Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

09.12.03 , 14:42 Uhr
Landtag

Arens: "Wohnprojekt verleiht Minderheitenpolitik für Roma und Sinti Substanz"

161/2003 Kiel, 9. Dezember 2003 Sperrfrist: 10. Dezember 2003, 19:30 Uhr Es gilt das gesprochene Wort!



Arens: „Wohnprojekt verleiht Minderheitenpolitik für Roma und Sinti Substanz“
Kiel (SHL) – In seiner Rede anlässlich der Benefizveranstaltung zugunsten des Wohnprojektes „Kleine Nachbarschaften im genossenschaftlichen Woh- nungsbau“ für Sinti und Roma in Kiel sagte Landtagspräsident Heinz-Werner Arens unter anderem:
„Unser minderheitenpolitisches Engagement ist davon geprägt, mit den Min- derheiten gemeinsam Politik zu machen. Dieser Grundsatz gilt auch für die nationale Minderheit der Sinti und Roma, und vieles wurde erreicht. Trotzdem gibt es noch viel zu tun: So ist gerade die Wohnsituation im Hinblick auf die kulturellen Gepflogenheiten der Sinti und Roma nicht befriedigend.
Das Wohnprojekt ‚Kleine Nachbarschaften im genossenschaftlichen Woh- nungsbau’, das Ihnen heute Abend vorgestellt wird, ist ein wegweisender Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation der Roma und Sinti im Wohn- bereich. Mit dem Projekt gewinnt das viel beschworene Wort der guten Nach- barschaft, welches gerade in der Minderheitenpolitik oft genannt wird, im wahrsten Sinn des Wortes an Substanz. Bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann die sozialwissenschaftliche Forschung, sich mit der Bedeutung des Begriffs ‚Nachbarschaft’ auseinanderzusetzen. Die Idee der Nachbarschaft übernahmen die Architekten in ihre städteplanerischen Konzepte und versuchten mittels umsichtiger Stadtplanung funktionierende Nachbarschaften zu gestalten. Was aber macht eine gute Nachbarschaft aus? Begrenzt sie sich auf möglichst konfliktfreie Lösungen für die Bewälti- gung gemeinsamer Aufgaben wie Rasenmähen oder Mülltrennung? Ich den- ke, eine solche Definition ist zu eng gefasst. 2


Unsere Gesellschaft beinhaltet viele Lebensstile und verschiedene Lebens- entwürfe. Gute Nachbarschaft ist geprägt von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Akzeptanz der Andersartigkeit. Sie geht einher mit der Bereit- schaft, sich auf den anderen einzulassen und die eigene Unsicherheit und Vorurteile durch Wissen zu ersetzen. Haben wir ausreichende Kenntnisse, um gute Nachbarn sein zu können?
Nicht viele von uns Schleswig-Holsteinern wissen, dass Indien das Land der Vorfahren aller Sinti und Roma ist. Dass sie in den Jahren zwischen 800 und 1200 unserer Zeitrechnung aus unbekannten Gründen ihre damalige Heimat verlassen haben. Dass schon Ende des 14. Jahrhunderts viele Chroniken ihre Ankunft in Europa verzeichneten. So werden sie zum Beispiel in Lübeck in einer Chronik aus dem Jahre 1417 erwähnt.
Wie viele von uns haben sich auseinandergesetzt mit der Vertreibung und Verfolgung der Sinti und Roma, die durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder viele Opfer forderte und ihren grausamen Höhepunkt in den Arbeits- und Konzentrationslagern der Nationalsozialisten fand? Ihre soziale und öko- nomische Existenz war zerstört, ihre Lage desolat. Entschädigungsleistungen wären nicht nur eine gerechte moralische Anerkennung gewesen, sondern hätten auch die Chance auf eine zukünftige Existenzsicherung dargestellt. Bis 1963 war die Tatsache der rassischen Verfolgung der Sinti und Roma juris- tisch nicht anerkannt, bis in die 80-er Jahre hinein wurden selbst die Anträge von Auschwitz-Häftlingen abgewiesen. Das Wissen um solche Tatsachen ist auch ein Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Sinti und Roma.
Vor dem geschichtlichen Hintergrund ist der hohe Stellenwert, den Traditio- nen und Werte, den Familie und die Gemeinschaft einnehmen, sehr verständ- lich. Im Rahmen des gegenseitigen Verständnisses und Akzeptanz der Kultu- ren lässt sich daraus auch folgern, welch große Bedeutung das Wohnprojekt, welches im Zentrum der heutigen Veranstaltung steht, für die Roma und Sinti, aber auch als Substanz unserer Minderheitenpolitik hat. Es verdeutlicht auch das Bestreben, den untrennbar mit der erlebten Vergangenheit verknüpften kulturellen Traditionen der Sinti und Roma Respekt zu zollen.
Ich wünsche mir, dass dieser Abend dazu beitragen kann, uns alle besser miteinander bekannt zu machen. Und ich hoffe, dass die dadurch entstehen- de größere Nähe zu noch mehr gegenseitigem Verständnis, Respekt und nicht zuletzt Unterstützung führt.
Unterstützung kann auf verschiedenste Art und Weise erfolgen: Ich freue mich, dass vier renommierte Künstler – Tobias Duwe, André Krigar, Peter Nagel und Jens Rusch – ihre Unterstützung für das Wohnprojekt dadurch bekunden, dass sie jeweils eines ihrer Werke zur Verfügung gestellt haben, dessen Erlös der Förderung des Wohnprojekts zugute kommt. Sie sehen, ein Anfang auf dem Weg ist gemacht. Lassen Sie uns weitere Schritte tun. Leben Sie gute Nachbarschaft und unterstützen Sie das Projekt.“

Download PDF

Pressefilter

Zurücksetzen