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04.04.03 , 15:57 Uhr
SPD

Klaus-Peter Puls zu TOP 18: Absolutes Folterverbot ist eindeutige Rechtslage

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 03.04.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 18 – Folterverbot bei polizeilichen Vernehmungen


Klaus-Peter Puls:

Absolutes Folterverbot ist eindeutige Rechtslage

Die SPD-Landtagsfraktion hat unter der Überschrift „Folterverbot bei polizeilichen Ver- nehmungen“ einen Antrag eingebracht, der wie folgt lautet: „Der Landtag fordert die strikte Einhaltung des verfassungsrechtlichen Folterverbots durch alle staatlichen Stellen. Der Landtag lehnt die Zulassung von Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung insbesondere für polizeiliche Vernehmungen ab. Die Landes- regierung wird gebeten, erforderlichenfalls auf eine bundesgesetzliche Klarstellung des Folterverbots für Amtspersonen hinzuwirken.“

Im Vorfeld unserer heutigen Landtagsdebatte hat es Irritationen gegeben, die ich sogleich ausräumen möchte: Nein, meine Damen und Herren, Anlass für unseren An- trag ist nicht irgendein Vorfall bei der Landespolizei in Schleswig-Holstein. Anlass ist der Entführungsfall des 11jährigen Jakob von Metzler in Frankfurt am Main. In einem öffentlich geführten juristischen Streit im Februar/März dieses Jahres ging es konkret um die Frage, ob die ermittelnde Polizei zur Rettung des entführten Frankfurter Jungen dem festgenommenen Tatverdächtigen mit Gewalt drohen durfte. Der stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner hatte in einem Aktenvermerk ge- schrieben, der mutmaßliche Mörder habe „durch Zufügung von Schmerzen vernom- men werden“ sollen, damit er endlich sagen möge, wo sich Jakob befand.

Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Ein Kampfsportexperte, der dem Beschuldigten Schmerzen zufügen sollte, um diesen zu einer Aussage über den Verbleib des 11jährigen Jungen zu zwingen, saß bereits im Flugzeug. Die Aktennotiz sah auch die Anwesenheit eines Arztes beim Verhör vor. Bei der Planung ist es dann geblieben.

Im Zuge der sich anschließenden öffentlichen Mediendiskussion hat dann z.B. der stellvertretende Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Holger Bernsee, den Gesetzgeber zur Konkretisierung des „rechtfertigenden Notstands“ aufgefordert. Es sei unter Juristen umstritten, ob sich Amtspersonen auf einen übergesetzlichen Notstand berufen können. Es könne aber nicht sein, dass Polizeibeamte hier ellenlan- gen juristischen Diskussionen ausgesetzt sind. Wenn es darum gehe, das Leben eines Kindes zu retten, so sinngemäß, dann müsse der vernehmende Polizeibeamte auch „handeln“ können, um notfalls eine Aussage unter Androhung oder Anwendung von Gewalt zu erzwingen.

Unglücklicherweise ist die öffentliche Diskussion seinerzeit ausgerechnet durch den Präsidenten eines schleswig-holsteinischen Landgerichts ausgelöst worden, der aller- dings nicht in dieser Eigenschaft, aber immerhin als Vorsitzender des Deutschen Rich- terbundes den Eindruck erweckte, für die vorgesehenen polizeilichen Vernehmungs- maßnahmen in Frankfurt Verständnis zu haben. Für ihn, sagte er dem „Berliner Ta- gesspiegel“, seien Fälle vorstellbar, in denen auch Folter oder ihre Androhung erlaubt sein können.

Ich habe damals in einer ersten harschen Reaktion öffentlich erklärt, dass es nach meiner rechtsstaatlichen Überzeugung von der Folterdrohung zur Lynchjustiz nur ein kleiner Schritt ist. Ich möchte heute ausdrücklich meinen Respekt bekunden: Der Vor- sitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, hat seine missverständli- chen Äußerungen seinerzeit sofort klar gestellt mit folgenden Kernsätzen, die ich wört- lich zitieren möchte: „Folter ist nach internationalen und nationalen Vorschriften zu Recht verboten. Wer sie anwendet, macht sich der Aussageerpressung schuldig, eines Verbrechens, das nach -3-



dem Strafgesetzbuch mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Durch Fol- ter erzwungene Aussagen sind im Strafverfahren nicht verwertbar. Es bedarf auch an- gesichts dieses tragischen Falles des getöteten Jakob von Metzler keines Sonder- rechts für die Polizei, das Ausnahmen von diesem Verbot zulässt. Das wäre ein völlig falsches Signal. Die bestehenden Gesetze reichen aus, Umstände des Einzelfalls an- gemessen zu berücksichtigen.“

Davon, meine Damen und Herren, können wir als SPD-Landtagsfraktion jeden Satz unterstreichen. Wir freuen uns, dass sich unser Innenminister Klaus Buß für die Lan- desregierung in der „Frankfurter Rundschau“ vom 28. Februar ebenso unmissver- ständlich und eindeutig geäußert hat. Ich zitiere: 1. „Das absolute Folterverbot ist unverzichtbarer Teil unseres Rechtsstaates.“ 2. „Die Rechtslage ist absolut klar. Die Anwendung von Folter ist nicht vorstellbar.“ Und 3. Sinngemäß: „Ich würde einen Polizisten, der einem Verdächtigen Schmerzen an- droht und dies öffentlich rechtfertigt, in aller Deutlichkeit auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Folterverbots hinweisen. Bei aller Schwierigkeit und Gewissensnot, in die man geraten kann, muss ein solcher Grundsatz Vorrang haben. Sonst wür- den wir eine wichtige Grundfeste unseres Staates in Frage stellen.“

Auch diese Aussagen unterstreichen wir von A bis Z. Ist damit aber der aktuelle Streit erledigt, meine Damen und Herren? Wir meinen NEIN: Frankfurts Vize-Polizeichef Wolfgang Daschner hat nämlich auch danach weiterhin die Androhung von Gewalt im Verhör öffentlich propagiert und verteidigt. Im „Focus“ vom 24.02.2003 wird er mit der Schlagzeile zitiert: „Ich würde es wieder so machen“. Und auf die Frage des „Focus“, ob er mit Sanktionen rechne, sagt der Vize-Polizeichef ei- ner deutschen Großstadt wörtlich: „Das kann ich mir nicht vorstellen. Mein Verhalten ist sowohl durch die polizeiliche Gefahrenabwehr als auch durch den akuten Notstand rechtlich abgedeckt.“ Und weiter: „Die Anwendung von Gewalt als letztes Mittel, um Menschenleben zu retten, müsste auch im Verhör erlaubt sein. Seit längerem fordern viele Kriminalbeamte eine entsprechende Gesetzesänderung.“ -4-



Das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Anlass für unseren Antrag: Wenn sogar Amtsträger in der Bundesrepublik, die polizeiliche Führungsverantwortung tra- gen, Zweifel an der eindeutigen Rechtslage des absoluten Folterverbots äußern, be- steht Anlass für eine deutliche Klarstellung dieser Rechtslage und für eine intensive Auseinandersetzung mit den Grundlagen unseres demokratischen Rechtsstaats auch hier im schleswig-holsteinischen Landesparlament. Wir sind nicht nur unmittelbar zu- ständig für unsere Landespolizei, sondern auch für die Mitwirkung an der Meinungs- und Willensbildung unserer Bürgerinnen und Bürger. Die Grundsätze des demokrati- schen Rechtsstaats bewähren sich nur, wenn sie auch tatsächlich von der Gesell- schaft mitgetragen und immer wieder neu bestätigt werden.

Für das völkerrechtlich und verfassungsrechtlich verankerte absolute Folterverbot soll- ten wir eine solche ausdrückliche Unterstreichung hier heute vornehmen. Ich bitte, un- serem Antrag in der Sache zuzustimmen.

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