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02.04.03 , 10:50 Uhr
SSW

Nur die UNO darf über Krieg und Frieden entscheiden

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Kiel, den 2.04.2003 Anke Spoorendonk Es gilt das gesprochene Wort
„Es ist völlig indiskutabel, dass Nationen sich das Recht herausnehmen, als Weltpoli- zisten dort präventiv militärisch zu intervenieren, wo sie ihre politischen oder ökono- mischen Interessen bedroht sehen. Allein die Vereinten Nationen haben die moralische Legitimation, um über Krieg und Frieden zu entscheiden.“


TOP 19 Gegen den Krieg im Irak (Drs. 15/2571)

Was rechtfertigt eigentlich, was wir jetzt tagtäglich an Elend, Tod und Zerstörung in den Me-
dien sehen? Saddam Hussein ist fraglos ein Diktator, der die Iraker und ihre Menschenrechte
mit Füßen tritt. Unbestritten ist auch, dass er lange die Weltgemeinschaft vorgeführt hat. Das
verurteilen wir auf das schärfste, aber das allein ist kein Grund für einen Krieg. Es ist auch
nicht gerechtfertigt, den Irakkrieg als weiteres Kapitel der amerikanischen Fortsetzungsge-
schichte „War on Terror“ zu führen. Bisher konnten keine schlüssigen Belege für eine Ver-
bindung zwischen dem Irak und islamistischen Terrororganisationen erbracht werden. Und
die UN-Waffenkontrolleure haben auch keine Beweise für die Existenz von Massenvernich-
tungswaffen gefunden. Es gibt keine Belege dafür, dass die Amerikaner in den USA durch
den Irak bedroht sind. Keine Frage, der Diktator muss entwaffnet und sein Volk von ihm be-
freit werden. Die Argumentation und die „Beweise“ der USA und ihrer Verbündeten haben
uns aber nicht von der Notwendigkeit und dem Sinn eines Krieges überzeugen können. Es
geht hier um einen reinen Präventivkrieg, der bestenfalls von einer abstrakten Gefährdung der
Welt durch den Irak ausgeht. Vorbeugende Kriege entbehren aber jeglicher moralischer und
www.ssw-sh.de - info@ssw-sh.de rechtlicher Legitimation. Als politische Vertreter der dänischen Minderheit bedauern wir des-
halb sehr, dass eine knappe Mehrheit im dänischen Parlament dieses anders sieht und sich an
den Kriegshandlungen beteiligt.

Eigentlich ist es nicht einmal entscheidend, ob es darum geht, die irakische Bevölkerung von
ihrem Tyrannen zu befreien, oder ob es doch eher um die vorbeugende Vernichtung einer ter-
roristischen Gefahr oder um die Sicherung der Energieversorgung der größten Industrienation
geht: Es ist völlig indiskutabel, dass eine oder mehrere Nationen sich das Recht herausneh-
men, als „Weltpolizisten“ dort präventiv militärisch zu intervenieren, wo sie ihre politischen
oder ökonomischen Interessen bedroht sehen. Dieses Recht gebührt allein der UNO.

Der Krieg gegen den Irak ist ein Schlag ins Gesicht der Vereinten Nationen. Obwohl ent-
scheidende Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sehr deutlich gemacht haben, dass sie den
Krieg nicht wollen, führt George W. Bush den Feldzug durch - mit Berufung auf einen Be-
schluss des selben Sicherheitsrats. Es ist katastrophal, dass so die UNO zu Beginn des 21.
Jahrhunderts zu einer humanitären Hilfsorganisation herabgewürdigt wird. Allein die Verein-
ten Nationen haben die moralische Legitimation, um über Krieg und Frieden zu entscheiden.

Deshalb können die Menschen in aller Welt gar nicht laut genug sagen: Wir lehnen eine Welt-
ordnung ab, in der die Regierung der USA nach eigenem Gusto die Welt in Gut und Böse ein-
teilt, und sich das Recht nimmt, „böse“ Länder in die Steinzeit zurückzubomben. Und wir
sind zutiefst erschüttert, wenn der Präsident der USA sich dabei sogar noch auf eine „göttli-
che Mission“ beruft. Kreuzzügler haben schon in vergangenen Jahrhunderten Tod und Ver-
derben über die Menschen gebracht. Heute bedrohen Politiker mit einem solchen Sendungs-
bewusstsein und einem modernen Waffenarsenal den Frieden der gesamten Menschheit. Mit
ihren Drohungen gegen Syrien und den Iran machen die USA aber leider deutlich, dass der
Irak nicht das letzte Kapitel ist. Die Folge: radikalislamistische Führer – und jetzt auch Sad-
dam Hussein – finden Resonanz, wenn sie zum heiligen Krieg aufrufen. Niemand kann abse-


www.ssw-sh.de - info@ssw-sh.de hen, wohin uns ein Konflikt der Kulturen führen wird. Er bringt aber mit Sicherheit nichts
Gutes, und deshalb muss diese Streitaxt so schnell wie möglich wieder begraben werden.

Die Aussichten dafür stehen aber schlecht. Die Koalition hat den Irak angegriffen, ohne zu
erklären, wie sie die irakische Gesellschaft wieder aufbauen möchte. Die unerwartet geringe
Unterstützung für die Invasoren durch die irakische Zivilbevölkerung verdeutlicht, dass die
Iraker - jenseits des Hasses gegen den Despoten Saddam Hussein - auch eine große Skepsis
gegenüber den Zielen Amerikas hegen. Der Verbleib US-amerikanischer Streitkräfte im Irak
würde dem radikalen Islamismus großen Zulauf bescheren und den israelisch-palästinensi-
schen Konflikt anheizen. Deshalb können und dürfen nur die Vereinten Nationen die Verant-
wortung für die Friedenssicherung und einen stabilen politischen Wiederaufbau im Irak über-
nehmen.

Das hat Tony Blair immerhin noch erkannt. George W. Bush hat bisher aber keine Antwort
darauf gegeben, wie und durch wen der Irak mit seinen vielfältigen religiösen und ethnischen
Gruppierungen zu einem friedlichen Zusammenleben finden soll. Nach dem Krieg muss der
Irak eine demokratische Staatsform bekommen, die von der Bevölkerung bestimmt wird. Der
neue Staat muss allen im Irak ansässigen Volksgruppen und Minderheiten politische, soziale
und kulturelle Rechte garantieren. Dabei können nur die Vereinten Nationen die tragende Rol-
le spielen.

Bisher scheint die UNO aus Sicht der Amerikaner aber hauptsächlich die Rolle eines Welt-
Wohlfahrtsverbandes zu spielen. Es ist ein Hohn für die Weltorganisation, wenn die US-Re-
gierung jetzt die Vereinten Nationen auffordert, humanitäre Hilfe zu finanzieren. Erst umgeht
George W. Bush die UNO, um unbedingt seinen Krieg führen zu können, und nachher reicht
er die größten Quittungen bei Kofi Annan ein. Das geht nicht. Die USA und ihre Verbündeten
müssen die volle finanzielle Verantwortung dafür übernehmen, das wieder auf zu bauen, was
sie jetzt zerstören.


www.ssw-sh.de - info@ssw-sh.de Die Kriegskoalition hat mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen die UNO zu Boden geschlagen,
und wir müssen darum bangen, ob sie unbeschadet wieder auf die Beine kommt. Das gilt e-
benso für die NATO und die Europäische Union. Die EU steht jetzt da wie eine heillos zer-
strittene Wohngemeinschaft, die nur aus finanziellen Gründen nicht auseinander ziehen kann.
Wir brauchen aber ein starkes Europa, das der Bush-Regierung klarmacht: Wir wollen keine
Weltordnung, in der „Big Brother“ die Bedingungen von Krieg und Frieden diktiert. Gerade
im Scheitern einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik wird deutlich,
dass wir sie dringender brauchen denn je. Der Irak-Krieg hat bisher auf allen Ebenen nur Zer-
störung gebracht. Die europäischen Länder müssen sich jetzt schnell darauf verständigen, wie
ein stabiler Neuanfang aussehen muss - im Irak, in der UNO, in der NATO und in der EU.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag kann darauf leider nur begrenzten Einfluss nehmen. Ei-
nes können wir aber alle: denjenigen Schutz und Zuflucht geben, die vor Krieg, Zerstörung
und Verfolgung aus ihrer Heimat flüchten müssen. Hier kommt eine große Aufgabe auf uns
zu, und wir appellieren an die Schleswig-Holsteiner, ihre Empörung über den Krieg und ihr
Mitgefühl mit den Menschen im Irak auch durch Spenden und durch Gastfreundschaft auszu-
drücken. Es gibt jetzt sehr viele Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Die Landes-
regierung und der Landtag werden ihren Teil der Verantwortung dafür übernehmen.

Und nun ein Wort zu den beiden vorliegenden Anträgen: Wir hätten uns sehr gewünscht, dass
die beiden Anträge in einen zusammengeführt worden wären. Aber der Versuch ist leider ge-
scheitert. Da die Anträge nur alternativ abgestimmt werden können, werden die SSW-
Abgeordneten dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zustimmen. Das tun wir
zum einen, weil nur dieser die Aufforderung enthält, die Flüchtlinge aus dem Irak gut zu emp-
fangen. Das tun wir aber auch zum anderen, weil die FDP in ihrem Antrag behauptet, dass die
Uneinigkeit der Europäer eine Ursache für den Krieg ist. Unser Eindruck ist ein ganz anderer:
George W. Bush hat diesen Krieg um jeden Preis gewollt und hätte sich auch durch eine star-
ke europäische Stimme nicht davon abhalten lassen – egal, was sie gesagt hätte.

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