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30.04.04 , 11:44 Uhr
FDP

Heiner Garg: "Zu viele Fragen sind bis heute unbeantwortet"

FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1



Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Nr. 150/2004 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Kiel, Freitag, 30. April 2004 Parlamentarischer Geschäftsführer Christel Aschmoneit-Lücke, MdL Sperrfrist: Redebeginn Joachim Behm , MdL Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort! Veronika Kolb, MdL
Krankenkassen/AOK-Schleswig-Holstein/Rechtsaufsicht



www.fdp-sh.de Heiner Garg: „Viele Fragen sind bis heute unbeantwortet“ In seinem Redebeitrag zu TOP 37 (Prüfung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz als Rechts- aufsichtsbehörde der AOK Schleswig-Holstein durch den Landesrechnungshof) sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Dr. Heiner Garg:
„Mit jedem Tag und mit jeder Erklärung des Sozialministeriums nimmt der Fragebedarf zur Situation der AOK Schleswig-Holstein zu.
Immer mehr verdichtet sich der Eindruck, dass die Mitgliedsbeiträge der rund 750.000 gesetzlich Zwangsversicherten ohne Rücksicht auf die in § 4 Abs. 4 SGB V verankerte Pflicht der sparsamen Wirtschaftsführung, Beitragsmittel mit vollen Händen durch die Organe der AOK ausgegeben worden sind.
Um so wichtiger ist es jetzt, dass nicht nur für die AOK-Versicherten, sondern auch für die Mitarbeiter der AOK Schleswig-Holstein endlich Klarheit geschaffen wird.
Denn, wenn es um Ausgaben für ihre Mitglieder geht, dann wird von der Krankenkasse mit sehr spitzem Stift nachgerechnet.
Wenn es aber um die eigene Sache geht, haben anscheinend die Organe der AOK Schleswig-Holstein, die sich selbst als „die Kasse mit den meisten Zusatzleistungen“ bezeichnet, ihren eigenen Slogan großzügig ausgelegt.
Die bekannt gewordenen Vorfälle lassen immer mehr den Schluss zu, dass Organmitglieder die AOK Schleswig-Holstein als höchstpersönlichen „Selbstbedienungsladen“ betrachtet haben:


Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 • Da wurden 78 Gutachten und Beraterverträge Seitens der AOK seit 1999 über insgesamt 15,2 Mio. Euro freihändig vergeben. Begründet wurde die fehlende Ausschreibung der Beraterverträge, die teilweise sogar EU- weit hätten ausgeschrieben werden müssen, durch die Organe damit, dass dies eine „AOK-konforme“ Ausschreibungsmöglichkeit gewesen sei.
Dass dabei gesetzliche Vergabeanforderungen umgangen worden sind, wurde da nicht als sonderlich problematisch angesehen, zumal am 16.02.2004 bekannt wurde, dass diese Vergabepraxis auch vom AOK-Bundesverband praktiziert worden ist.
Die Rechtsaufsicht sah sich erst nach mehrfachem Nachfragen in der Lage, sich generell zu den Beraterverträgen zu äußern. Bis heute konnten Nachfragen über Höhe und Umfang einzelner Beraterverträge von Seiten der Rechtsaufsicht nicht beantwortet werden.
• Weiterhin wurde am 16.01.2004 bekannt, dass der Vorstandsvorsitzende der AOK vier Kredite in der Gesamthöhe von € 231.500 in der Form von Mitarbeiterdarlehen erhalten haben soll. Bereits die erste Kreditvergabe vom 31. Juli 1999 wurde durch die zuständige Rechtsaufsicht im Rahmen einer Routineprüfung im Jahr 2000 durch die Rechtsaufsicht gerügt, allerdings ohne weitere rechtliche Folgen. Begründet wurde dies durch das Sozialministerium, dass ein unmittelbares Einschreiten im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht möglich gewesen sei, da die AOK als selbständige Körperschaft in solchen Fällen einen weiten Ermessensspielraum habe. Das hatte zur Folge, dass am 24. Juli 2002, am 17. September 2002 und am 13. Februar 2003 weitere Darlehen an den Vorstandsvorsitzenden durch die Verwaltungsratsvorsitzenden abgezeichnet worden sind.
Bis heute bleiben sowohl die AOK Schleswig-Holstein als auch das Sozialministerium die Antwort schuldig, ob mittlerweile diese Darlehen mit dem Ausscheiden des betreffenden Vorstandsmitgliedes rückabgewickelt worden sind, oder nicht.
Die Rechtaufsicht sieht bis heute keinen Rechtsverstoß darin, dass die Vorsitzenden des Verwaltungsrates zwar im Außenverhältnis vertretungsbefugt sind und deshalb formal die Darlehensverträge unterzeichnen durften, aber im Innenverhältnis ihrer Berichtspflicht an den gesamten Verwaltungsrat nicht nachgekommen und so die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates zu Statisten degradiert worden sind. So konnte dieser den gesetzlichen Vorgaben nach § 197 SGB V überhaupt nicht nachkommen. Zumindest hätte dem gesamten Verwaltungsrat ein Prüfungsrecht darüber zustehen müssen, ob hier ein solcher Verstoß vorliegt. Erst dann kann der Verwaltungsrat tatsächlich darüber entscheiden, ob er den Vorstand entlasten kann, oder nicht.
• Da wird bekannt, dass ein Vorstandsmitglied der AOK Schleswig-Holstein bevorzugt in den USA in der Zeit vom Oktober 1999 bis Februar 2003 teure Dienstreisen unternommen hat. Zum Wohle der Mitglieder? Ob die vorgelegte und zu Lasten der AOK abgerechnete Restaurantrechnung über 109,69 Dollar (Fl. Tageblatt vom 20.04.2004) bei „Fultons Crab House“ in Walt Disney World ausschlaggebend für ein neues Cholesterinprogramm der AOK für den stärkeren Verzehr von Meerestieren impulsgebend war, wird wohl immer ein Geheimnis der Selbstverwaltung bleiben. Vom berichteten Repräsentationsaufwand in einem Berliner Irish Pub oder bei „Fischers Weingenuss/Tafelfreuden“ an einem bisher nicht bekannten Ort (Fl. Tageblatt vom 20.04.2004) ganz zu schweigen.


Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Am 4. März hatte das Sozialministerium in seiner Presseerklärung noch mitgeteilt, dass die Aufsichtsprüfung nach § 88 SGB IV der AOK Schleswig-Holstein zunächst abgeschlossen sei und hinsichtlich der in der Öffentlichkeit „zuletzt kolportierten Gerüchte über aufwändige Dienstreisen trotz intensiver Recherche keine Belege und einschlägige Kassenbuchungen vorgefunden“ worden sind. Da bekommt nicht nur Mickey Mouse große Ohren.
• Auch mit der internen Abrechnung wird es anscheinend nicht sonderlich genau genommen, wie man der Berichterstattung des sh:z vom 21.04.04 entnehmen darf. Mindestens 9 Mitglieder des 30-köpfigen Verwaltungsrates haben sich mehrfach Sitzungsgeld für einzelne Sitzungstage auszahlen lassen, ohne die überzahlten Beiträge zu reklamieren oder gar zurückzuzahlen.

• In diesem Zusammenhang passen natürlich auch die großzügig gesponserte Auslegeware für das AOK Betriebsfest im Februar 2003 ins Bild. Immerhin wurde von Seitens des Vorstandes fürsorglich sicher gestellt, dass die Mitarbeiter keine kalten Füße bekommen. Kosten für die Beitragszahler: 9.090 Euro (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage, Drs.: 15/2505).
Bei einem Haushaltsvolumen der AOK Schleswig-Holstein von rund 1,7 Milliarden Euro mögen diese Vorfälle aus Sicht einiger Organe der AOK Schleswig-Holstein womöglich „Peanuts“ sein.
Bei kritischer Betrachtung drängt sich für Außenstehende der Eindruck auf, dass es sich hier um die Spitze des Eisberges handeln könnte.
Deutlich wird: Die AOK Schleswig-Holstein konnte sich gegenüber der Rechtsaufsicht über einen längeren Zeitraum einer intensiven Kontrolle erfolgreich entziehen – und: Das Sozialministerium als Rechtsaufsicht hat nicht ihre zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft, um die aufgedeckten Missstände rechtzeitig abzustellen.
Anders lässt sich nicht erklären, dass einerseits „die unmittelbar Verantwortlichen der AOK bereits nach der ersten Darlehensvergabe mit unmissverständlicher Tendenz von der negativen Bewertung einer solchen Darlehensvergabe in Kenntnis gesetzt“ (Pressemitteilung des Sozialministeriums vom 26.01.2004) worden sind, andererseits es dann zu drei weiteren Darlehen kommen konnte.
Die „unmissverständliche Tendenz“ und die „negative Bewertung“ über die das Sozialministerium die AOK informiert haben will, hätten nach den einschlägigen §§ 88 (Prüfung und Unterrichtung) und 89 (Aufsichtsmittel) SGB IV möglicherweise dazu führen müssen, dass das erste Darlehen zurückgefordert und alle weiteren Darlehen unterblieben wären. Statt dessen ist nichts davon passiert. In diesem Zusammenhang als Rechtsaufsicht lediglich auf den Umfang der Aufsicht (§ 87 SGB IV) zu verweisen, ist in diesem Zusammenhang zu wenig. Die Selbstverwaltungsträger und somit die AOK Schleswig-Holstein unterliegen als selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung damit der (Rechts-) Aufsicht des Staates.
Dabei erstreckt sich diese Rechtsaufsicht auf die Rechtmäßigkeit des Handelns. Insbesondere überprüft die Rechtsaufsicht die Einhaltung von Gesetzen und sonstigem Recht, das für die Träger und Verbände maßgebend ist.
Bei Verstößen kann die Rechtsaufsicht mit Aufsichtsmitteln im Wege der Verwaltungsvollstreckung tätig werden. Dadurch sollen die (Zwangs-) Mitglieder der Selbstverwaltung geschützt werden.
Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4
Was aber, wenn die Rechtsaufsicht eine andere Rechtsansicht vertritt? Wenn die Rechtsaufsicht keine weitere Handhabe zum Einschreiten sieht?
Kann dann über den Landesrechnungshof das Handeln des Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz als Rechtsaufsicht überprüft werden?
Der von der CDU vorgelegte Antrag hat den Charme, dass durch die Hintertür der Rechtsaufsicht der Landesrechnungshof eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Selbstverwaltung vorzunehmen hätte.
Das ist ein interessanter Ansatz, der aus rechtlichen Gründen nicht funktionieren kann und darf.
Tatsächlich hat sich eine Prüfung der Selbstverwaltung nach § 274 Abs. 1 SGB V mindestens alle fünf Jahre auf den gesamten Geschäftsbetrieb zu erstrecken. Sie umfasst nach dem Wortlaut des Gesetzes „die Prüfung seiner Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit“.
Eine solche Überprüfung steht aber nicht dem Landesrechnungshof zu, sondern dem Bundesversicherungsamt und den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder – also dem Sozialministerium in Schleswig-Holstein.
Deshalb will die FDP-Landtagsfraktion eine zusätzliche rechtliche Konkretisierung der Rahmenbedingungen, in der sich Selbstverwaltungen bewegen dürfen. Ein entsprechender Antrag wurde deshalb bereits am 18. Februar 2004 (Drs. 15/3190) eingebracht. Dies sind wir den Versicherten und Beitragszahlern der AOK Schleswig- Holstein und den Mitarbeitern der Krankenkasse schuldig.
Eine solche Konkretisierung geht einfach und unbürokratisch, indem zusätzliche Anforderungen an die Satzung gestellt werden. So kann willkürliches Handeln der Organe weitestgehend ausgeschlossen und überprüft werden. Gleichzeitig erhält die Rechtsaufsicht klare Anhaltspunkte, wann der durch die Selbstverwaltung selbst gesteckte Spielraum überschritten worden ist.
Ein Verstoß gegen die Satzung kann von der Rechtsaufsicht zweifelsfrei festgestellt und entsprechend der vorhandenen Aufsichtsmittel behandelt werden.
Durch Mindestanforderungen an Satzungen kann sicher gestellt werden, dass die Vergabe von finanziellen Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder – also an Vorstands- und Verwaltungsratsmitglieder – innerhalb der Selbstverwaltung eindeutig in Art, Umfang und Höhe geregelt wird. Gleichzeitig wird der Rahmen definiert, in dem sich die Organe bewegen dürfen.
Das bedeutet eine verbesserte Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Rechtsaufsicht.
So wird das Prinzip der Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt, sondern gestärkt – auch gegenüber der Rechtsaufsicht, denn diese erhält klare Anhaltspunkte und Handlungsanweisungen, wann und wie sie einzuschreiten hat.
Um so wichtiger ist es, jetzt Gewissheit herzustellen, was konkret geschehen ist und wie solche Vorfälle auch für die Zukunft vermieden werden können.“



Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/

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