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Jürgen Weber zu TOP 20: Durch intelligente Kooperation und Konzentration Weltniveau halten
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 22.01.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 20 – Eliteförderung im BildungswesenJürgen Weber:Durch intelligente Kooperation und Konzentration Weltniveau haltenEntsprechend dem FDP-Prinzip, Anträge jeweils nach Medienlage einzubringen, ha- ben wir heute Gelegenheit, uns über Eliten und was dafür gehalten wird auszutau- schen. Ein Auslöser dafür ist sicher die Erklärung des SPD-Parteivorstandes vom 6. Januar in Weimar zur Innovation in Deutschland. In ihr findet sich bekanntlich ein kur- zer Absatz zur stärkeren Förderung von Spitzenleistungen im Hochschulbereich ein- schließlich der Etablierung von Spitzenhochschulen und Forschungszentren auf dem Level der US-Hochschulen Harvard und Stanford.In der Berichterstattung sind die Weimarer Leitlinien zur Innovation praktisch vollkom- men auf diesen einen Absatz reduziert worden, der jedoch nur ein Mosaikstein der Forderung dieses Papiers nach mehr Bildungsgerechtigkeit als Voraussetzung glei- cher Lebenschancen ist.Denn eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der PISA-Studie – vielleicht sogar die wichtigste überhaupt – ist doch, dass unser selektives Bildungssystem die sozialen Hierarchien konserviert wie kaum ein anderes. Wer also von Elite spricht, kann den Zusammenhang zwischen Begabungselite und sozialer Elite nicht einfach ignorieren. Die Begabung eines Kindes und eines Jugendlichen kann sich nur in dem Maße entfalten, wie dies die äußeren Bedingungen erlauben. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Der FDP-Antrag hebt daher grundsätzlich mit Recht auf Fördermaßnahmen für Kinder und Jugendliche mit besonderen Begabungen ab. Da sind wir nicht weit auseinander. Wir haben nach einer Vielzahl von Beratungen vor Jahren auch hier im Plenum und im Bildungsausschuss eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen: - Wir setzen dabei zum einen an der Qualifikation der Lehrkräfte an, die in die Lage versetzt werden sollen, besondere Begabungen frühzeitig zu erkennen. - Wir setzen auf Zusatzangebote für die betreffenden Kinder und Jugendlichen sowie die Möglichkeit, die Schulzeit zu verkürzen. - Es gibt Arbeitsgemeinschaften und landesweite sowie bundesweite Wettbewerbe, unter denen “Jugend forscht” der bekannteste, aber keineswegs der einzige ist. - Es werden besondere Lernleistungen in den Abschlusszeugnissen dokumentiert, - und schließlich wird es im Rahmen der Offenen Ganztagsschule möglich sein, leis- tungsschwache wie leistungsstarke Kinder verstärkt zu fördern.Eine internationale Vergleichsstudie aus dem September vergangenen Jahres hat, ne- benbei bemerkt, festgestellt, dass Deutschland zu den Ländern zählt, die für beson- ders begabte Kinder viel tun. Dazu leistet unser Land seinen Beitrag. Nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten bleibt es natürlich eine Herausforderung, die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern weiter zu verbessern, weil unsere Gesell- schaft die Nutzung aller Bildungsreserven benötigt und die jungen Menschen An- spruch auf Förderung der Entfaltung ihrer Fähigkeiten haben.Was nun die Hochschulen angeht, so dürfte es unumstritten sein, dass wir Spitzenfor- schung – und ich füge hinzu: auch Spitzenlehre – ausbauen müssen. Über den Weg dahin sind neue Fragen aufgeworfen: - Soll die Zuständigkeit des Bundes für den Hochschulbereich ausgeweitet werden ? - Soll es eine neue Bund-Länder-Aufgabenteilung bei Hochschulbau, Forschungsein- richtungen und Hochschulfinanzierung geben ? - Sollen eigens neue Universitäten für Spitzenforschung gegründet werden ? - Oder geht es um reine Privathochschulen? -3-Leistungsverbesserung, oder wenn man so will, Leistungselitenförderung muss heute die Frage nach der wissenschaftlichen Ausrichtung der Forschungs- und Hochschul- einrichtungen stellen. Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten stetig den Be- reich der angewandten Wissenschaft national ausgebaut. Das war ein notwendiger Schritt zur Verbesserung des Wissenstransfers, der Anwendung von Forschung in die Entwicklung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen. Der Druck auf Senkung der Kosten im Hochschulbereich hat aber gleichzeitig schleichend vor allem die Grund- lagenfächer, die Grundlagenforschung getroffen.Über die Organisationsform, wie Spitzenleistungen im Wissenschaftsbereich organi- siert werden sollen, kann man sicher wohlfeil streiten. Eines aber ist unabweisbar: In einem 16-Länder-Föderalismus wird es nicht gelingen, regionale Wünsche und Spit- zenleistung auf die bisherige Art und Weise zusammenzubringen.Nur wenn wir in länderübergreifenden Regionen denken und handeln, können wir durch eine intelligente Kooperation und Konzentration Weltniveau halten und erhalten. Gerade die Hochschulentwicklung zeigt – und da schließe ich die in der politischen Debatte häufig vergessenen verschiedenen Forschungsgemeinschaften und - gesellschaften ein –, dass wir offen über eine Reform unserer föderalen Strukturen re- den müssen. Die Leistungsfähigkeit des Föderalismus ist auch ein Wettbewerbsfaktor auf internationaler Bühne, gerade im Wissenschafts- und Technologiebereich.Mit dem Prinzip „Small is beautiful” lässt sich dort jedenfalls kein Blumentopf gewin- nen. Zumindest nicht für eine Nation, die auf ihre Bildungsressourcen so angewiesen ist wie die deutsche. Regionalpolitisch unproduktives Gezerre kennen wir zur Genüge innerhalb unserer Länder. Es potenziert sich auf Bundesebene.Ich ziehe für uns daraus klare Konsequenzen: 1. Leistungsspitzen auf höherem Niveau und in größerem Umfang erfordern ein ge- meinsames norddeutsches Handeln in verbindlicher Form. -4-2. Leistungsspitzen müssen auf existierenden Hochschulen aufbauen, um Ressour- cen vernünftig zu nutzen. 3. Es muss bundesweit mehr Geld in die Hochschulen gelenkt werden, allerdings ge- knüpft an strukturelle Reformen, um nicht noch vielfach ineffiziente Strukturen auf- zupäppeln. 4. Der Bologna-Prozess der europäischen Vernetzung der Hochschulen muss genutzt werden, um die Zementierung der Studiengänge und Qualifizierungswege aufzu- brechen. 5. Mehr Spitzenleistung darf nicht außer Acht lassen, dass wir insgesamt mehr Hoch- schulabsolventen brauchen.Wer Spitzenleistung durch Studiengebühren bezahlen und den Hochschulzugang jun- ger Menschen exklusiv den Hochschullehrern überlassen will, kann auf unsere Zu- stimmung nicht zählen. Wir haben keinen Bedarf, Einrichtungen zu schaffen, in denen man sich den Habitus einer Elite aneignen kann, die allein auf dem Namen der Hoch- schule beruht, die man absolviert.Spitzenleistung erfordert Schwerpunktbildung an den vorhandenen Hochschulen, Schwerpunkte, die im nationalen und internationalen Vergleich wissenschaftliche Leuchttürme sind. Und wenn ich Leuchttürme sage, meine ich nicht Elfenbeintürme. Denn gerade in der Grundlagenforschung sind es nicht mehr so sehr die Einzeldiszip- linen, sondern immer mehr die neuartigen, manchmal rasch wechselnden Verbindun- gen zwischen den Disziplinen, wo die Wissenschaft so richtig auf Neuland stößt: Recht und Mikrobiologie, Linguistik und Softwaretechnik, Erwachsenenbildung und Infotech- nik, Kulturforschung und Psychiatrie usw.Ich teile die Auffassung von Ernst Ulrich von Weizsäcker, der jüngst zugespitzt formu- liert hat, dass auf diesem Hintergrund die klassischen Fakultätsgrenzen und DFG- Gutachterzirkel eher innovationshemmend seien. Wer gestern die Informationsveran- staltung der TSH zum Genomnetz besuchen konnte, hat einen positiven Eindruck da- von erhalten, was möglich ist. -5-Den Antrag der FDP sollten wir in den Bildungsausschuss überweisen und dort weiter beraten werden.