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10.12.03 , 10:37 Uhr
SPD

Ulrike Rodust zu TOP 22: Das Paket des Verfassungsentwurfs darf nicht wieder aufgeschnürt werden

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 10.12.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 22 – Stellung der Länder und Kommunen in der Europäischen Verfassung

Ulrike Rodust:

Das Paket des Verfassungsentwurfs darf nicht wieder aufgeschnürt werden
Wieder einmal befinden wir uns in einer hoch interessanten, weil geschichtsträchtig auch äußerst spannenden Woche in der Entwicklung Europas. Am Freitag wird die Regierungskonferenz in Brüssel darüber entscheiden, ob wir in Europa eine Verfas- sung erhalten. Wir Abgeordnete haben in den vergangen Monaten aufmerksam den Prozess beobachtet und diskutiert und waren stolz darauf, dass wir parteiübergreifend durch unsere Vertreter im Konvent unsere Wünsche, nämlich die Stellung der Länder und Kommunen zu stärken, in dem Verfassungsentwurf berücksichtigt fanden.

Die deutschen Länder, auch Schleswig-Holstein, haben sich vehement dafür einge- setzt, dass im Verfassungsentwurf die regionale und kommunale Selbstverwaltung, das von der Union zu beachtende Subsidiaritätsprinzip, der Dialog mit den Regierun- gen der Länder und den repräsentativen Verbänden der Kommunen aufgenommen wird. Ebenso haben wir uns dafür eingesetzt, dass der AdR als institutionelle Vertre- tung der europäischen Regionen und Kommunen in der EU durch das Klagerecht vor dem EUGH bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip in den Verfassungsentwurf aufgenommen wird.

Und nun, kurz vor dem Ziel, droht das Scheitern. Auch wenn wir in der Vergangenheit erfahren haben, dass die Probleme, die sich im Vorwege von Regierungskonferenzen auftürmten, fast immer in letzter Sekunde gelöst wurden oder zumindest ein tragbarer Schleswig- Kompromiss gefunden wurde, hat diese Debatte, die im Moment stattfindet, eine bis- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



her nicht da gewesene Schärfe erhalten. Die Chancen für eine Einigung auf dem EU- Gipfel stehen schlechter denn je. Deshalb halten wir es für erforderlich, heute für uns die letzte Chance zu nutzen, unserer Bundesregierung den Rücken zu stärken und sie aufzufordern, unsere regionalen und lokalen Interessen zu vertreten. Das heißt, es nicht zulassen, dass das Paket des Verfassungsentwurfs wieder aufgeschnürt wird. Denn sollte es dazu kommen, werden alle alten Forderungen aller Staaten wieder neu zu verhandeln sein. Die Mitglieder des Konvents haben mit großem Fingerspitzenge- fühl den größtmöglichen Konsens erarbeitet. Wird das Paket geöffnet, wird dieser Konsens wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen.

Wo sind nun die Probleme? Größter Knackpunkt ist die künftige Stimmengewichtung im Ministerrat und die Größe der EU-Kommission. Spanien und Polen lehnen den Konventsvorschlag ab, nach dem Mehrheitsentscheidungen künftig mit einer Mehrheit der Staaten, die aber gleichzeitig 60 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, getroffen werden sollen. Beide Länder wol- len an dem komplizierten Modus im Vertrag von Nizza festhalten, der sie im Vergleich zu Deutschland bevorzugt. Laut Nizza-Vertrag haben Polen und Spanien nur zwei Stimmen weniger als das doppelt so bevölkerungsstarke Deutschland. Sie wehren sich vehement gegen eine Umverteilung der Stimmgewichte im EU-Ministerrat zu Gunsten der großen Länder. Die Polen drohen sogar mit dem Motto „Nizza oder der Tod“.

Was mich besonders erstaunt, ist, dass nun, wo es zum Schwur kommen soll, einige Länder ein derartiges Theater veranstalten. Alle waren eingebunden, der Konvent war hochkarätig besetzt, die neuen Beitrittsländer konnten sich rechtzeitig äußern und wa- ren entsprechend beteiligt. Zugegeben, das Prinzip der doppelten Mehrheit im Verfas- sungsentwurf sichert, dass die großen Länder nicht überstimmt werden können. Aber sie vertreten eben auch viel mehr Menschen. Deshalb ist es folgerichtig, dass für Deutschland bei der Stimmengewichtung das Prinzip der doppelten Mehrheit nicht verhandelbar ist. -3-



Enttäuschend ist für uns auch, dass die geplante Verkleinerung der EU-Kommission am Widerstand der kleinen Staaten zu scheitern droht. Die kleinen Staaten wollen je- weils einen eigenen stimmberechtigten Kommissar. Das wären dann künftig 25 Kom- missare. Das bedeutet nicht mehr Effizienz, das bedeutet mehr Bürokratie. Wie das den Bürgern und Bürgerinnen erklärt werden soll, ist mir schleierhaft. Der Konvents- entwurf sieht nur 15 Kommissare in einem Rotationsprinzip vor. Das ist vernünftig, so bleibt die Kommission auch nach der Erweiterung handlungsfähig.

Verhandlungen haben natürlich nur einen Sinn, wenn es etwas zu verhandeln gibt. Die Luxemburger haben ja zu der Größe der Kommission einen interessanten Kompromiss vorgeschlagen. Dieser Punkt wäre für mich vorstellbar, doch mit der gebotenen Vor- sicht. Die Kommission ist ein tragender Pfeiler in unserem europäischen Haus. Sollte dieser Pfeiler aber zu schwer sein, weil durch die Größe ein zu starkes Gewicht auf ihm lastet, dann bricht er zusammen. Dann wäre Europa eine Ruine und somit zerbro- chen.

Unter den EU-Staaten gibt es zwar eine breite Mehrheit für den Konventsvorschlag. Doch der Ausgang der Regierungskonferenz bleibt weiter ungewiss, weil sie einstim- mig entscheiden muss. Sollte es jedoch gelingen, den Vertrag am Wochenende zu un- terschreiben, dann haben wir eine wichtige Hürde genommen, die dann allerdings, und das ist ja das nächste große Problem, in allen Mitgliedstaaten akzeptiert und nach de- ren verfassungsmäßigen Regeln ratifiziert werden muss. Das wird dann noch zwei Jahre dauern.

So gesehen, werden wir uns, sollte es zu einer von uns allen erhofften Einigung am Wochenende kommen, weiter mit diesem Thema beschäftigen.

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