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22.09.04 , 15:08 Uhr
B 90/Grüne

Karl-Martin Hentschel zum Luftverkehrskonzept

Fraktion im Landtag PRESSEDIENST Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Es gilt das gesprochene Wort! 24105 Kiel
Durchwahl: 0431/988-1503 TOP 13 – Luftverkehrskonzept Zentrale: 0431/988-1500 Telefax: 0431/988-1501 Mobil: 0172/541 83 53 Dazu sagt der Vorsitzende E-Mail: presse@gruene.ltsh.de der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Internet: www.gruene-landtag-sh.de
Karl-Martin Hentschel: Nr. 316.04 / 22.09.2004



Schleswig-Holsteins Flughafen heißt Hamburg Airport Die FDP war bisher entschieden für den Flughafen und hat nun ihre Meinung geändert. Das ist ehrenwert. Offensichtlich hat sie die Schwäche ihrer bisherigen Position erkannt und stellt nun den nachvollziehbaren Antrag, dass die Landesregierung ein aktuelles Konzept für den Luftverkehr vorlegt.
Das ist auch dringend nötig. Wenn die Subventionen in die Flughäfen Kiel und Lübeck um so schneller steigen, je mehr die Flughäfen in die Defizite geraten, dann wird es Zeit einmal nachzudenken.
Kiel-Holtenau soll trotz drastisch sinkender Passagierzahlen auf jetzt 2206 Meter ausge- baut werden. Also 1.799 Meter plus 300 Meter overrun plus 106 Meter, die angeblich nicht mehr genutzt werden können.
Der Finanzdeckel des Landes liegt bei 20,2 Millionen Euro. Andererseits soll auch Lü- beck weiter ausgebaut werden, hier sind aus dem Regionalprogramm 5 Millionen Euro locker gemacht worden für die Installation eines ILS CAT II, weil Ryanair das will.
Da macht die Frage nach einem Konzept Sinn. Aber ein solches Konzept sollte dann auch eine Stellungsnahme zu der Krise der Regionalflughäfen in Deutschland abgeben, aufgrund derer viele Experten vor Investitionsruinen warnen.
Vergleicht man das neue Gutachten mit dem vorigen und dann noch mit den aktuellen Zahlen, dann scheint das Projekt Holtenau politisch mausetot zu sein. Deswegen ist es er- freulich, wenn das Kabinett jetzt kurzfristig zu einer Entscheidung kommen will, und zwar deutlich vor der Landtagswahl. In Kiel melden sich die Ausbaubefürworter schon fast nicht mehr zu Wort, zu schlecht sind die Passagierzahlen. 1/3 Lagen der Ausbauentscheidung im Kieler Rathaus durch SPD und CDU noch die Erwar- tung zugrunde, dass 2003 185.000 Passagiere fliegen würden, so flogen tatsächlich nicht mal die Hälfte, nämlich 82.000. In 2004 sollten es sogar 201.000 sein, geschätzt werden nach den vorliegenden Zahlen bis August 2004 ca. 55.000 – als nur noch ein Viertel.
Davon stammen 13.000 Passagiere von der EAE-Linie Kiel-Köln/Bonn, die als An- schubmaßnahme für zwei Jahre von allen Gebühren freigestellt wurde. Entsprechend steigen die Defizite der Kieler Flughafengesellschaft auf über 2 Millionen Euro in 2004, und der Landeshaushalt ist immer mit 50 Prozent dabei. Deswegen unterstütze ich die Forderung des Landesrechnungshofes nach einem Ausstieg der Landesregierung aus der Flughafengesellschaft.
Nun liegen neue Prognosen vor, die erneut ein jährliches Wachstum von 3 Prozent bzw. 2,2 Prozent voraussagen und hohe Zuwächse bis 2010 prognostizieren. Rechnet man al- lerdings die prognostizierten Zahlen für 2010 zurück, dann kommt man auf Zahlen, die um 23 Prozent bis 42 Prozent über denen von 2003 liegen bzw. um bis zu 63 Prozent unter den geschätzten Zahlen von 2004.
Der Gutachter hat also nicht nur das Wachstum frei erfunden, sondern auch noch gleich die Ausgangsdaten. Solche Gutachten können nicht die Grundlage einer Förderent- scheidung von Millionen Euro durch das Land sein. Sollten diese Widersprüche nicht ge- klärt werden können, dann muss auch über eine zugesagte Förderung durch das Land noch mal geredet werden.
Im Unterschied zu Kiel hat der Lübecker Flughafen Blankensee durch Ryanair einen e- normen Aufschwung bei den Passagierzahlen erreicht. Ein wirtschaftliches Ergebnis hat sich aber trotzdem nicht eingestellt. Wie der Presse zu entnehmen ist, sind seit 2001 Ver- luste in Höhe von 9 Millionen Euro aufgelaufen. Die Betriebsverluste der Flughafengesell- schaft allein für 2004 werden auf 3,5 Millionen Euro geschätzt – liegen also trotz höherer Passagierzahlen fast beim Doppelten der von Kiel Holtenau.
Das muss die Stadt Lübeck ganz allein aus ihrem Haushalt bezahlen. Seit 2003 gilt ein Mengenrabatt-Tarif für Ryanair, so dass die Passagierentgelte nicht proportional zu den Passagierzahlen wachsen. Die Fluggäste der Ryanair-Maschinen werden also bei wach- sender Zahl um so stärker aus dem Lübecker Haushalt subventioniert.
Aber auch in Blankensee wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Die Linie Lübeck- Stockholm ist ab Mitte Januar 2004 von 2 mal täglich auf ein Mal täglich umgestellt wor- den. Auch die London-Linie ist von Ende April bis Mitte August 2004 von dreimal täglich auf zweimal täglich ausgedünnt worden. Nun könnte man sagen: Das ist das private Vergnügen der Hansestädter. Aber wenn dann das Land auch noch Millionen dazu ge- ben soll, damit die Lübecker noch schneller in ihr Verderben marschieren, dann fragt man sich, ob das Sinn macht, oder ob das nicht viel mehr bald ein Fall für die Kommu- nalaufsicht wäre. Angesichts dieser Zahlen lassen sich jedoch die Flughafenbefürworter nicht entmutigen. Nun wird erneut eine Diskussion über die bisher reinen Militärflughäfen Jagel und Hohn losgetreten.
Angesichts der Lage dieser Flughäfen spricht zwar wenig dafür, wieso sich ausgerechnet von dort ein größeres Passagierpotential erschließen soll – es müsste ja aus der KERN- Region kommen, das nicht mal für den zentralen Standort Kiel reicht – aber man könnte ja zumindest ein paar Baufirmen fördern, in dem man wieder einmal Regionalmittel in Millionenhöhe verbaut.
Zu dem Transportflughafen in Jagel haben die Fluggesellschaften denn auch gleich mü- de abgewinkt. Hier muss ich dem CDU-Bundestagsabgeordneten Börnsen Recht geben, wenn er nach dem Abwinken der Lufthansa sagte: „Damit ist das Thema Frachtflug von Jagel aus für uns vom Tisch. (...) die möglichen Zukunftsperspektiven für Jagel durch den CDU-Landesvorsitzenden PHC bleiben was sie waren: Denkanstöße.“ Zu Deutsch, der Kandidat hat mal wieder Unsinn nachgeplappert ohne Fakten zu recherchieren.
Der Grund für diese schwachen Zahlen sind die schlichte Tatsache, dass Schleswig- Holstein bereits durch einen ausgezeichneten internationalen Flughafen hervorragend angebunden ist, von dem aus alle in Frage kommenden Destinationen mehrfach täglich preisgünstig angeboten werden.
Jährlich nutzen ca. drei Millionen Passagiere aus Schleswig-Holstein den Hamburger Flughafen. Die Entfernungen aus den Großräumen von Lübeck oder Kiel sind mit ca. ei- ner Stunde ausgesprochen kurz. Ja selbst Passagiere aus dem Süden von München, dem Süden von Hamburg oder dem Norden von Köln oder aus der hessischen Landes- hauptstadt Wiesbaden brauchen länger oder gleich lang zu ihrem Flughafen wie die Bür- ger von Kiel und Lübeck.
Wem das nicht genügt, dem kann auch geholfen werden. Die Anbindung zum Hamburg Airport kann noch erheblich verbessert werden. Deshalb drängen wir GRÜNEN weiter auf eine direkte schnelle Schienenanbindung von Neumünster über Kaltenkirchen, Norderstedt zum Flughafen und dann weiter zum Hamburger Hauptbahnhof. Dieser Hauptstadtexpress kann aus meiner Sicht zur weitaus wirtschaftlichsten Schienenstrecke in Schleswig-Holstein werden.
Die Landesregierung hat mit ihrer Förderentscheidung vor zwei Jahren dem Ansinnen der Stadt Kiel Rechnung getragen, die den Ausbau des Flughafens zu ihrem wichtigsten Projekt erklärt hat. Die GRÜNEN waren dagegen, haben aber als kleinerer Koalitions- partner nachgegeben – auch so etwas kommt einmal vor. Jetzt, wo vieles dafür spricht, dass diese Einschätzung in doppelten Sinne falsch war, sollte es möglich sein, noch einmal darüber nachzudenken. Die neue Kooperation in Kiel will demnächst über diese Frage entscheiden. Ich hoffe nun, dass der kaufmännische Verstand siegt.
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