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13.11.02 , 12:28 Uhr
B 90/Grüne

Detlef Matthiessen zur Stellung der Kirchen in der EU

= RESSEDIENST P Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP 15 – Stellung der Kirchen in der EU - Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Detlef Matthiessen: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Für eine aktivere Rolle Nr. 268.02 / 13.11.2002
der Kirchen!
Die Europäische Union bekommt eine Verfassung und die Zielrichtung der Arbeit des Konventes wird von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt. Damit wird der Prozess der Um- wandlung der Europäischen Gemeinschaft von einem reinen Wirtschaftsbündnis zu einer demokratischen, rechtsstaatlichen Zivilgesellschaft mit Grundrechten, Freiheiten und Pflichten für alle BürgerInnen weiter befördert - einer Gesellschaft mit europäischen Wer- ten.
Wir Grünen haben frühzeitig die Aufnahme der Grundrechte in solch eine europäische Grundordnung gefordert, wie es in dem vorliegenden interfraktionellen Antrag heute hier im Landtag Schleswig-Holstein ebenfalls verlangt wird - unter besonderer Bezugnahme auf die Stellung der Kirchen.
Die Erklärung zur Stellung der Kirchen im Amsterdamer Vertrag lautet: “Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise.“
Wenn es also zu einer Grundrechte-Charta der EU kommt, dann wird das Verhältnis der EU zu Religion und Kirchen in einer eigenen Formel zu definieren sein, die sich nicht ge- schickt mit Verweis auf die jeweilige nationale Gesetzeslage aus der Affäre ziehen kann.
Vorschläge für eine solche eigenständige Charta lauten z.B.: “Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit Anderen öffentlich oder privat durch Got- tesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen. Dieses spiegelt das Recht wieder, das durch Artikel 9 der Menschenrechtskonvention ga- rantiert ist. Die Beschränkung dieses Rechts darf nur im Rahmen rechtsstaatlicher Maß- nahmen erfolgen z.B. zum Schutz der öffentlichen Sicherheit.
Und damit sind wir bei den Problemen unseres Antrages angelangt. Wir sagen wenig zum Islam. Wenn in unserem Antrag von Kirchen die Rede ist, sind dann nur die etablier- ten, großen, christlichen Kirchen gemeint.
Zweifellos ist die EU eine christlich geprägte Wertegesellschaft. Stehen diese Werte als Ausgangsbasis einer Weiterentwicklung neben anderen Einflüssen oder bilden sie ein Dach über anderen Werten, die toleriert und geduldet werden, aber nicht prägende Wir- kung entfalten sollen bzw. dürfen?
Ist eine multikulturelle Gesellschaft der künftigen Europäischen Union auf der Unter- schiedsebene zwischen Gammel Dansk und Jägermeister zu finden oder auf den Ni- veaus von Lutheranern und tibetanischem Buddhismus? Wie weit öffnen wir uns und welche Rolle sollen die Kirchen einnehmen innerhalb einer künftigen europäischen Ver- fassungs- und Kompetenzordnung?
Wir haben nur gesagt: Dazu gehört die Trennung von Kirche und Staat. Soweit – so gut. Ich wünsche mir aber keine EU von ökonomistischer, neoliberaler, atheistischer Prägung. Diese Prägung menschlichen Denkens und Verhaltens erklärt Kirche und Religion als le- bensfremd, verstaubt und überkommen, als früheren Zeiten zu zu rechnen und fernab ökonomischer Gesetze.
Ich spreche mich für eine aktivere Rolle der Kirchen aus, als nur Objekt der Toleranz und Religionsfreiheit zu sein. Dafür gibt es zwei Gründe, die ich nennen will: Erstens prägt die christliche Religion das, was man unter Solidarität versteht. Wir sind im christlichen Den- ken weit mehr eingebunden, als uns klar ist.
Der zweite Grund ist pragmatisch. Die Kirchen sind wesentliche Träger von Wertediskus- sion, Werteentwicklung und –kritik in unserer Gesellschaft. Ohne diese Wertearbeit, wenn ich es mal so nennen darf, wäre die zukünftige Industriegesellschaft erweiterte Eu- ropäische Union ärmer bis zukunftslos. Die pragmatische Einschätzung ist die Frage, wer denn noch Träger einer Wertediskussion und Werteentwicklung ist? Da sieht es dünn aus in der Gesellschaft.
Kirchen und Religion sind unverzichtbar und haben nicht nur ihren Stellenwert, sondern brauchen ihre Stelle, ihren Platz in der Gesellschaft. Es ist eine Verankerung der Kirchen in der zukünftigen europäischen Gesellschaft vonnöten. Nicht selber Staat oder Teil da- von, sondern Partner des Staates als institutioneller Bestandteil der zukünftigen Zivilge- sellschaft.
Ich bin sehr gespannt, wie sich die Kirchen selber in die Konventdebatte einbringen. Ich hoffe, wir haben mit unserem gemeinsamen Antrag dazu positiv beigetragen.
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