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28.04.04 , 15:32 Uhr
SPD

Lothar Hay zu TOP 54: Für mehr Gerechtigkeit und ein einfacheres Steuersystem

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 28.04.2004 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 54 – Weitere Schritte für eine Steuervereinfachung

Lothar Hay:

Für mehr Gerechtigkeit und ein einfacheres Steuersystem

Ich finde es ausgesprochen erfreulich, dass wir heute über die Vorschläge unserer Landesregierung für ein sozial gerechtes und einfaches Steuersystem diskutieren. Diese Vorschläge sind im Steuerdiskussions-Wirrwarr der letzten Monate ein Lichtblick für die große Mehrheit der Steuerzahler, ein Lichtblick für die Einnahmesituation von Ländern und Kommunen, ein Lichtblick auf dem Weg zur Verringerung der Sozialab- gaben und ein Lichtblick für alle, die eine Vereinfachung des Steuersystems immer wieder gefordert haben.

Das Steuersystem in Deutschland muss reformiert werden. Darüber sind sich die Par- teien im Bundestag einig. Die Frage ist nur wie. Und schon da hören die Gemeinsam- keiten vollkommen auf!

In den vergangenen Monaten sind umfangreiche Modelle vom ehemaligen Verfas- sungsrichter Kirchhof, von Friedrich Merz, von der CSU und auch von der FDP auf den Tisch gekommen. Neben einzelnen positiven Aspekten haben sie zweierlei gemein- sam. Die Einnahmen des Staates würden auf allen Ebenen bei einer Umsetzung er- heblich sinken, und die Entlastung wäre für hohe Einkommen beträchtlich umfangrei- cher als für niedrige.

Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Vor wenigen Wochen haben die Finanzminister der 16 Bundesländer ihre Position deutlich gemacht. Nach ihrem einmütigen Urteil taugt keines der vorliegenden Modelle für eine Umsetzung. Die Finanzminister haben zu Recht darauf verwiesen, dass das übereinstimmende Ziel der Steuervereinfachung nicht um den Preis weiter sinkender Staatseinnahmen angestrebt werden darf.

Schon heute ist die deutsche Steuerquote mit fast 22 % auf einem historischen Tiefstand. Die von uns mitgetragene und unterstützte Steuerreform der Bundesregie- rung, die die Belastungen der Einkommen spürbar reduziert hat, und die schlechte Konjunkturlage führen zu einem Defizit der öffentlichen Haushalte. Die Folgen können auch von niemandem hier im Haus wegdiskutiert werden. Es fehlt das Geld für öffentli- che Investitionen. Vor allem im kommunalen Bereich muss in einer Weise an der Sub- stanz gespart werden, die nicht mehr hingenommen werden kann.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger zu Recht nach dem Einsatz von ausreichenden Mit- teln rufen, dann müssen sie dem Staat auch ermöglichen, die finanziellen Mittel dafür bereit zu stellen. Und, meine Damen und Herren von der Opposition, um einer mögli- chen Argumentation gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Es hat nichts mit ei- ner Neiddebatte zu tun, wenn man bezweifelt, dass eine weitere Senkung des Spit- zensteuersatzes über die ab 2005 vorgesehenen 42% hinaus nicht mehr vermittelt werden kann.

Es wäre auch aus meiner Sicht sehr begrüßenswert, wenn man gemeinsam zu einer Steuerreform kommen könnte, wie dies in den Debatten des Vermittlungsausschusses ab und an durchschien. Allerdings frage ich die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wie dies denn gelingen soll, wenn einerseits Ihr Parteifreund Merz sich für die Beseitigung nahezu sämtlicher Ausnahmetatbestände ausspricht, aber die Christde- mokraten im parlamentarischen Vermittlungsverfahren um das Vorziehen der rot- grünen Steuerreform vehement gegen den Abbau von Subventionen gekämpft haben. -3-



Doch ohne den Abbau von Steuervergünstigungen sind alle Versuche, zu einem einfa- chen Steuerrecht zu kommen, zum Scheitern verurteilt. Wer schon von vornherein deutlich macht, dass er an einzelnen Subventionen gar nicht rütteln lassen will, bei dem kann es mit dem Reformwillen nicht allzu weit her sein.

Ich bin mir sicher, dass eines für die Menschen und auch für die Politik klar ist: Eine große Reform, die ein transparentes und gerechtes Steuersystem zum Ziel hat, ist ei- ne Mammutaufgabe. Wir brauchen eine Lösung in einem überschaubaren Zeitraum. Gleichzeitig ist es aber wichtiger, den Blick auf die Qualität zu richten als auf das Tem- po. Gemeinsames Ziel müsste es sein, aus den vorliegenden Konzepten das Beste herauszufiltern und zusammen zu führen. Hier kann der schleswig-holsteinische 10- Punkte-Plan einen wichtigen Beitrag leisten.

Es wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Vorstellungen des Landes ins- gesamt in der veröffentlichten Meinung durchaus eine positive Aufnahme gefunden haben. Ich möchte an dieser Stelle der Ministerpräsidentin und dem Finanzminister für dieses Konzept danken. Aus meiner Sicht sind diese Eckpunkte ein erheblich ausge- wogenerer und gerechterer Diskussionsansatz als die bisher auf Bundesebene vorlie- genden.

Zum Konzept im Einzelnen: Wir teilen die grundsätzliche Einschätzung, dass Möglich- keiten für allgemeine Steuersenkungen nicht mehr bestehen. Der Staat kann sich kei- ne weiteren Einnahmeverluste leisten, wenn die öffentlichen Aufgaben sachgerecht er- ledigt werden sollen.

Das schleswig-holsteinische Konzept strebt – anders als die bisher vorgestellten Mo- delle – Verteilungsgerechtigkeit an. Alle anderen Modelle führen zu erheblichen Ver- günstigungen für Besserverdienende. Und nicht nur die aktuelle Konjunkturlage ist ein Hinweis darauf, dass dies in die falsche Richtung führen würde. Ich weiß von wirklich gut Verdienenden, dass sie weitere Steuerentlastungen für den oberen Einkommens- bereich für nicht notwendig halten. Keines der bisher vorgestellten Konzepte hat bisher -4-



die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit im Visier. Aber neben einer deutlichen Ver- einfachung des Steuersystems muss es eben auch darum gehen. Auch über eine Steuerreform kann ein Beitrag zu mehr Generationengerechtigkeit und zur Senkung von Arbeitslosigkeit geleistet werden. Deshalb müssen wir die Debatte jetzt führen.

Wenn die öffentlichen Aufgaben auch zukünftig gerecht erledigt werden sollen, kann der Staat sich keine weiteren Einnahmeverluste leisten. Dass nur Reiche sich einen armen Staat leisten können, ist eine Binsenweißheit. Deshalb sieht das Konzept der Landesregierung vor, dass sich gerade die finanziell Leistungsfähigen ihrer Verantwor- tung zu stellen haben. Deshalb kann es, da sind wir mit der Landesregierung einig, keine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes unter 42 % geben. Auch ist die Über- legung richtig, Einkommen über 500.000 Euro zu zusätzlichen Abgaben heranzuzie- hen.

Erst wenn das Steuersystem wieder annähernd als gerecht empfunden wird, wird es akzeptiert werden. Keines der bisher vorgestellten Konzepte hat diese Forderung aus- reichend beachtet. Ziel des schleswig-holsteinischen Konzeptes ist deshalb auch die Verteilungsgerechtigkeit. Subventionen müssen abgebaut und Schlupflöcher gestopft werden. Eine verbreiterte Bemessungsgrundlage soll zu Steuersenkungen, insbeson- dere für Geringverdienende, und zur Förderung von Familien genutzt werden. Die Senkungen im Eingangssteuersatz können dazu beitragen, den Abstand zwischen Netto-Arbeitseinkommen und Sozialleistungen zu vergrößern und beschäftigungs- so- wie arbeitsmarktpolitischen Verwerfungen des Sozialsystems entgegen zu wirken.

Über Pauschalierungen, beispielsweise bei Werbungskosten und Fahrtkosten, soll der Verwaltungsaufwand bei den Steuerzahlern und Finanzämtern erheblich verringert werden. Es könnte dann in vielen Fällen auf eine Steuererklärung verzichtet werden. Damit Kinder nicht länger das Armutsrisiko Nr. 1 bleiben, wollen wir über eine verfas- sungskonforme Individualveranlagung und den gleichzeitigen Wegfall des Splittingta- rifs und über ein erhöhtes Kindergeld Steuermehreinnahmen unmittelbar an die Eltern zurück geben. -5-



Wenn wir ernst machen wollen mit der Senkung der Abgaben auf Arbeit und damit die soziale Symmetrie stärken wollen, ist eine Erhöhung der Umsatzsteuer bei gleichzeiti- ger Senkung der Lohnnebenkosten ein sinnvoller Weg. Um die Interessen der Niedrig- verdiener zu berücksichtigen, soll gleichzeitig ein ermäßigter Umsatzsteuersatz für das Lebensnotwendige gelten.

Wer die soziale Marktwirtschaft ernst nimmt und von der Infrastruktur unseres Landes profitiert, der muss auch seinen Beitrag dazu leisten. Das Selbstverständnis von Teilen unserer sogenannten Leistungselite, sich durch Steuerflucht ins Ausland vor solidari- schen Abgaben zu drücken, muss offen diskutiert werden. Es muss erlaubt sein, auch prominente Einzelfälle im Bereich Sport, Unterhaltung oder Medien offen anzuspre- chen. Steuern zahlen ist nämlich nicht unanständig, es ist vielmehr gegenüber der Ge- sellschaft unanständig, sich der Verantwortung des Gemeinwesens zu entziehen!

Wir wollen die Erbschaftssteuer reformieren und große Erbschaften steuerlich stärker heranziehen. Gleichzeitig soll über Freibeträge das selbst genutzte Einfamilienhaus gesichert und der Betriebsübergang, insbesondere bei kleinen und mittleren Unter- nehmen, erleichtert werden. Ein Freibetrag von zwei Mio. Euro bei Betriebsvermögen wird diese Stoßrichtung unterstützen.

Das Steuersystem muss die Finanzierung aller Ebenen – also auch der Kommunen – sichern. Nach dem Vorschlag der Regierung kann dies am besten über die Einführung einer Kommunalsteuer auf der Basis der bisherigen Gewerbesteuer gelingen. Die Kommunen brauchen eigenständige Steuerquellen. Deshalb müssen alle, die von der örtlichen Infrastruktur in besonderem Maße profitieren, auch ihren angemessenen Bei- trag zu deren Finanzierung leisten. Dies ist nur recht und billig.

Die Kraftfahrzeugsteuer soll abgeschafft werden, da hier der Ertrag von Steuern und ihre Erhebung nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Den Ausgleich für die Länder könnte eine Beteiligung an einer erhöhten Mineralölsteuer -6-



schaffen. Im Bereich der Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer wird es zu personellen Spielräumen in der Steuerverwaltung kommen. Frei werdende Kapazitäten sollten für Betriebsprüfungen, Steuerfahndung und Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges ge- nutzt werden.

In den Jahren 1998 bis 2005 hat es insgesamt für Steuerzahler und Unternehmen Steuerentlastungen im Umfang von 55 Milliarden Euro gegeben bzw. wird es noch ge- ben. Es ist die größte Steuerentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik. Weitere Steuerentlastungen, Belastung der öffentlichen Hände, kann es in den nächsten Jah- ren nicht geben, wenn die notwendigen Leistungen für unser Gemeinwesen erbracht werden sollen.

Bei weiteren Maßnahmen zur Steuervereinfachung wird es darauf ankommen, die so- ziale Symmetrie innerhalb unserer Gesellschaft im Blick zu behalten. Also, geringer Verdienende und Familien mit Kindern müssen besser gestellt werden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die Besserverdienenden in näherer Zukunft erneut zu entlasten, darüber sollten auch die Merz, Kirchhof und Stoiber einmal nachdenken. Bei allen zu- künftigen Überlegungen muss der Subventionsabbau eine zentrale Rolle spielen. Da- bei geht es sowohl um den Aspekt der Gerechtigkeit als auch um eine deutliche Ver- einfachung unseres Steuersystems.

Die Eckpunkte der Landesregierung stellen insgesamt einen sinnvollen Ausgangs- punkt für weitere Debatten in Richtung Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit dar. Wir werden die Diskussion mit den Bürgern und auch mit den politischen Konkur- renten suchen, um zu durchgreifenden Lösungen in überschaubarem Zeitrahmen zu kommen.

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