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20.02.03 , 16:11 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Tariftreuegesetz

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 2 – Tariftreuegesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Telefax: 0431/988-1501 von Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172/541 83 53 Karl-Martin Hentschel: E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de

Nr. 041.03 / 20.02.2003


Lohndumping nützt nicht der Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Bauwirtschaft befindet sich in einer dramatischen Lage. Lohndumping auf den Bau- stellen ist Gang und gebe. Und das Land und die Kommunen leisten mit ihren Aus- schreibungen dem auch noch regelmäßig Vorschub.
Wenn wir zulassen, dass Firmen die Zuschläge für öffentliche Bauten erhalten, die mit Leiharbeitern arbeiten für Löhne, von denen keine Familie mehr leben kann, dann meine Damen und Herren, haben schleswig-holsteinische Unternehmen, die die mit der Ge- werkschaft vereinbarten Tariflöhne zahlen, keine Chance.
So kann es nicht weitergehen! Wir können doch nicht sonntags gegen Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit Reden halten, und am Werktag lassen wir auf unseren Baustellen Firmen arbeiten, die über Subunternehmen genau dies betreiben, weil wir Aufträge ver- geben haben, die anderes gar nicht erfüllt werden können.
Etwas ähnliches gilt, wie wir im Ausschuss gehört haben, für die Abfallwirtschaft. Wenn wir weiter so machen, wie bisher, ohne Mindestlohnstandards in die Ausschreibungen mit aufzunehmen, dann kommen wir in unerträglichen Situationen.
Dann bekommen Firmen, die nach Tarif zahlen, keinen einzigen Auftrag mehr. Sie müs- sen ihre ArbeiterInnen entlassen und schicken statt dessen Kolonnen aus Osteuropa hier auf Tour, die jeweils für sechs Wochen her kommen und dann durch eine neue Kolonne ersetzt werden. Einen solchen Zustand werden wir als PolitikerInnen vor Ort niemanden erklären können. Meine Damen und Herren, deshalb fordert die Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein einmütig seit über zwei Jahren die Verabschiedung eines Tariftreuegesetzes. Und da wir ja hier eine sehr vergessliche Opposition haben, habe ich heute etwas Papier mitgebracht.
Ich zitiere aus dem Schreiben des Baugewerbeverbandes vom 13. Dezember 2001: „Sehr geehrter Herr Hentschel, wir möchten auf diesem Wege noch einmal eindringlich an die fast einmütige politische Entschlossenheit der Parteien im schleswig- holsteinischen Landtag anlässlich des Tag der Bauwirtschaft auf der „Nord-Bau 2001“ er- innern, mit uns zusammen das Projekt des Landesvergabegesetzes „noch in diesem Jahr“ zu verabschieden.“
Das war also vor fast zwei Jahren. Und da kommt doch tatsächlich die FDP vorige Wo- che in den Wirtschaftsausschuss und sagt, wir würden das Gesetz durchpeitschen.
Anfang letzten Jahres haben wir erneut die Verabschiedung des Gesetzes – und zwar diesmal im Jahr 2002 – zugesagt, falls der Bundestag nicht ein bundesweit einheitliches Gesetz verabschiedet. Und genau das hat der Bundestag dann im Mai getan. Nur – und das wissen sie sehr gut meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Parteifreunde haben die Verabschiedung im Bundesrat blockiert. Und die Federführung dabei hatte ausgerechnet Bayern.
Ja und da schauen wir doch mal in unseren Papierstapel, was haben wir denn hier? Die „Drucksache 14/3498 Bayrischer Landtag. Datum ist der 02. Februar 2000. Gesetzent- wurf der Staatsregierung über die Vergabe von Bauaufträgen im Freistaat Bayern.“
Meine Damen und Herren, in diesem Gesetz werden alle Landesbehörden, aber auch die Gemeinden, Gemeinde- verbände und sonstige der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen, sowie Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmen, die mehrheitlich in öf- fentlicher Hand sind, verpflichtet, Aufträge nur an Firmen zu vergeben, die eine „Tarif- treueerklärung“ unterschreiben.
Also Ihre Freunde aus Bayern haben selbst ein Tariftreuegesetz – verhindern aber im Bundesrat ein einheitliches Bundesgesetz. Und nun kommen sie von der Union jetzt her und sagen uns, wir sollten kein solches Gesetz in Schleswig-Holstein verabschieden, sondern auf die bundesweite Lösung warten. Finden sie das nicht auch irgendwie verlo- gen?
Meine Damen und Herren, Toll ist auch, was die FDP hier geboten hat. Obwohl wir versprochen hatten, das Gesetz noch im vorigen Jahr zu verabschieden, haben wir uns zusätzlich zwei Monate Zeit ge- lassen um alle Stellungnahmen gründlich zu bearbeiten. Und dann kommen sie – nach über zwei Jahren Diskussion über das Thema, mit einem Gutachten. Dieses Gutachten hätten sie seit zwei Jahren machen können – aber sie le- gen es genau einen Tag vor der Verabschiedung des Gesetzes im Ausschuss vor und sagen, wir dürften jetzt nicht entscheiden, weil wir ihr Gutachten nicht berücksichtigt hät- ten.
Trotzdem haben wir das Gutachten geprüft. Dieses Gutachten enthält viel Abwägungen und Konjunktiv-Sätze. Aber es enthält nichts Neues. Es enthält genau die Argumente, die schon seit Jahren diskutiert werden. Und jetzt schauen sie mal her, was ich hier habe. Dies hier ist ein Stapel Gesetze – das sind alles Vergabegesetze von der gleichen Art, wie wir sie heute hier verabschieden. Gesetze aus CDU-geführten Ländern, aus CSU-geführten Ländern und aus SPD- geführten Ländern – FDP-geführte Länder gibt es ja nicht.
Alle diese Gesetze sind in Kraft - zum Teil seit Jahren. Und da erzählen sie uns, wir wür- den hier verfassungswidrig handeln. Wenn das stimmen würde, dann hätten sie selbst die Möglichkeit gehabt im letzten Sommer im Bundesrat ein bundesweites Gesetz zu verabschieden und die Rechtszweifel zu beseitigen. Warum haben sie das nicht getan?
Meine Damen und Herren, es ist schon ein erstaunliches Ereignis, wenn die Spitze der schleswig-holsteinischen Bauwirtschaft in den Wirtschaftsausschuss des Landtages kommt, und darum bittet, der Staat möge bitte dafür sorgen, dass die Tarifverträge eingehalten werden.
Die Bauwirtschaft ist nicht gerade bekannt für sanfte Umgangsformen. Und so mancher Gewerkschaftsfunktionär kann ein Lied davon singen, mit welchen Methoden Gewerk- schaftsarbeit auf dem Bau schwer gemacht wurde. Aber jetzt kommen die Firmen und Gewerkschaften gemeinsam zu uns in den Landtag und bitten um Hilfe. Sie bitten uns gemeinsam darum, ein Gesetz zu verabschieden, damit die Löhne, die sie gemeinsam vereinbart habe, gelten. Damit die ArbeiterInnen in den Betrieben nicht arbeitslos werden und von den Löhnen, die sie auf dem Bau verdienen, ihre Familien ernähren können. Sie bitten uns darum, ein Gesetz zu verabschieden, das es in vielen anderen Bundesländern längst gibt.
Und was machen Sie? Für sie gibt es nur Ihre Ideologie! Ihnen sind Ihre Theorien vom freien Markt wichtiger als die Realität der Menschen im Land.
Herr Kubicki, warum wenden Sie denn diese Ideologie nicht bei den Berufsgruppen an, die so gerne FDP wählen? Warum fordern sie hier nicht, die festen Honorarsätze für RechtsanwältInnen auf zu heben. Oder bei ÄrztInnen, oder bei ArchitektInnen usw.. Wa- rum fordern sie nicht Aufhebung der Tarife im öffentlichen Dienst und Bezahlung der Be- amtInnen nach Lust und Laune der MinisterInnen? Ach – so liberal sind sie also nicht?
Aber sie stellen sich hier hin, und fordern, dass Bauarbeiter nicht nach Tarif bezahlt wer- den dürfen. Sie wagen es zu fordern, dass Firmen, die ihren ArbeiterInnen einen Tarif- lohn zahlen, keine Aufträge mehr bekommen dürfen?
Das – Herr Kubicki ist nicht nur menschenverachtende Ideologie – das was sie hier vor- führen - ist auch wirtschaftsfeindlich.

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