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23.09.04 , 16:09 Uhr
CDU

Herlich Marie Todsen-Reese: Kormoranbestand dauerhaft sichern – Regulierung mit Augenmaß und Verstand

Nr. 472/04 23. September 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Umweltpolitik TOP 27 Herlich Marie Todsen-Reese: Kormoranbestand dauerhaft sichern – Regulierung mit Au- genmaß und Verstand Ausgerechnet den schwarzen Vögeln – insbesondere den Kormoranen – lässt die rot-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein seit Jahren freien Raum. Fisch aus der Region für die Region – nicht aufgetischt für Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner und für unsere Gäste – sondern für Phalacrocorax carbo sinen- sis, für den Kormoran! (Festland-Kormoran)
Wieder ein typisches Beispiel für rot-grüne ideologische Umweltpolitik: Für einen Na- turschutz, bei dem der Mensch nur als störend und nicht mehr als Bestandteil der Natur empfunden wird!
Ende des 19. Jahrhunderts galt der Kormoran in Deutschland als ausgerottet. Etwa ab 1980 siedelte er sich in Schleswig-Holstein wieder an. Der Brutbestand und die Gesamtpopulation wuchsen schnell an und damit auch die Konflikte, insbesondere mit den Fischern, Teichwirten und Anglern.
Zunächst einige Angaben zur Bestandsentwicklung in Schleswig-Holstein.
Ausweislich eines Berichtes des Umweltministeriums von 01. Februar 2001 wuchs der Brutbestand in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre schnell an und pendelte sich nach Erreichen eines Maximums von 3.203 Paaren im Jahr 1995 zunächst bei etwa 2.600 Brutpaaren an 10 Brutplätzen ein. Inzwischen sind leichte Rückgänge zu ver- zeichnen. Laut Jagd- und Artenschutzbericht der Landesregierung wurden 2001 an 9 Brutplätzen 2.576 Brutpaare gezählt. Im Bericht 2003 werden 2.223 Brutpaare in 10 Kolonien angegeben.
Leider enthält der Jagd- und Artenschutzbericht nur wenige Angaben zu den vaga- bundierenden Jungvögeln und zu den Durchzüglern, die gerade in den Sommermo- naten bei uns zu Gast sind.
Aber der bereits erwähnte Bericht vom 01. Februar 2001 gibt Aufklärung: Danach lag das Maximum der Durchzügler im Jahr 1992 bei etwa 12.000 Kormoranen – in 2000 wurde im Juli 8.259 Kormorane erreicht. Laut Artenschutzbericht 2003 haben wir 2.223 Brutpaare in zehn Kolonien. In den Sommermonaten sind es zusammen mit den vagabundierenden Junggesellen, den Einzelgängern und den Brutpaaren über 10.000 Kormorane in Schleswig-Holstein. Auch wenn inzwischen leichte Rückgänge zu verzeichnen sind, ist klar: Von einer bedrohten Art kann hier nicht mehr die Rede sein – und das ist gut so!
Die Bestandsentwicklung hat folgerichtig zu rechtlichen Konsequenzen geführt. Be- reits Anfang 2002 wurde bekannt, dass die EU den Kormoran aus der Liste der ge- fährdeten Tierarten gestrichen hat. Unabhängig davon ist aber auch weiterhin die EU-Vogelschutzrichtlinie zu beachten.
2.223 Kormoranpaare – insgesamt in den Sommermonaten über 10.000 Kormorane in Schleswig-Holstein: Was bedeutet das einerseits für unsere Fischbestände, für unsere Fischereibetriebe und Angler? Und welcher Bestand ist andererseits notwen- dig, um den Kormoran dauerhaft in Schleswig-Holstein zu sichern?
Diese hohe Individuenzahl bedeutet inzwischen harte, zum Teil existenzgefährdende Konkurrenz.
Auch hierzu wenige Zahlen vorweg: 1955 hatten wir noch 500 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe der Seen- und Flussfi- scherei in Schleswig-Holstein mit einem Gesamtfang von 655 Tonnen auf insgesamt 27.000 Hektar Gewässerfläche. 2002 sind es nur noch 32 Betriebe mit einem Gesamtfang von 144 Tonnen auf 14.250 Hektar Gewässerfläche und 2003 nur noch 30 Betriebe.
Nun bin ich weit davon entfernt, für diesen einschneidenden Strukturwandel allein – oder in erster Linie – den Kormoran verantwortlich zu machen. Wir wissen alle, dass dafür zunächst andere Faktoren zu nennen sind: Dazu gehören die Globalisierung der Märkte ebenso wie die ungünstigen Rahmenbedingungen in Deutschland (Löh- ne, Lohnnebenkosten, hohe Energiekosten) und die damit verbundenen Wettbe- werbsverzerrungen. Dazu gehört aber auch der Rückgang der Aalerträge – und auch dafür ist keineswegs der Kormoran allein verantwortlich zu machen. Ursächlich ist hier insbesondere die totale Überfischung der Glasaalbestände im Bereich des Sar- gasso-Meeres zu nennen (mit Verknappung und Verteuerung).
Aber richtig ist auch, dass unsere Fischer und Teichwirte, aber auch die Angler an- gesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage keine so starke zusätzliche Konkur- renz mehr verkraften können, wie sie von den Kormoranbeständen ausgehen!
Die aktuelle „Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung „Binnenfischerei Schleswig- Holstein“ – Seen- und Flussfischerei“ – von Prof. Dr. Knösche vom Institut für Bin- nenfischerei e. V. Potsdam – Sacrow aus diesem Jahr gibt darüber aufschlussreiche Informationen.
Prof. Knösche bezeichnet darin die hohen Kormoranbestände als das schwerwie- gendste externe Problem der See- und Flussfischerei in Schleswig-Holstein – insbe- sondere für die Aalbestände. Er betrachtet den Kormoran als Schlüsselfaktor für eine Ertragssteigerung in den Binnengewässern Schleswig-Holsteins. Zur Erhöhung der Aalerträge stellt Prof. Knösche fest: „Generell besteht ein Problem in der Konkurrenz zwischen Kormoran und Fischer. … Allein durch Ausschaltung des Aalfraßes durch Kormorane könnten die mittleren Erlöse um etwa 26,- € / Hektar ge- steigert werden. Das ist natürlich unrealistisch, denn niemand will den Kormoran in Schleswig-Holstein ausrotten. Aber eine Bestandsreduzierung um mindestens die Hälfte der derzeitigen Populationsgröße scheint angemessen.“ (S. 52) Soweit Prof. Knösche!
Das würde bei einer Halbierung der derzeit 2.223. Brutpaare eine Zahl von zukünftig rund 1.110 Brutpaaren bedeuten sowie eine Reduzierung des derzeitigen Sommer- bestandes von 10.000 Kormoranen auf 5.000 Kormorane!
Stellt sich also die Frage, ob der Kormoranbestand in Schleswig-Holstein trotz einer solchen Reduzierung gesichert werden kann.
Diesen Aussagen möchte ich jetzt einige Aussagen aus dem Jahr 1986 gegenüber- stellen. In der „Grünen Mappe 1986“ des Landesnaturschutzverbandes Schleswig- Holstein hat sich dieser unter dem damaligen Vorsitzenden, Prof. Dr. Berndt Heyde- mann, auf den Seiten 7 und 8 u. a. auch zur Kormoranthematik geäußert. Auch dabei ging es schon um einen vom damaligen MELF vorgestellten Entwurf einer Richtlinie zur „Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden durch Kormorane.“
Die Überschrift ist eindeutig, ich zitiere (S. 7): „Abschussregelung für Kormorane – vom LNV nicht tolerierbar“ und die erste Forderung des LNV ist ebenso klar, ich zitie- re (S. 7): „Der Kormoran muss als eine in der Bundesrepublik vom Aussterben be- drohte Vogelart in Schleswig-Holstein vollständig geschützt bleiben“. (S. 7)
Diese Aussagen werden hier niemanden erstaunen. Von Bedeutung sind aber die Forderungen Nr. 2, 6 und 7, ich zitiere (S. 7 und 8): „2. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, dass in Schleswig-Holstein mindes- tens ein Brutbestand von 500 Brutpaaren ansiedlungsfähig und dauerhaft erhalten bleibt. …6. Für den Fall, dass dauerhaft ein gesicherter Brutbestand von mindestens 500 Brutpaaren des Kormorans in Schleswig-Holstein überschritten wird, müssen wissenschaftliche Untersuchungen angesetzt werden, die sicherstellen, dass dann eine mögliche Regulation des Kormoranbestandes ohne Abschuss erfolgen kann. 7. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass auch außerhalb der Brutzeiten eine Population in einem Umfang in Schleswig-Holstein angesiedelt bleibt, die der Größenordnung von 500 brütenden Paaren angemessen ist. Es ist davon auszugehen, dass dafür mindestens ein Kormoranbestand von 2.000 Individuen erforderlich ist. …“.
Selbst wenn wir den heutigen Bestand um die Hälfte reduzieren würden – hätten wir noch immer einen Bestand, der mehr als doppelt so hoch ist, wie von Prof. Dr. Hey- demann seinerzeit gefordert!
Aus diesen Aussagen lässt sich herleiten, dass mit einem Bestand von mindestens 500 Brutpaaren und einem Gesamtbestand von 2.000 Individuen der Kormoran dau- erhaft in Schleswig-Holstein gesichert werden kann.
Seit dieser Stellungnahme des LNV in 1986 hat es viele Versuche gegeben, das Kormoranproblem zu lösen. Es gab: Richtlinien, Eckpunkte-Papiere, „Runde Tische“, Parlaments- und Ausschussinitiativen. Aber gelöst ist das Problem nach wie vor nicht, weil alle bisherigen Lösungsansätze nur halbherzig waren – einfach immer wieder Makulatur! Und sicherlich auch, weil unser „Schwarzer Vogel“ besonders plietsch ist.
Vergrämungsmaßnahmen haben eigentlich fast nur einen Vertreibungseffekt. Der Kormoran siedelt sich dann dort an, wo er sich weitestgehend sicher, geschützt und ungestört fühlt – das heißt bevorzugt in Schutzgebieten. Und gerade dort darf man ihm nach derzeitiger Rechtslage nicht beikommen.
Die bisherigen Regelungsversuche der Landesregierung sind nach wie vor viel zu bürokratisch, realitätsfern und erfolglos.
Deshalb haben wir eine Verordnung eingebracht, die es ermöglicht, den hohen Be- stand der Kormorane mit Verantwortung, Verstand und Augenmaß zu reduzieren. Dabei haben wir darauf geachtet, dass die Verordnung die Vorgaben der EU- Vogelschutzrichtlinie erfüllt!
Ziel muss sein, einen dauerhaften Kormoranbestand zu sichern, der sich mit den na- turnahen Voraussetzungen unserer Kulturlandschaft verträgt.
Ziel muss aber auch sein, unserer Fischerei verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Dieses traditionelle Handwerk gehört zur Identität Schleswig-Holsteins; es bietet immer noch Arbeitsplätze im ländlichen Raum und Attraktion für unsere Gäste – und zwar sowohl für das Auge beim Erleben wie auch für Gaumen und Magen beim Verspeisen – kaum eine Speisekarte findet sich noch ohne ein Gericht mit Fisch aus heimischen Gewässern.
Ziel muss also auch sein, dass dieses wertvolle Lebensmittel Fisch aus der Region für die Region auch zukünftig angeboten werden kann. In einer Broschüre „Fisch“ des Fisch-Informationszentrums Hamburg heißt es, ich zitiere (S. 47): „Wer regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche Seefisch isst, ist einfach besser drauf“, empfiehlt Sonja Redmann, Ernährungswissenschaftlerin im Fisch- Informationszentrum Hamburg, „und das liegt nicht nur am guten Geschmack! Dank einer einzigartigen Nährstoffzusammensetzung bringt Fisch unsere grauen Zellen in Hochform.“
Nach dem bekannten Motto „Aus der Region, für die Region“ wollen wir weiterhin Fisch aus schleswig-holsteinischen Gewässern auf den Tisch. Überlassen wir also diese hervorragende Gehirn-Nahrung nicht allein den plietschen Kormoranen!
Da es höchste Zeit wird, dass wir endlich eine vernünftige Lösung bekommen, bean- trage ich Abstimmung in der Sache.

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