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Klaus-Peter Puls zu TOP 2 und 55: Die kommunale Selbstverwaltung wird gestärkt
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 19.06.2002 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 2 + 55- Änderung des kommunalen Verfassungsrechts und Entschließung zur Reform der Ge- meinde- und KreiswahlrechtsKlaus-Peter Puls:Die kommunale Selbstverwaltung wird gestärktDie Reform der Kommunalverfassung setzt sozialdemokratische Tradition fort. Seit ih- ren Anfängen arbeitet die deutsche Sozialdemokratie an einer umfassenden Demokra- tisierung unserer Gesellschaft: Von der Erkämpfung des allgemeinen gleichen und di- rekten – zunächst geschlechtsspezifischen – Wahlrechtes über die Einrichtung des Wahlrechtes für Frauen bis hin zu der Forderung der Volksbegehren und –initiativen sowie Volksentscheide. Seit 1988 ist die Ausweitung von Mitwirkungs- und Mitbestim- mungsrechten der Bürgerinnen und Bürger eines der Kernprojekte sozialdemokrati- scher Politik in Schleswig-Holstein.Auch im kommunalen Bereich: Die Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerent- scheiden, die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen, die Möglichkeit von Einwohner- versammlungen und Einwohneranträgen, neue Beteiligungsrechte für Kinder und Ju- gendliche sowie die Einführung des kommunalen Wahlrechtes für EU-Ausländer und die Herabsetzung des kommunalen Wahlalters auf 16 Jahre verschaffen den Bürge- rinnen und Bürgern in unserem Land größeren Einfluss auf die Gestaltung von Politik in Gemeinden, Städten und Kreisen. Die Reform des kommunalen Verfassungsrechts im Jahre 1995/96 war ein weiterer Schritt in die Richtung: „Mehr direkte Demokratie, mehr Partizipation, mehr Bürgerbeteiligung.“Die Erfahrungen seit Inkrafttreten der letzten Reform haben gezeigt, dass die Aufga- Schleswig- benverteilung zwischen Haupt- und Ehrenamt an verschiedenen Orten im Lande zu HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Problemen in der Zusammenarbeit geführt hat. Dies galt insbesondere dort, wo das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt nicht von gegenseitigem Vertrauen und Respekt getragen wurde, sondern Streit über Inhalt und Grenzen gesetzlicher Kompetenzzu- weisungen und die Reichweite von Kontrollbefugnissen die sachliche Arbeit zum Woh- le der Bürgerinnen und Bürger überlagerte oder – in Einzelfällen – sogar in den Hinter- grund treten ließ. Hier mussten wir handeln, um das Ehrenamt zu stärken. Dabei war und ist uns klar, dass keine gesetzliche Regelung, so vollkommen sie auch sein mag, den Willen zu Kooperation und einen vertrauens- und respektvollen Umgang der han- delnden Personen miteinander ersetzen kann. Gesetze können nur Grenzen ziehen und Konfliktregelungsinstrumente anbieten.Wir haben auch festgestellt, dass der Einfluss des Ehrenamtes durch Einführung des sogenannten (Aufgaben-) Trennungsprinzips in einigen Bereichen zurückgegangen ist. Dies gilt insbesondere dort, wo die Kontroll- und Steuerungskompetenzen der Man- datsträgerinnen und Mandatsträger unzureichend geregelt sind oder vom Hauptamt durch restriktive Interpretationen des Gesetzes unterlaufen werden können. Hier mussten zur Stärkung des Ehrenamtes wirksamere Informations- und Teilhaberechte geschaffen werden. Für den Fall der Verletzung dieser Rechte musste ein sicheres und transparentes Sanktionsverfahren im Gesetz verankert werden. An anderer Stelle mussten zur Herstellung einer ausgewogenen Machtbalance auch die Mitgestaltungs- räume der ehrenamtlichen Verwaltung erweitert werden. Dabei blieb und bleibt es un- ser Ziel, die Einheit von Haupt- und Ehrenamt in der kommunalen Selbstverwaltung zu wahren. Denn: In der gesamten Diskussion zur neuerlichen Reform der Kommunalver- fassung sind wir als SPD-Landtagsfraktion von drei tragenden Gerichtspunkten aus- gegangen: 1. Für die Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde kommt es darauf an, dass die kommunale Selbstverwaltung insgesamt effektiv ist und reibungslos funktioniert. Dafür, dass die Schulen ordentlich ausgestattet sind, dass genügend Kindergar- tenplätze geschaffen werden und dass alle verfügbaren kommunalen Dienstleis- tungen schnell und unbürokratisch erbracht werden, sind alle Amts- und Mandats- träger in den Rathäusern und Kreisverwaltungen gemeinsam verantwortlich: Der -3- „Laden“ insgesamt muss laufen! Das Produkt „öffentliche Dienstleistung“ muss stimmen!2. Voraussetzung für eine vernünftige arbeitsteilige Organisation der Kommunalver- waltung nach betriebswirtschaftlichen und organisationswissenschaftlichen Ge- sichtspunkten zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger ist eine eindeutige Zuord- nung und klare Aufteilung der Verantwortungsbereiche zwischen ehrenamtlichen Kommunalvertretungen und hauptamtlichen Verwaltungsleitungen. Das Ehrenamt entscheidet – das Hauptamt setzt um. Dabei muss es bleiben. Reformbedürftig war vor allem der Bereich der Vollzugskontrolle. Hier wollen wir das Ehrenamt stärken durch verbesserte Kontrollinstrumente, verstärkte Berichtspflichten und Sanktions- möglichkeiten.3. Ob Bürgermeister und Landräte direkt gewählt werden, hat auf die sachgerechte Kompetenzverteilung innerhalb der Verwaltung überhaupt keinen Einfluss, obwohl das immer wieder behauptet wird. Direktwahlen stärken allerdings unmittelbar die kommunale Mitbestimmung und Mitverantwortung der Bürgerinnen und Bürger und sorgen für eine gleichmäßige demokratische Legimitation beider Verwaltungsorga- ne. Die SPD-Fraktion hat sich deshalb in den bisherigen parlamentarischen Bera- tungen für die Beibehaltung der vorhandenen Direktwahlmöglichkeiten ausgespro- chen - und sie tut dies auch heute uneingeschränkt.Die wesentlichen Ergebnisse der Beratungen des Sonderausschusses lauten: 1. Die Direktwahlen für hauptamtliche Bürgermeister und Landrä- te werden beibehalten. 2. Die Rechte der Gemeindevertretungen und Kreistage werden gestärkt. 3. Die vorhandenen Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten werden stabilisiert. -4-Lassen Sie mich dazu einige ergänzende Anmerkungen machen. 1. Zu den Direktwahlen: Wir sprechen uns für die Beibehaltung der Direktwahlen für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte aus. Die Einführung der Direktwahl auch für ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, in einigen Fraktionen disku- tiert, wird von uns abgelehnt und zwar insbesondere mit der Argumentation des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages, der für die ehrenamtlich verwalteten Ge- meinden zuständig ist: Ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben keine im eigentlichen Sinne verwaltungsleitende Funktion.Wir haben in den Beratungen auch die Zusammenlegung von Bürgermeister- und Landratsdirektwahlen mit den allgemeinen Kommunalwahlen vorgeschlagen, konnten uns damit aber gegen die geschlossene „Ablehnungsfront“ der Kommunalen Landes- verbände und aller anderen Fraktionen des Landtages nicht durchsetzen: Leider ha- ben wir zur Zeit hier im Landtag - wenn auch nur vorübergehend - nicht die absolute Mehrheit.2. Erklärtes Ziel der anstehenden Kommunalverfassung war für alle Fraktionen und Gruppen des Landtages die Stärkung des ehrenamtlichen Teils der kommunalen Selbstverwaltung. Sie wird realisiert und zwar - einerseits durch stärkere (Mit-)Entscheidungskompetenzen des Ehrenamtes in den Bereichen Leitungspersonal, Verwaltungsgliederung und Sachgebietszu- weisung und - andererseits durch stärkere Kontrollkompetenzen der Vertretungen gegenüber dem Hauptamt, z.B. verbesserte Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte für Vertretungs-, Ausschuss- und Beiratsmitglieder, z.B. verschärfte Berichtspflich- ten des Bürgermeisters / der Bürgermeisterin, des Landrats/ der Landrätin, z.B. die gesetzliche Festlegung kommunal-aufsichts- und disziplinarrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten der Vertretungen, wenn Beschlüsse durch das Haupt- amt nicht oder unzureichend umgesetzt oder Berichtspflichten nicht erfüllt wer- den. -5- 3. Zur Bürgerbeteiligung: Wir haben das Verfahren des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids bürgerfreundlicher gestaltet, ohne die Entscheidungsprozes- se der Vertretungen zu überfordern und die Effizienz der Entscheidungsfindung zu gefährden oder unzumutbar zu verzögern. Wir haben die Verpflichtungen zur öffentlichen Einwohnerunterrichtung und zur regel- mäßigen Einberufung von Einwohnerversammlungen konkretisiert. Wir haben die Pflicht zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei der Planung und Durchführung kinder- und jugendrelevanter Vorhaben gesetzlich festgeschrieben und dies auch für die Durchführung von Einwohnerfragestunden und die Teilnahme-, Rede- und Antragsrechte der Beiräte bzw. Beiratsvorsitzenden gegenüber den Vertre- tungen und Ausschüssen getan.Wir haben darüber hinaus - 4. - die Stellung der kommunalen Gleichstellungsbeauf- tragten gestärkt, und wir haben 5. im Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts Möglich- keiten kommunaler wirtschaftlicher Betätigung auch außerhalb der Gemeinde- und Kreisgrenzen geschaffen: In diesen beiden Punkten befinden wir uns im Widerspruch zur CDU-Fraktion, bekennen uns aber ausdrücklich und überzeugt auch heute zur ge- setzlichen Absicherung sowohl der Gleichstellung von Männern und Frauen als auch der wirtschaftlichen Betätigung in unseren und durch unseren Kommunalverwaltungen.Wir haben 6. – auf diesen Punkt möchte ich abschließend hinweisen – die lästige ge- setzliche Pflicht der Gemeinden zur Aufstellung von Kreisentwicklungsplänen abge- schafft, dies wiederum fraktionsübergreifend, und wir werden im Zuge weiterer Bera- tungen eine Stärkung der Kreise und Gemeinden im Verfahren der Landesplanung, aber nicht nur dort, anstreben, damit in absehbarer Zeit auch unsere Langzeit- Programmpunkte „Funktionalreform“ und „Verwaltungsderegulierung“ mit Inhalt gefüllt werden.Das vom Sonderausschuss vorgelegte Beratungs- und Verhandlungsergebnis ist ein ausgewogenes, sach- und interessengerechtes Antragspaket zur Stärkung der kom- munalen Selbstverwaltung. Mit den Reformvorschlägen der Koalitionsfraktionen wird -6-die Möglichkeit eröffnet, die Kommunalverwaltung in Schleswig-Holstein noch leis- tungsstärker und bürgerfreundlicher zu organisieren. Das war unser Ziel. Dieses Ziel ist erreicht.Den Entschließungsantrag der FDP-Landtagsfraktion zum Kommunalrecht lehnen wir ab. Der Antrag ist ehrlich, soweit er sich ausdrücklich auf die Abschaffung der 5 %- Hürde bezieht. Die FDP dokumentiert damit, dass für sie die 5 % eine „Hürde“ sind und dass sie bei ihrem „Projekt 18“ möglicherweise ein Komma vergessen hat.Angesichts der aufgeregten Diskussionen der vergangenen Wochen muss man sich ja in der Tat als besorgter Beobachter die Frage stellen: Wofür steht eigentlich die FDP mit ihrer Firma? Entwickelt sie sich mit ihren Möllemanns und Kubickis zu einem „Freundeskreis desorientierter Politkasper“? Ich wünsche der FDP jedenfalls - auch zum Zwecke der Selbstfindung -, dass sie schon bei der Bundestagswahl eher in Richtung 1,8 als in Richtung 18 % marschiert. Und ich glaube im übrigen, dass eine selbsternannte Spaßpartei auf Dauer vom Volk ohnehin nicht ernst genommen werden kann.In rechtlicher Hinsicht verweise ich zum Entschließungsantrag der FDP auf meine Aus- führungen im Sonderausschuss (Umdruck 15/2249): Eine Abschaffung der Sperrklau- sel für Splittergruppen und Kleinstparteien würde die Bildung stabiler Mehrheiten und schneller, effektiver Entscheidungsprozesse in den Kommunalvertretungen nachhaltig gefährden. Deshalb ist und bleibt die 5 %-Klausel für die Funktionsfähigkeit der kom- munalen Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein weiterhin unerlässlich und unver- zichtbar; dies umso mehr, als mit der heute zu verabschiedenden Reform der Kommu- nalverfassung die Kompetenzen der Kommunalvertretungen substanziell nicht ge- schwächt, sondern noch erheblich gestärkt werden.Die Vertretungen sind und bleiben das zentrale kommunale Entscheidungsorgan. Hier ist auch wahlrechtlich Vorsorge für ungefährdetes, uneingeschränktes und reibungslo- ses Funktionieren im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu treffen. Kommunalverfas- -7-sungsrechtlich haben wir diese Vorsorge getroffen. Ich bitte Sie, dem rot-grünen Re- formpaket zuzustimmen und den Entschließungsantrag der FDP zum kommunalen Wahlrecht abzulehnen.