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Karl-Martin Hentschel zur Hartz IV-Reform
Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.deGrüne für soziale Gerechtigkeit Nr. 299.04 / 07.09.2004Die Fraktionsvorstände von Bündnis 90/Die Grünen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben während eines Arbeitstreffens ein Positionspapier zur Hartz IV-Reform beschlossen. Dazu erklären die Fraktionsvorsitzenden Sylvia Löhrmann und Karl-Martin Hentschel:Angesichts der aktuellen öffentlichen Debatte um die Umsetzung der Arbeitsmarktrefor- men auf Bundesebene stellen die Grünen Fraktionen in Schleswig Holstein und Nord- rhein-Westfalen fest:- Die Reformen der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes sind notwendig.- Weiterentwicklungen und Verbesserungen müssen vorurteilsfrei diskutiert werden.Vor dem Hintergrund immer höherer Erwerbslosenzahlen und immer knapperer öffentli- cher Kassen musste eine Reform der sozialen Sicherungssysteme auf den Tisch. Aus grüner Sicht muss die Schaffung neuer Arbeitsplätze und gleiche Chancen im Zugang zum ersten Arbeitsmarkt Hauptziel einer Reform sein. Wir brauchen aber auch einen dauerhaften Sektor für Menschen ohne Chance im ersten Arbeitsmarkt, ähnlich wie es ihn schon für Menschen mit Behinderung als Werkstätten gibt.Grüne wollten schon lange mit der programmatischen Forderung der Einführung einer Grundsicherung die demütigende Bewilligungspraxis der Sozialhilfe abschaffen und für Arbeitssuchende Leistungen aus einer Hand einführen. Außerdem sollten alle den Zu- gang zu den aktiven Instrumenten des Arbeitsmarktes erhalten. Verschiebebahnhöfe sollten endlich beendet werden.Dies wird in Zukunft auch so sein.Im Rahmen der Arbeitsmarkt-Reform haben wir viele Forderungen, u. a. nach einem Mindestlohn eingebracht, aber uns als Grüne nicht durchsetzen können.1/3 Wir haben die Forderungen und unsere damit verbundenen Ziele nicht zu den Akten ge- legt; sondern werden diese kontinuierlich in die Diskussion einbringen. Aber auch den Umsetzungsprozess von Hartz IV begleiten wir aufmerksam. Wir benennen Defizite und fordern Lösungen.Soziale Kälte und Heuchelei hat einen Namen: CDUIn der aktuellen Debatte versucht die Union sich mit massiver Kritik an den Hartz IV - Reformen zu profilieren. Sie verleugnet dabei, dass sie in einem Existenzgrundlagenge- setz (EGG) vom 08.09.2003 deutlich schärfere Maßnahmen, als sie Hartz IV vorsieht, formuliert hat.So kritisierte Ministerpräsident Böhmer, dass bei Minijobs Arbeitslose nur 51 Euro behal- ten dürfen. Im EEG hatte die Union dagegen gefordert, dass unterhalb von 400 Euro kein einziger Euro behalten werden darf. Grüne haben immer gefordert, dass von jedem Euro bis 400 Euro 50Prozent nicht angerechnet wird.Ministerpräsident Böhmer kritisierte weiter, dass mit Umsetzung der Reformen für Ar- beitslose jeder Job als zumutbar anzusehen ist. In ihrem EEG hatte die CDU hingegen sogar gefordert, dass ein Umzug für einen befristeten Teilzeitjob zumutbar sein sollte. Weiterhin behauptet die CDU, dass Arbeitslosen Sparguthaben genommen werde. Auch das ist falsch, tatsächlich liegen die Freibeträge für alle ALG II-EmpfängerInnen höher als bisher.Der Gipfel der Unverfrorenheit war die Forderung Angela Merkels, dass die Einkommen von Eltern und Kindern unbegrenzt gegenseitig angerechnet werden sollten: eine junge Familie müsste dann auch noch das ALG II für ihre Eltern zahlen oder umgekehrt. Rot- grün hat hingegen durchgesetzt, dass die Eltern für ihre Kinder nur bis zum 25. Jahr haf- ten – Kinder für ihre Eltern gar nicht.Rot-Grünem Verhandlungsgeschick im Vermittlungsausschuss ist es darüber hinaus zu verdanken, dass sich die CDU nicht mit weiteren Forderungen durchsetzen konnte. So hatte die CDU gefordert, dass ALG II-BezieherInnen kein Auto besitzen dürfen, dass es keinerlei Kinderfreibeträge gibt, dass bei Regelverstößen das komplette ALG II und sogar das Wohngeld gestrichen werden kann.Die Leistungen sollten nach den Vorstellungen der CDU um ein Drittel niedriger ange- setzt und mit schärferen· Sanktionen (bis zur völligen Streichung) flankiert werden, die CDU wollte eine Unterhaltspflicht zwischen erwachsenen Eltern und Kindern; die CDU wollte keine Beiträge zur Rentenversicherung und keine verbindliche Krankenversiche- rungs-Mitgliedschaft, und vor allem wollte sie einen flächendeckenden Niedriglohnsektor mit Lohndumping einrichten.Soziale Weiterentwicklung hat einen Namen: GRÜNBei so komplexen Reformen wie der notwendigen Reform der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes sind Veränderungen an Details, die erst in der Diskussion der Praktiker und bei der realen Umsetzung zu Tage treten, nicht von vornherein auszuschließen. Für unbedingt erforderlich halten die Grünen Fraktionen in Schleswig-Holstein und Nord- rhein-Westfalen Weiterentwicklungen bei folgenden Punkten:- Die Zuverdienstmöglichkeiten müssen so ausgestaltet werden, dass „jeder zweite Euro bleibt“.- Die neuen "1-Euro"- bzw. "2 Euro"-Jobs müssen sinnvolle, gesellschaftlich notwendige Aufgaben umfassen und bisherige Tätigkeitsfelder tatsächlich ergänzen. Sie sollen Teil einer Qualifizierungskette sein. Sie dürfen keine öffentlichen, gemeinnützigen, sozialen oder gesundheitlichen Aufgaben substituieren oder reguläre Arbeitsplätze ersetzen und somit vernichten.- Es muss sichergestellt sein, dass gerade in der Arbeit mit Menschen nur diejenigen eingesetzt werden, die dies auch wollen.- Es muss gewährleistet sein, dass erwerbsfähige Frauen, die keinen Anspruch auf ALG II haben, Zugang zu allen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten haben.- Frauen, die sich aufgrund einer akuten Notsituation in einem Frauenhaus aufhalten, müssen einen Anspruch auf ALGII haben ohne unmittelbar zur Arbeit herangezogen werden zu können.- Die Eckregelsätze für Kinder ab dem siebten Lebensjahr müssen mindestens das bis- herige Niveau aus einmaligen und regelmäßigen Leistungen betragen.- Die Kosten der Gesundheitsreform müssen entsprechend in die Regelsatzberechnung aufgenommen werden. Sozialhilfe und ALG-II EmpfängerInnen müssen auch die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente in ihre Leistungen aufgenommen be- kommen.- Es muss gewährleistet werden, dass private Rentenversicherungen nicht gekündigt werden müssen.Die Grünen Fraktionen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen begrüßen, dass sowohl der SPD Bundesvorsitzende Müntefering als auch der Grünen Bundesvorsitzen- de Bütikofer Bereitschaft signalisiert haben, nach Anlaufen der Arbeitsmarktreformen die Gesetzesregelungen zu evaluieren.Arbeitsagentur, Bundesländer und Kommunen müssen unter allen Umständen sicherstel- len, dass die neuen Leistungen pünktlich an die betroffenen Personen ausgezahlt wer- den.Darüber hinaus sollten alle Beteiligten ihren Teil dazu tun, dass die aktivierenden Leis- tungen so schnell wie möglich bereitgestellt und die nötigen Mittel freigegeben werden. Denn es muss klar sein, dass Fördern und Fordern zwei Seiten ein und derselben Me- daille sind.Die Grünen Landtagsfraktionen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden sich weiterhin auf allen Ebenen mit allen Kräften für die skizzierten Verbesserungen ein- setzen. ***