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Thomas Rother zu TOP 25 + 50: Unterschiedliche Schwerpunkte sprechen gegen einen Verbund der Verfassungsschutzbehörden
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 28.04.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 25 + 50 – Neuorganisation des Verfassungsschutzes und Verfassungsschutzbericht 2003:Thomas Rother:Unterschiedliche Schwerpunkte sprechen gegen einen Verbund der VerfassungsschutzbehördenDem ersten Absatz im Antrag der CDU-Fraktion, der Forderung nach einer Verbesse- rung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland, können wir sicher- lich alle zustimmen. Die Bundesregierung hat das in ihrem Bereich ja auch schon mit der Einsetzung des Geheimdienstkoordinators getan.Bei der Frage, wie so etwas auf Länderebene konkret aussehen kann, wird es dann schon schwieriger. Denn die Aufgabenstellung und die Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes ist etwas ganz besonderes. Getrennt von der polizeilichen Exe- kutive, dient der Verfassungsschutz lediglich der Erhebung von Informationen. Dabei kann er nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Er macht damit schon mal etwas an- deres als die 16 Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter und natürlich auch etwas anderes als BND und MAD. Und seine Aufgabenstellung ist schon gar nicht vergleichbar mit der eines Statistischen Landesamtes oder der eines Eichamtes.Das Grundgesetz beschreibt in Artikel 73 den Verfassungsschutz als eine gemeinsa- me Aufgabe von Bund und Ländern. Das schließt Länderzusammenarbeit nicht aus. Und diese Zusammenarbeit geschieht im Bereich des Quellen-Austausches auch. Wenn es nun zu gerade dort zu Übermittlungsmängeln gekommen ist, wie das beim NPD-Verbotsverfahren ja leider deutlich wurde, müssen diese abgestellt werden, keine Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Frage. Doch ist nun Schleswig-Holstein nicht für die Schwierigkeiten, in denen der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz steckte, verantwortlich. V-Mann-Berichte sollen normalerweise an alle Verfassungsschutzbehörden – auch den Bundesverfas- sungsschutz – gehen. Hier bei uns funktioniert das auch. Und daher kann auch an die- ser Stelle unserem Verfassungsschutz für seine solide Arbeit gedankt werden.Bei einem norddeutschen Verbund käme als Problem hinzu, dass unterschiedliche Schwerpunktsetzungen miteinander konkurrieren müssten: In Hamburg stellt sich die ins Visier zu nehmende Szene in ihrer Konzentration auf die große Stadt ganz anders dar als bei uns oder in Mecklenburg-Vorpommern mit besonderen Lagen im Bereich des Rechtsextremismus – wo man aufgrund der Vergangenheit eine ganz spezielle Si- tuation hat, ebenso wie mit kommunistischen Resten, die es hier so gar nicht gibt. Das würde es auch praktisch schwierig mit der Zuteilung der Aufgabenschwerpunkte ma- chen, wie von der CDU vorgeschlagen. Und diese Probleme würden sich sicher auch in einem gemeinsamen politischen Kontrollausschuss widerspiegeln.Unabhängig davon können die Verfassungsschutzbehörden natürlich viel voneinander lernen. Gerade in der Aufgabenwahrnehmung und der Außendarstellung hat unser Verfassungsschutz viel von Hamburg gelernt – von der Art, die Christian Lochte und Ernst Uhrlau in den achtziger Jahren entwickelt haben.Ich beantrage die Überweisung des Antrages in den Innen- und Rechtsausschuss, denn dem Ziel des effektiven Verfassungsschutzes fühlen wir uns verpflichtet und wenn es dazu notwendig ist, Strukturen zu verändern, wollen wir das tun – aber viel- leicht auch anders und auf einer sichereren Grundlage.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten an dieser Stelle nach langer Zeit einmal wieder den aktuellen Verfassungsschutzbericht. Zu zwei Punkten kurze Anmerkungen dazu: Erstens: Die Bedrohung durch rechtsradikale Gewalttäter ist noch immer nicht eingedämmt. Und auch die rechte Subkultur wächst. Daher bleibt es richtig, neben -3-diesem Bericht regelmäßig über die Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextre- mismus und Fremdenfeindlichkeit zu berichten. Präventive Schritte, Aussteigerpro- gramme, Opferschutz und entschlossenes Vorgehen bleiben dabei die Eckpunkte für nachhaltige Maßnahmen.Die Verurteilung des Ex-NPD-Landeschefs Borchert ist vor diesem Hintergrund eine gute Nachricht, zumal sich in seiner Person auch Verflechtungen von rechtsextremem und kriminellem Milieu spiegeln. Und die Ergebnisse der heute beginnenden OSZE- Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus in Berlin sollten wir uns ganz genau anschauen und dann vielleicht mit in unsere entsprechenden Landesaktivitäten ein- bauen.Zweitens: Muslime. Auch wenn die Ideen der gewaltbereiten Muslime in Schleswig- Holstein kaum Anhänger finden, so gibt es doch Entwicklungen, die Beachtung finden müssen. Die Tatsache, dass sich die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, die bedeu- tendste nicht-militante islamistische Organisation, aufgrund von Entwicklungen in der Türkei in einer politischen Krise befindet, weist nur auf ein organisatorisches, aber nicht auf ein Potenzialproblem hin.Das Bundesamt für den Verfassungsschutz geht von rund 3.000 radikalen und von rund 40.000 weiteren Islamisten aus. Der Soziologe Eberhard Seidel hat das im Ver- gleich auf die deutschstämmige Bevölkerung und den Rechtsextremismus umgerech- net und kommt zu dem Ergebnis, dass wir es statt mit rund 10.000 mit 80.000 Gewalt- bereiten zu tun hätten und nicht nur 40.000, sondern 1,2 Mio. Menschen bei DVU, Reps, NPD und Co. organisiert wären.Die „kleine Minderheit“, die der Verfassungsschutzbericht auf seiner Seite 63 be- schreibt, darf also nicht unterschätzt werden. Und daher macht der Innenminister an dieser Stelle auch nicht „Politik aus dem Bauch heraus“ wie ihm ja von Seiten der FDP vorgeworfen wurde, sondern liegt genau richtig. -4-Wir haben gewiss noch eine Bringschuld in Richtung Akzeptanz des Islam in unserer Gesellschaft zu leisten. Das muss aber auch dazu führen, dass wir uns bei dem The- ma Integration ebenso mit jenen Gruppen auseinandersetzen, die mit den Grundsät- zen unserer Republik nur wenig gemein haben. Sonst wird das Unbehagen vieler deutscher Bürger gegenüber dem Islam auch nicht geringer werden, weil Islam und Is- lamismus gerne durcheinander gemust werden.Daher sollten wir auch den Verfassungsschutzbericht weiter im Innen- und Rechtsaus- schuss diskutieren. Stoff gibt es dafür genug.