbürgerschaft unseres Landes für Gerhard Stoltenberg ist Anerkennung eines politischen Lebenswerkes, für das es unter den schleswig-holsteinischen Landeskindern keinen Vergleich gibt. Neben seinen unbestreitbar großen Leistungen als Ministerpräsident war der Schleswig-Holsteiner Gerhard Stoltenberg auch auf Bundesebene das Schleswig-Holsteinische Markenzeichen. Im Jahre 1957 wurde er jüngstes Mitglied im Deutschen Bundestag, trat schon 1965 als Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in das zweite Kabinett Ludwig Erhardt ein und blieb in dieser Funktion bis 1969. Danach festigte er seinen Ruf als bedeutender Finanzpolitiker. Auch als Ministerpräsident unseres Landes von 1971 bis 1982 verkörperte er als Sprecher die finanzpolitische Kompetenz der Christlich Demokratischen Union auf Bundesebene in den Jahren der sozial liberalen Koalition in Bonn.
Schleswig-Holsteins Stimme hatte Gewicht in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem, wenn es um Fragen der Finanzpolitik ging. Deshalb war Gerhard Stoltenberg auch der geborene Kandidat für das Amt des Bundesfinanzministers, als CDU und CSU 1982 wieder Regierungsverantwortung in Bonn übernahmen.
Er erwarb sich ab 1982 schnell den Ruf eines eisernen Sparkommissars, und das machte sich auch an vermeintlichen Äußerlichkeiten fest. So verzichtete der „große Klare aus dem Norden“ in seinem Ministerium in der Graurheindorfer Straße auf die ihm zweifellos zustehende neue Gestaltung der ministeriellen Diensträume und residierte weiter in Büromöbeln, die zum größten Teil noch aus den fünfziger Jahren stammten, der Zeit des legendären Finanzministers Fritz Schäffer.
Gerhard Stoltenberg selbst erzählte gerne, dass insbesondere seine Besucher aus dem Ausland von dem Ambiente seines Büros häufig überrascht waren, weil sie vom Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland mehr Repräsentation erwartet hatten. „Etwas Bescheidenheit tut uns gut“, pflegte dann der Finanzminister zu sagen und beschrieb dabei eine der von ihm selbst gelebten Tugenden.
Gerhard Stoltenberg war in seinem Amt in Kiel und auch in Bonn ein überzeugendes Beispiel preußischen Verantwortungsbewusstseins.
Pflichterfüllung und Bescheidenheit, Fleiß und uneigennütziger Einsatz waren hohe Maßstäbe, die er für sich und seine Umgebung setzte.
Gleichwohl empfang Gerhard Stoltenberg auch echte Freude an der Politik. Wenn es zum Beispiel gelang, in schwierigsten Verhandlungen auf der europäischen Ebene Erfolge für eine gemeinsame Währungspolitik zu erzielen, merkte man ihm die Freude darüber deutlich an. Dann konnte er auch in kleiner Runde aus seiner reichen Erfahrung Anekdoten preisgeben. Aus dem angeblich so spröden Norddeutschen wurde dann ein höchst charmanter Erzähler.
In seiner Arbeit für Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa war Gerhard Stoltenberg stets streng an der Sache orientiert. Was er für vernünftig erkannt hatte, pflegte er mit hohem Engagement auch durchzusetzen. Populistische Effekthascherei war ihm geradezu zuwider. Gerhard Stoltenberg war nie ein Staatsschauspieler. Sein Handeln war stets zielorientiert und auf klare Sachpolitik angelegt. Er war ein echter Staatsmann im besten Sinne des Wortes.
Dabei war seine Politik tief verwurzelt in seinem Christ-Sein und in den Gründsätzen der Sozialen Marktwirtschaft. Letzteres zeigte sich besonders in der von ihm konzipierten und auch durchgesetzten Steuerreform der Jahre 1986 bis 1988, in der Sie, Frau Simonis, so manchen Disput mit Gerhard Stoltenberg ausfochten. Die Ergebnisse dieser zweistufigen Steuerreform sind jedoch unbestritten. Die Staatsquote ging in der Zeit von 1982 bis 1989 von fast 51 auf etwas über 45 Prozent zurück. Die Steuer- und Sozialabgabenquote fiel von 40,4 auf 38,5 Prozent. Ende 1989 gab es 1,6 Millionen Arbeitsplätze mehr als 1983. Die Neuverschuldung erreichte 1989 den niedrigsten Stand seit 1972. Dies ist die großartige Abschlussbilanz des Finanzministers Gerhard Stoltenberg, die bis heute unerreicht ist.
Was diese Steuerreform im Kern auszeichnet, ist die Umsetzung der Lehren der Sozialen Marktwirtschaft, die in den Folgejahren leider etwas aus dem Blickfeld geriet. Für Gerhard Stoltenberg war ein unverrückbarer Grundsatz seiner Politik, dass eine gute Wirtschafts- und Finanzpolitik auch die beste Sozialpolitik ist. Und die Tatsache, dass das Geld für Sozialleistungen erst dann ausgegeben werden kann, wenn es eingenommen worden ist, war für ihn so etwas wie ein Dogma.
Die Zeiten als Ministerpräsident in seinem Schleswig-Holstein und als Finanzminister in Bonn, aber auch auf der politischen Weltbühne haben zweifellos das weltweit hohe Ansehen von Gerhard Stoltenberg vorwiegend geprägt. Darüber darf aber seine Leistung und sein Erfolg als Bundesminister der Verteidigung nicht vergessen werden. Ihm oblag es - nach der Wiedergewinnung der Deutschen Einheit - zwei Armeen zusammen zu führen, die sich bis dahin feindlich gegenüber standen.
In seinen vom Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag veröffentlichten Erinnerungen schildert Gerhard Stoltenberg das erste feierliche, öffentliche Gelöbnis von jungen Wehrpflichtigen, die noch von der Nationalen Volksarmee einberufen worden waren, am 19.Oktober 1990 im thüringischen Bad Salzungen so: „Diese öffentliche Verpflichtung war in der ehemaligen DDR völlig unbekannt. Sie wurde dann vor mehreren tausend Gästen zu einem bewegenden Ereignis.“ Auch in diesem Satz, wird über sein Pflichtbewusstsein hinaus die menschliche Anteilnahme und feine Sensibilität von Gerhard Stoltenberg deutlich.
Die Vereinigung der beiden deutschen Armeen, die in einer vielbeachteten Reportage des „Time-Magazine“ als am besten gelungener Weg zur inneren Einheit Deutschlands bezeichnet wurde, haben wir Gerhard Stoltenberg zu verdanken. Sie fiel zusammen mit der Verpflichtung Deutschlands, die Bundeswehr auf 370 000 Soldatinnen und Soldaten zu reduzieren. Dies bedeutete notwendiger Weise auch eine Schließung von Standorten. Davon war natürlich auch Schleswig-Holstein betroffen.
Gerhard Stoltenberg setzte jedoch in dieser ersten großen Bundeswehrstrukturreform für Schleswig-Holstein das Primat der Politik in den Planungsstäben des Verteidigungsministeriums durch. Als ehemaliger Ministerpräsident wusste er genau um die strukturpolitische Bedeutung von Bundeswehreinrichtungen in unserem Land. Und deshalb wendete er das Schlimmste von Schleswig-Holstein ab und erhielt unser Land als bedeutenden Bundeswehrstandort.
Dies ist nur ein Beispiel, das deutlich macht, wie sehr Gerhard Stoltenberg auch in anderen Ämtern mit seinem Land Schleswig-Holstein verbunden war. Er hat auch als Finanz- und Verteidigungsminister immer die Bindung zu Schleswig-Holstein als emotionale Verpflichtung empfunden und das Wohl des Landes nie aus den Augen verloren.
Als Landesvorsitzenden und später als bedeutendem Ehrenvorsitzenden der CDU lag ihm das Schicksal der wesentlich von ihm geprägten Partei immer am Herzen.
Ich selbst habe mit ihm bei seinen Besuchen im Landeshaus – vor allem während des letzten Landtagswahlkampfes - manche Gespräche über Entwicklungen in unserem Land und im Bund geführt. Es wird Sie alle nicht überraschen, dass er vieles mit großer Sorge sah, und bedachtsam Ratschläge gab, ohne Entscheidungen in seinem Sinne jemals einzufordern.
Die Ehrenbürgerschaft unseres Landes für Gerhard Stoltenberg ist hochverdient.

Ich bin sicher, dass er, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, diese Ehrung selbst entgegen zu nehmen, uns über alle persönliche Freude hinaus, einige wegweisende Gedanken mitgegeben hätte, die uns alle zum Nachdenken bringen müssten: Die Rückbesinnung auf die Werte der Sozialen Marktwirtschaft, die Senkung der Staatsquote und die Senkung der Staatsverschuldung waren seine Themen und sie sind heute in Schleswig-Holstein und in Berlin aktueller denn je. In seinem Buch „Wendepunkte“, das über Memoiren eines verdienstvollen Politikers weit hinaus geht, beschreibt Gerhard Stoltenberg Stationen deutscher Politik von 1947 bis 1990. Wie seine politischen Erklärungen so durchzieht auch dieses Buch ein roter Faden. Seine erste Regierungserklärung als Ministerpräsident am 26. Mai 1971 und seine letzte Rede im Deutschen Bundestag am 16. Juni 1998 sind geprägt von der Sorge um die Staatsfinanzen und die Wirtschaftspolitik. Im Bundestag erklärte er: “Zu den elementaren Grundsätzen und auch zur Handlungspraxis einer an der Sozialen Marktwirtschaft orientierten Politik hat es immer gehört, gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht, für wirklichen Wettbewerb, für ein offenes Handelssystem und für den Schutz privater Rechte einzutreten.“

Dies ist das verpflichtende Vermächtnis das Gerhard Stoltenberg uns Politikern hinterlassen hat.
Wir denken in Dankbarkeit an ein großes Vorbild.

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