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Birgit Herdejürgen zu TOP 28 - Nicht Repression, sondern Erziehung soll im Vordergrund stehen
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 20.03.2002 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 28 - Bekämpfung der Kinder- und JugendkriminalitätBirgit Herdejürgen: Nicht Repression, sondern Erziehung soll im Vordergrund stehenEins gleich vorweg: wir werden den vorliegenden Antrag nicht ablehnen (wobei ich zugeben muss, dass ich geneigt war, so zu verfahren). Wir werden nicht ablehnen, weil das Thema selbst natürlich dringend diskutiert werden muss. Wir beantragen da- her Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend Sozial- und Bil- dungsausschuss. Der vorliegende Antrag hebt zwar eingangs hervor, dass präventive Maßnahmen eine besondere Bedeutung bei der Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität haben. Und tatsächlich sind auch einige Punkte genannt, ohne jedoch den Anspruch zu erfül- len, besonders neu zu sein. Die enthaltenen Forderungen haben aber einen deutlich repressiven Schwerpunkt. • Ausweisung ausländischer, noch nicht strafmündiger Kinder und deren Eltern • Verhängung weiterer Ordnungsmittel in Schulen • Verschärfung im Umgang mit Heranwachsenden • Einführung eines Einstiegsarrestes • Geschlossene Heimunterbringung, wohlgemerkt außerhalb von Strafverfahren im Rahmen der Jugendhilfe Die SPD-Fraktion siedelt das Thema eindeutig im Bereich der Jugendpolitik an. Die Schwerpunktsetzung der CDU ist hingegen entlarvend und zeigt sehr deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Ursachen nur am Rande gewollt ist und der Strafe Vor- rang vor der Erziehung eingeräumt wird. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-der jugendpolitische Sprecher, dem ich dann ja doch etwas mehr Kompetenz in derar- tigen Fragen zugestehen möchte, nicht Mitunterzeichner des Antrages ist.Und wenn wir uns dann über Wertewandel, Werteverlust und über Wertever-mittlung unterhalten, kann ich nur sagen: Die Grundhaltung die in Äußerungen und Veröffentli- chungen der CDU zum Ausdruck kommt, zählt nicht zu den Werten, die ich Jugendli- chen vermitteln möchte. Da ist die Rede von einer Strategie der Null-Toleranz. Da kann man Zitate lesen wie: „Wo Unordnung und Unrat geduldet wird, wächst der Nährboden für Kriminalität.“ Und: „Natürlich muss man jugendlichen Straftätern erst einmal ordentlich was auf die Finger geben.“ Herr Wadephul, offenbar geht es Ihnen nicht um die Bekämpfung von Jugendkriminalität, sondern um die Bekämpfung von Jugendlichen! Ich würde mir wünschen – und das erhoffe ich mir dann auch von den Ausschussbera- tungen – dass Sie sich doch einmal mit der Materie auseinandersetzen. Und vielleicht hätten Sie ja auch mal jemanden gefragt, der was davon versteht. In diesem Zusammenhang ein Zitat vom Deutschen Jugendgerichtstag 2001: „Populistische Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts und der Ruf nach härteren Urteilen entsprechen zwar vielfach Alltagstheorien; sie stehen aber in Widerspruch zu sämtlichen wissenschaftlichen Befunden und praktischen Erfahrungen. Sie sind kontraproduktiv und werden Probleme ledig- lich verschärfen. Nicht ein Mehr an Repression, sondern ein Mehr an Prävention ist erforderlich!“ Ein sehr deutliches Wort der Fachleute. Und: Die Schwierigkeiten junger Menschen werden erst deutlich, wenn die Blickrichtung gewechselt wird und Jugend aus der Sicht der Jugendlichen betrachtet wird. Ein vielleicht etwas unbequemer, aber notwendiger Weg. Im Umgang mit straffälligen Jugendlichen steht der Erziehungsgedanke im Vorder- grund. Strafen sind auch im bestehenden Recht vorgesehen. Werden diese jedoch in erster Linie repressiv eingesetzt – und ich erinnere noch einmal an Ihre Äußerungen, die ich eingangs zitiert habe – ist keine nachhaltige Erziehungswirkung zu erreichen. Die Strafe hat dann bestenfalls oberflächliche, konformistische Anpassungsbereit- -3-schaft zur Folge. Dies kann nicht jugendpolitisches Ziel sein. Auch ist die durch den Einsatz der Strafe gewollte Abschreckungswirkung längst nicht so hoch, wie viele an- zunehmen geneigt sind.Von daher geht der Antrag der CDU in weiten Teilen in eine falsche Richtung. Erfolg- reiche Bekämpfung von Jugendkriminalität muss bei den Ursachen ansetzen. Wenn wir allerdings zu den sozialen Konflikten vorstoßen wollen, die hinter Kriminalitätsphä- nomenen stehen, helfen uns oberflächliche Behauptungen selbsternannter Experten nicht weiter. Der vorliegende Antrag stellt vermeintliche Ursachen für Jugendkriminali- tät als Tatsachen in den Raum. Dem werden wir nicht folgen.Wir sind gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. Wir sind gegen eine weitge- hende Herausnahme der Heranwachsenden aus dem Geltungsbereich des Jugendge- richtsgesetztes. Nur noch ein verschwindend geringer Prozentsatz der jungen Erwach- senen ist bereits bei Eintritt der Volljährigkeit berufstätig. Fast alle Heranwachsenden befinden sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung, weshalb die Jugendzeit fak- tisch erst im 3. Lebensjahrzehnt zu Ende geht.Eine Grundlage für die Forderung der CDU ist unserer Meinung nach nicht gegeben. Wir wollen das Thema sachlich und ausführlich behandeln. Es eignet sich, wie gesagt, nicht für parteipolitische Polemik. Unsere Jugendlichen sollten uns mehr wert sein.