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18.06.04 , 11:32 Uhr
SSW

Energiebericht: CDU als energiepolitische Geisterfahrer

Presseinformation
Kiel, den 18.06.2004 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 28 Energiebericht 2004
Drs. 15/3493

Seit dem letzten Energiebericht der Landesregierung von 1999 kann man feststellen, dass
sich im Energiebereich etwas Grundlegendes geändert hat - wir haben den Atomausstieg
in Deutschland beschlossen. Und die Landesregierung macht im Bericht nicht ganz ohne
Stolz darauf aufmerksam, dass sie zwei Jahre nach der Reaktorkatastrophe von
Tschernobyl als eine der Ersten auch den Ausstieg aus der Kernenergie gefordert und
betrieben hat. Daher halte ich es auch für legitim, wenn ich jetzt nicht ganz ohne Stolz
behaupten kann, dass sich der SSW bereits Ende der 50'er Jahre gegen die Nutzung der
Atomenergie gewandt hat.


Nun aber zum Bericht. Die Landesregierung hat mit ihrem Energiebericht ein
umfassendes Werk und eine beachtenswerte Bilanz über den Status des Energiesektors in
Europa, Deutschland und Schleswig-Holstein vorgelegt. Dafür möchte ich den Mitar-
beitern des Ministeriums danken. Sie haben mit diesem Bericht ein umfangreiches
Nachschlagewerk für alle erarbeitet. 2


Der Bericht macht deutlich, wie sehr die schleswig-holsteinische Energiepolitik von EU-
und Bundes-Rahmengesetzgebungen mitbestimmt oder beeinflusst wird. Dies erstreckt
sich über EU-Richtlinien zur Erneuerbaren Energie, zum Emmissionshandel, der
Liberalisierung des Strommarktes bis hin zu den Rahmenbedingungen des Bundes, wie
zum Beispiel dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz oder den atomrechtlichen
Vorschriften. Eine der wohl wichtigsten energierechtlichen Rahmenbedingungen ist das
Erneuerbare-Energien-Gesetz. Im April 2000 ist es in Kraft getreten und hat das bis dahin
geltende Stromeinspeisungsgesetz abgelöst. Und ich teile die Auffassung der
Landesregierung, dass gerade das EEG der entscheidende Motor zur Steigerung des
Anteils der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist.


Damit hat das EEG auch maßgeblichen Anteil an der Erfolgsgeschichte der Windenergie in
Schleswig-Holstein. Und es hat dazu beigetragen, dass bereits 2002 rund 25% des in
Schleswig-Holstein verbrauchten Stroms aus der Windenergie gewonnen werden
konnten.
Nebenbei bemerkt ist dies auch einer vorausschauenden Landesplanung zu verdanken.
Denn im Zeitraum 1996 bis 1998 wurde rund 1% der Landesfläche als Eignungsfläche für
Windenergie ausgewiesen. Wäre nach dem Vorbild des Kreises Nordfriesland von Seiten der Landesplanung hier nicht vorausschauend geplant worden, hätte es mit Sicherheit
einen Wildwuchs gegeben, wie wir ihn an einigen Stellen im Land haben. Erst die
planerische Grundlage hat ermöglicht, dass die Anzahl der Windkraftanlagen von 1990 bis
2003 von 100 Anlagen kontinuierlich auf 2.547 Anlagen steigen konnte, ohne dass dies zu
wirklich nennenswerten Konflikten geführt hätte.


Dass die Windenergie gerade für Schleswig-Holstein eine wirtschaftliche Erfolgs-
geschichte ist, muss man eigentlich nicht wiederholen. Aber es gibt ja auch diejenigen
unter uns, die nichts dazu gelernt haben und der Atompolitik immer noch das Wort reden
und die Chancen der erneuerbaren Energien völlig ignorieren. Dem Bericht ist zu
entnehmen, dass es im Jahr 2000 bundesweit etwa 33.000 Beschäftigte in der 3


Windstrombranche gab - der Bundesverband für Windenergie nennt hier sogar 45.000
Beschäftigte. Es gibt allein 4.000 Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein, die direkt und
indirekt in der Windbranche tätig sind. Und die Steigerung der Anzahl der Windkraft-
anlagen belegt, dass wir es hier mit einem wachsenden Wirtschaftszweig zu tun haben.


Es gibt in Schleswig-Holstein - überwiegend an der Westküste - etwa 100 Firmen, die in
der Windenergiebranche tätig sind. Wir haben in Husum zwei große WKA-Hersteller und
einen in Lübeck. Dass diese Firmen sich strategisch an Standorte an den Küsten orientiert
haben, liegt unter anderem daran, dass gerade die Offshore-Windenergie ein
Energiemarkt der Zukunft ist. Für Schleswig-Holstein bedeutet das, dass wir direkt vor
unserer Haustür Märkte mit einem enormen Potential haben. Wir dürfen jedoch nicht die
Hände nicht in den Schoss legen, es muss alles dafür getan werden, dass die hier
ansässigen Firmen die notwendige Unterstützung bekommen, um im Bereich der
Offshore-Technik konkurrenzfähig zu bleiben. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir
auch, dass unser Bundesumweltminister endlich deutlich sagt, in welche Richtung es mit
der Offshore-Windkraft gehen soll.


Aber nicht allein mit der Windkraft werden wir den Atomausstieg hinbekommen. Wichtig hierbei ist der Energiemix mit Vorrang für erneuerbare Energieträger. Dass dies keine
Spinnerei ist, dürfte auch den letzten Zweiflern nach der großen internationalen
Renewables-Konferenz in Bonn vor wenigen Wochen klar geworden sein. Diese Konferenz
über erneuerbare Energien stellt einen großen Erfolg dar, weil man es geschafft hat, dass
150 Staaten eine Abschlusserklärung unterzeichnet haben, mit dem Ziel, 1 Mrd. Menschen
bis 2015 mit Energie aus Wind, Wasser und Sonne zu versorgen. Alle sind sich im klaren
darüber, dass dieser Art der Energiegewinnung die Zukunft gehört.


Dann klingt es wie Hohn, wenn sich die Unionsbrüder Merz, Koch und Stoiber hinstellen
und den Bau neuer Atommeiler für Deutschland fordern. Hier kann ich nur feststellen,
dass es sich um energiepolitische Geisterfahrer handelt, die nichts verstanden haben. Sie 4


ignorieren schlichtweg, dass die Bevölkerung diese Art von Energie nicht weiter wünscht.
So hat eine aktuelle Umfrage von FORSA ergeben, dass sich 79% der Bürger gegen den
Bau neuer Atomkraftwerke ausgesprochen haben und 51% lehnen es ab, die bestehenden
Atomkraftwerke länger zu nutzen als in der Atomausstiegsverein-barung vorgesehen.
Dies sind klare Ansagen an die Politik und wenn sich eine Volkspartei wie die Union diesen
Forderungen verschließt, ist das ein Zeugnis von Arroganz und Ignoranz dem Bürger
gegenüber. Aber der Kollege Kayenburg hat ja schon angekündigt, dass sich die Union in
Schleswig-Holstein nun doch mehr als Umweltpartei profilieren möchte. Dies kann sie
sicherlich am besten, in dem sie sich von den Atom-Gesellen aus dem Süden der Republik
scharf abgrenzt.


Aber auch die Behauptungen der Union, die Wirtschaft leide unter dem EEG, weil der
Strompreis gestiegen sei, ist völlig falsch. Die Auswirkungen des EEG werden bundesweit
auf die Stromtarife gleichmäßig verteilt. Dadurch entstehen keine Sonderlasten für
stromintensive Unternehmen. Im Gegenteil, stromintensiven Unternehmen wird durch
eine Härtefallklausel und Sonderverträgen die Möglichkeiten eingeräumt, den Strom in
einem Zeitraum von sechs Jahren etwa 18,7% günstiger zu beziehen. Von einer
zusätzlichen Belastung der Wirtschaft durch das EEG kann also keine Rede sein.

Ebenso ist es falsch zu behaupten, dass das EEG eine Subventionsmaßnahme für
Windstrom oder Strom anderer regenerativer Energieformen ist. Mit dieser Mär hat der
Europäische Gerichtshof bereits im März 2001 aufgeräumt, in dem er entschieden hat,
dass die Vergütungsregelungen des EEG nicht den Tatbestand einer staatlichen
Subvention erfüllen.


Und wenn im Zusammenhang mit regenerativer Energieerzeugung von Subventionen
gesprochen wird, dann möge man doch bedenken, über wie viele Jahrzehnte die
Atomenergie gefördert wurde und immer noch gefördert wird und zu welchem Preis die
Atomenergie ihren radioaktiven Müll entsorgt. 5


Also, wenn wir regenerativen Energieformen Anschubhilfen zukommen lassen, dann nur,
damit diese auf dem Markt Tritt fassen können und sich behaupten können.


Ich möchte noch einmal auf die erfolgreiche Renewables-Konferenz in Bonn
zurückkommen. Ich möchte hier noch einmal auf die Dimensionen und Potentiale
aufmerksam machen, die mit der Abschlusserklärung verbunden sind. Es ist unbestritten
ein riesiger energiepolitischer und klimapolitischer Erfolg. Und dies ist die politische
Botschaft, die von der Konferenz ausgeht.


Aber darüber hinaus, beinhaltet die Abschlusserklärung natürlich auch eine enorme
wirtschaftliche Komponente. Wenn es darum geht 1 Mrd. Menschen bis 2015 mit Strom
aus Wind, Wasser und Sonne zu versorgen, dann ist dies eine Größenordnung, die kaum
überschaubar ist.
Und dann ist es mir einfach unverständlich, wenn Herr Stoiber in diesen Tagen seinen
neuen veralteten Forschungsreaktor als „Leuchtturm der Innovation“ und als eine „High-
Tech-Jobmaschine“ bezeichnet. Das ist Blödsinn hoch drei. Atomenergie ist die
Energieform der Vergangenheit.

Die Zukunft gehört eindeutig den erneuerbaren Energieformen. Und daher ist es wichtig,
dass wir als Land Schleswig-Holstein hier nicht den Anschluss verlieren. Der Bericht macht
hier deutlich, dass im Bereich Forschung Lehre bei erneuerbaren Energieformen bereits
einiges an unseren Universitäten, Fachhochschulen und anderen Einrichtungen läuft.
Diese Entwicklung müssen wir weiter fördern. So erhalten wir den Vorsprung, den wir
derzeit auf diesem Sektor haben und grenzen uns scharf gegenüber energiepolitischen
Entwicklungsländern wie Bayern und Hessen ab.

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