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12.12.03 , 15:33 Uhr
SSW

EU-Vogelschutzgebiete auf Eiderstedt

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Kiel, d. 12.12.2003 Es gilt das gesprochene Wort

TOP 23 EU-Vogelschutzgebiete (Drs. 15/3085 und 15/3087) Lars Harms: Wir haben uns in der NATURA 2000-Diskussion bisher mit vergleichsweise konfliktfreien Vogel- schutzgebieten befasst und auch die Ausweisung von FFH-Gebieten war vergleichsweise wenig ein- schneidend. Die bisher ausgewiesenen Flächen waren eher kleinräumig und dadurch waren nur wenige Menschen betroffen. Meistens konnten mögliche Probleme gelöst werden. Dies hängt natürlich auch gerade mit der Kleinteiligkeit dieser bisherigen Flächen zusammen. Genaue Kenntnisse vor Ort und ein intensiver Kontakt mit den zuständigen Stellen im Umweltministerium konnten im Einzelfall durchaus dazu führen, dass bei entsprechender fachlicher Begründung die Probleme, die zu entstehen drohten, schon im Vorwege ausgeräumt werden konnten. In dieser Hinsicht, möchte ich ausdrücklich das Ministerium loben – meine Erfahrungen in diesem Zusammenhang waren bisher wirklich nur gute Erfahrungen.

Das Problem, das sich jetzt stellt, ist aber wesentlich schwieriger. Während man die Fauna und Flora dadurch schützen konnte, dass man ein bestimmtes fest abgegrenztes kleines Gebiet unter Schutz stellt, kann man Vogelschutzgebiete eben nicht so einfach ausweisen. Vögel halten sich nicht an Gren- zen und sie nehmen naturgemäß einen größeren Raum ein, weil sie nicht immer standortgebunden, sondern äußerst mobil sind. Damit kann man zu dem Schluss kommen, dass auch größere zusammen- hängende Flächen für den Vogelschutz notwendig sind. Und genau dann bekommen ganze Regionen, wie zum Beispiel Eiderstedt, erhebliche Probleme.

Nun würde man meinen, dass sich Fachverstand des Ministeriums und Fachverstand und Erfahrungs- schatz vor Ort dann zusammentun und sich die ganze Sache gemeinsam – sozusagen aus der Vogel- perspektive – ansehen, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Das wäre aber weit gefehlt, denn dieses Thema ist ein hochemotionales Thema – ähnlich wie seinerzeit die Nationalparkdiskussion. Zwar hat die Landesregierung den vor Ort stark betroffenen Eiderstedter Landwirten Gespräche ange-
Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de boten, aber diese wurden im Vorwege abgelehnt, weil man erst einmal genaue Daten zu den auszuwei- senden Flächen haben und den Umweltminister auf einer öffentlichen Versammlung auch ohne Vor- gespräche so richtig die Meinung sagen wollte. Ich habe durchaus Verständnis, wenn berechtigte Ängste, Wut und Sorgen auch einmal demonstrativ hinausgetragen werden müssen. Es ist auch in Ordnung, wenn dies einmal ein bisschen drastischer geschieht. Aber dies sollte erst dann geschehen, wenn keine Gesprächsbereitschaft mehr besteht oder Gespräche in der Sackgasse stecken. Und an diesem Punkt waren wir bisher noch nicht.

Man hat nun eine öffentliche Veranstaltung gemacht und man hat Luft abgelassen. Darüber hinaus fühlte man sich danach auf Eiderstedt auch noch bestätigt, weil der Umweltminister immer wieder wiederholt hat, dass nur naturschutzfachliche Belange bei der Ausweisung von Natura 2000-Gebieten eine Rolle spielen dürfen und man ganz Eiderstedt diesbezüglich überprüfe. Die rot-gelbe Bundesre- gierung hat 1979 das Abkommen über die Ausweisung von Vogelschutzgebieten unterschrieben und die schwarz-gelbe Regierung hat 1992 Vereinbarungen mit der EU zu FFH-Gebieten und dann zu deren Zusammenfassung als Natura 2000 abgeschlossen. Die Einzigen, die bei der Unterzeichnung dieser wichtigen umweltpolitischen Maßnahmen nicht beteiligt waren, waren die Grünen – jetzt dafür den grünen Umweltminister verantwortlich zu machen und als Bösewicht hinzustellen, entbehrt schon nicht einer gewissen Komik. Trotzdem war das Auftreten unseres Umweltministers auf der Versamm- lung in Garding sicherlich auch keine taktische Meisterleistung. Wer fordert, die Wasserstände auf Eiderstedt anzuheben und suggeriert, ohne vorliegende fachliche Begründung ganz Eiderstedt unter Schutz stellen zu wollen und dann noch sagt, Vertragsnaturschutz mit den einzelnen Betroffenen gibt es nur, wenn alle zustimmen, begegnet mit Recht erbitterten Widerstand.

Die EU-Kommision hat die Bundesrepublik aufgefordert, weitere Vogelschutzgebiete auszuweisen und weist im Vertragsverletzungsverfahren explizit darauf hin, dass gerade Eiderstedt eines der Gebie- te ist, in denen die geforderten „am besten geeigneten Maßnahmen“ durchgeführt werden können. Insbesondere die Trauerseeschwalbe, die Uferschnepfe und der Kiebitz sollen geschützt werden. Was bleibt einem bei einer so konkreten Aufforderung zur Einhaltung eines geschlossenen Vertrages schon über, als die Sachlage ordentlich abzuprüfen? Tun wir das nicht und versuchen das Problem auszusit- zen, dann drohen Strafen von bis zu 750.000 Euro am Tag. – Das ist auch eine Tatsache, der wir ins Auge sehen müssen.

Was ist nun bisher geschehen und was sollte auf jeden Fall geschehen? In der letzten Landtagssitzung hat der Schleswig-Holsteinische Landtag mit Mehrheit von rot-grün und SSW beschlossen, die Lan- desregierung aufzufordern, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Vertragsnaturschutz als rechtlicher Schutzstatus anerkannt wird. Bisher gilt dies schon für FFH-Gebiete, aber die Vogelschutz-

Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de richtlinie sieht dies bisher nicht vor. Der Vertragsnaturschutz soll die Betroffenen davor schützen, dass aus ihren Flächen nach ein paar Jahren automatisch ein Naturschutzgebiet oder ähnliches wird, was zu erheblichen Einschränkungen in der Nutzung führen kann. Aufgrund dieses Beschlusses des Landta- ges setzt sich die Landesregierung nun zum Beispiel gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg für eine solche Lösung ein.

Diese Lösung im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bekommen wir nur, wenn wir einig sind und dies als Forderung der Region aufgestellt wird. Und wir haben nur dann eine Chance auf Vertragsnatur- schutz, wenn dieser längerfristig verankert wird. Frankreich hat es mit kürzeren Laufzeiten vor der EU-Kommission versucht und ist kläglich gescheitert. Ich zitiere hierzu aus dem Schreiben der EU- Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, in dem steht, dass trotz grundsätzlicher Bedenken gegenüber dem Vertragsnaturschutz dieser möglich sein soll. Dort steht also einerseits: „Es bedürfte jeweils der Darlegung im Einzelfall, wie dieser gleichwer- tige Schutz den Anforderungen an den individuellen rechtlichen Schutzstatus gerecht wird.“ und ande- rerseits: „Vertragliche Vereinbarungen müssten darüber hinaus auch den dauerhaften Schutz von be- sonderen Schutzgebieten gewährleisten. Kurzfristige, etwa jährliche Vereinbarungen allein können dies nicht.“ Wir müssen also längerfristige Regelungen anstreben und diese gemeinsam gut begrün- den.

Wenn man aber von Seiten der Landesregierung will, dass der Vertragsnaturschutz auch vor Ort ak- zeptiert und praktiziert wird, muss dieses auf Freiwilligkeit beruhen. Die Forderung des Umweltminis- ters, dass entweder alle einzelnen Betroffenen einer solchen Lösung zustimmen oder sonst kein Ver- tragsnaturschutz kommen wird, ist deshalb contraproduktiv – um das noch einmal ganz klar zu sagen. Um aber aus der derzeitigen Misere herauszukommen, bedarf es auch keines wahltaktischen Ver- schiebens des Problems um ein Jahr, wie es die CDU fordert. Politisch ist es ja verständlich, dass man sich ein so heißes Thema für den Wahlkampf warm halten will. Aber die Menschen auf Eiderstedt haben jetzt ein Problem, das gelöst werden muss, und das dürfen wir nicht wahltaktischen Erwägun- gen unterordnen.

Aus Sicht des SSW sollten wir daher folgt vorgehen: Zu erst einmal müssen die Beteiligten wieder miteinander reden. Das heißt, das Ministerium mit seiner naturschutzfachlichen Kenntnis und der Kreisbauernverband als Hauptbetroffener und als Institution mit der besten Kenntnis vor Ort, sollten sich an einen Tisch setzen, um zu sehen, welche Flächen ü- berhaupt in Frage kommen. Aus meiner Formulierung können sie schon ersehen, dass ich nicht glau- be, dass eine flächendeckende Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt notwendig sein wird. Ich möchte dies aber auch mit einem weiteren Zitat aus dem Aufforderungsschreiben zum Ver-

Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de tragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission vom 4. April diesen Jahres beweisen. Dort wer- den unter anderem auch die Forderungen gegenüber Schleswig-Holstein genauer formuliert. Dort steht beispielsweise zur Trauerseeschwalbe: „Dennoch ist das größte Vorkommen auf der Halbinsel Ei- derstedt mit mehreren in Verbindung stehenden und jährlich wechselnden Kolonien und ein weiteres bedeutsames nahe Heide nicht als Vogelschutzgebiet nominiert worden. Insgesamt befindet sich nur knapp die Hälfte des Bestandes innerhalb von besonderen Schutzgebieten.“ Durch dieses Zitat wird deutlich, dass schon heute die Hälfte, der zu schützenden Gebiete, besondere Schutzgebieten sind und ansonsten wird genau definiert, was darüber hinaus geschützt werden soll. Auf keinen Fall wird dort aber verlangt, die gesamte Halbinsel Eiderstedt unter Schutz zu stellen. Von einer Ausweisung von ganz Eiderstedt muss daher zugunsten einer genauen und abgegrenzten Flächenausweisung abgesehen werden.

Mir schwebt dann eine ähnliche Vereinbarung vor, wie die, die das Umweltministerium mit dem Schleswig-Holsteinischen Waldbesitzerverband bezüglich von FFH-Gebieten abgeschlossen hat. Man hat sich mit dem Verband über die Modalitäten des Vertragsnaturschutzes geeinigt und jedem Mit- glied des Waldbesitzerverbandes steht es frei, dieser Abmachung beizutreten oder es zu lassen. Ich glaube, eine solche Regelung ist auch auf Eiderstedt möglich. Wir können die Leute nicht zur Unter- schrift zwingen, aber wir können genau umrissene Gebiete nach naturschutzfachlichen Kriterien be- schreiben und danach einen vertraglichen Schutz definieren und einen entsprechenden Ausgleich für die Betroffenen festlegen. Wenn man dann einen Vertrag abschließt, weiß man woran man ist und um welche Fläche es sich konkret handelt. Will jemand nicht unterschreiben, so bleibt es sein gutes Recht, aber es behindert nicht andere darin, den Weg des Vertragsnaturschutzes zu gehen.

Als dritten wichtigen Punkt möchte ich anführen, dass es nicht akzeptabel ist, weitergehende Forde- rungen zu stellen, als es die EU verlangt. Die EU-Vogelschutzrichtlinie zielt nur auf ein Verschlechte- rungsverbot ab. Es werden damit keine zusätzlichen Naturschutzmaßnahmen sanktioniert. Deshalb darf es keine Anhebung des Wasserstandes in der Region Eiderstedt geben, da dies negative Auswir- kungen auf Bebauung, wirtschaftliche Nutzung der Landschaft und auf den Küstenschutz haben kann.

Ich glaube es ist die Pflicht von uns allen, nicht Öl ins Feuer zu gießen, sondern ruhig und besonnen das Problem anzugehen. Wenn man miteinander redet und verhandelt und dabei den Willen zeigt, aufeinander zugehen zu wollen, dann glaube ich, wird man eine Lösung für Eiderstedt finden können, mit der alle zufrieden sein können.



Internet: http://www.ssw-sh.de; e-mail:info@ssw-sh.de

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