Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

11.11.04 , 10:18 Uhr
CDU

Martin Kayenburg: Bundeswehrabbau – der Bund darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen

Nr. 527/04 11. November 2004


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG PRESSESPRECHER Torsten Haase Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de

Wirtschaftspolitik TOP 28 und 36 Martin Kayenburg: Bundeswehrabbau – der Bund darf sich nicht aus der Ver- antwortung stehlen
Verteidigungsminister Struck hat mit den jetzt bekannt gemachten Standortschlie- ßungen und der Umstrukturierung der Bundeswehr Schleswig-Holstein erneut be- nachteiligt. Die wirtschaftlichen, Arbeitsmarkt belastenden, strukturpolitischen und vor allem die sozialen Folgen der Entscheidung aus Berlin sind • für die betroffenen Soldatinnen und Soldaten bitter, • für Wirtschaft und Mittelstand nachteilig, • für die Bürger in den betroffenen Regionen Existenz gefährdend und • für Schleswig-Holstein insgesamt katastrophal.
Wir haben bei den vorangegangenen Truppenreduzierungen bereits harte Einschnit- te hinnehmen müssen. Was nun geschieht und bis zum Jahre 2010 realisiert werden soll, ist der totale Aderlass, der Tod mancher Gemeinde in unserem Land.
Strucks Basta-Manie ist bürgerfeindlich, rücksichtslos und arrogant.
Ob Olpenitz, Segeberg, Kellinghusen, Breitenburg, Albersdorf, Rendsburg oder eine andere betroffene Kommune: alle diese Städte und Gemeinden werden über lange Zeit durch die Standortschließungen belastet sein.
Und was hat die Landesregierung unternommen? Offensichtlich viel zu wenig!
Wo waren Sie denn, Frau Simonis, als die Entscheidungen vorbereitet wurden? Sie haben uns doch erzählt, Sie hätten mit Herrn Struck geredet. Das Ergebnis der Ge- spräche ist aber gleich Null.
Erreicht haben Sie für unser Land jedenfalls nichts - entweder weil Ihre Argumente in Berlin nichts gelten oder weil Ihnen die Entwicklung ziemlich gleichgültig war. Gleichgültig, welcher Grund vorliegt, er zeigt erneut die Unfähigkeit Ihrer Regierung.


Warum waren andere denn erfolgreicher? Schauen Sie doch einmal nach Sachsen. Herr Milbradt hat es doch geschafft. Er hat seinen Wahlkampf Wahlkampf sein las- sen, ist nach Berlin gefahren und hat dort um den Erhalt von Bundeswehrstandorten in Sachsen und um Konversionsmittel erfolgreich gekämpft.
Wieso konnten Sie das nicht? Oder lag es eher daran, dass man sich unter Genos- sen gegenseitig keinen Ärger macht? Galt etwa eine Maulkorbregelung zu Lasten unseres Landes, zu Lasten unser Bürgerinnen und Bürger und zu Lasten der Solda- tinnen und Soldaten?
Für die Misere, die Schleswig-Holstein jetzt durch die Bundeswehrstrukturreform er- leidet, sind Sie, Frau Simonis, und Herr Struck verantwortlich. Sie haben unser Land schon haushaltspolitisch an den Rand des Ruins gebracht und nun sind Sie auch noch beim Kampf um den Erhalt von Bundeswehrstandorten erfolglos.
In der Öffentlichkeit geben Sie die Betroffene. Gleichzeitig verkünden Sie ein angeb- liches Konversionsprogramm, das kaum zusätzliche Mittel enthält, das regional un- gerecht ist und das unsolide finanziert ist.
Nachträglicher Aktionismus ersetzt eben keine vorausschauende Aktivität.
Für die betroffenen Standorte muss es doch wie Hohn klingen, wenn Sie heute sa- gen, Sie wollten mit den Kommunen beratschlagen, was zu tun sei. Wo waren Sie denn, als zum Beispiel die Bürger von Kappeln sich frühzeitig für Olpenitz eingesetzt haben? Sie schlagen sich doch in die Büsche, wenn Sie erklären, Ihre Regierung hätte nie die Stimme erhoben, dass überhaupt nichts geschehen sollte. Schließlich hätten Sie auch bei den Vorgängerregierungen immer mitgemacht. Sie würden sich an Weizsäckers Zahlen - Sie meinen damit wohl: an die Empfehlungen der „Weizsä- cker-Kommission zur Bundeswehr-Reform“ - halten und die Anpassung sei wegen der Weltlage erforderlich. - Wenn das wirklich so ist, dann müssen Sie nun wenigs- tens begründen, warum Schleswig-Holstein wieder einmal überproportional betroffen ist.
Und sagen Sie uns doch konkret, was Sie denn getan haben, um die Entscheidung des Herrn Struck zu beeinflussen oder um wenigstens vorbeugend ein Krisenmana- gement für die betroffenen Standorte zu organisieren.
Und was heißt es denn, wenn Sie sagen: Nicht alle unsere Forderungen beim BMVg waren erfolgreich? - Welche waren denn erfolgreich? Sie kennen doch weder die militärpolitischen noch die betriebswirtschaftlichen Kriterien, die für Standortschlie- ßungen und Verlagerungen maßgeblich sind, - angeblich weil die Ministerpräsiden- ten in militärischen Dingen kein Fragerecht hätten. Mit Verlaub - das ist doch gerade- zu lächerlich!
Die militärpolitischen Fragen finden Sie in verschiedenen Fachzeitschriften - zum Beispiel in „Soldat und Technik“ - und die betriebswirtschaftlichen Daten stehen nicht unter dem strikten sicherheitspolitischen Vorbehalt. Das Ganze beweist doch nur, dass Sie sich viel zu wenig um diese Probleme gekümmert haben. Und nun zu Ihrem sogenannten Landeskonversionsprogramm. Das ist unehrlich, un- ausgewogen und ungerecht. Sie tun so, als stellten Sie 22 Millionen Euro zusätzlich für von Standortschließungen betroffene Kommunen zur Verfügung.
Tatsächlich steuern Sie cirka 15 Millionen Euro aus einem vorhandenen Programm um. Sie entziehen also anderen Projekten, die aus GA-Mitteln hätten gefördert wer- den können, diese Gelder. Es sollen dann weitere cirka 5 Millionen Euro hinzukom- men, deren Herkunft Sie bisher nicht offen legen. Das nenne ich eine Mogelpackung! Und wenn Sie weitere 2 Millionen Euro - immerhin 4/5 der Kosten einer Wildbrücke - für die Regionen vorsehen, die nicht unter die Gebietskulisse der Regionalprogram- me fallen, so ist das für mich in höchstem Maße ungerecht und lässt jedes Augen- maß vermissen. Im Übrigen fehlt auch hierfür die Gegenfinanzierung.
Natürlich wollen wir ein Konversionsprogramm, aber ein solide finanziertes. Aus struktur- und beschäftigungspolitischen Gründen teilen wir auch Ihre Auffassung, dass die betroffenen Bundeswehrliegenschaften verbilligt an die jeweiligen Kommu- nen oder an ansiedlungswillige Unternehmen veräußert werden - wie Sie unserem Antrag leicht entnehmen können.
Der Vorschlag, dies für einen Euro zu ermöglichen, ist sicher richtig, wenn eine Bes- serungsklausel vereinbart wird. Falsch ist es aber, wenn Sie den Eindruck erwecken, der Haushaltsauschuss des Bundestages hätte wissen lassen, das ginge nicht, weil der Rechnungshof interveniert hätte.
Das ist doch blanker Unsinn. Und wenn das so wäre, warum schreiben Sie dann an den Haushaltsausschuss mit der Bitte, entsprechende Beschlüsse zu fassen? Der Gesetzgeber kann natürlich so entscheiden und unsere CDU-Kollegen im Deutschen Bundestag haben auch entsprechende Anträge gestellt. Ihre SPD-Genossen weigern sich jedoch, Ihnen zu folgen. Rot/Grün hat doch gestern im Haushaltsausschuss Ih- ren Antrag abgelehnt und Sie im Regen stehen lassen. Damit wurde unserem Land erneut schweren Schaden zugefügt.
Die Kosten für den Abbau etwaiger Altlasten sollen nach unserer Auffassung vom Bund übernommen werden. Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass sich diese Liegenschaften zu schwarzen Finanzlöchern für die ohnehin kaum noch ausgeglichenen Kommunalhaushalte entwickeln. Auch deswegen warte ich mit Spannung auf das Abstimmungsverhalten der SPD hier im Parlament. Wir werden sehen, ob Rot/Grün Ihre vollmundigen Forderungen mit trägt und unserem Antrag zustimmt.
Und was ist eigentlich mit einer zeit- und sachgerechten, schriftlichen Information der jeweils zuständigen Bürgermeister über Zeitabläufe und Daten der weiteren Pla- nung? Wie sollen kommunale Planungen aussehen, wenn nicht feststeht, wann die Auflösungen erfolgen, ob noch Auslandseinsätze erfolgen und wann das im Standort verbleibende Funktionspersonal abgezogen und die Liegenschaften endgültig frei werden?
Unklar ist auch, wie Sie die Investitionen kompensieren, die Kommunen und Unter- nehmer im Vertrauen auf einen dauerhaften Erhalt der Standorte getätigt haben und die sich heute als Fehlinvestition erweisen? Wie wollen Sie den gesellschaftlichen Qualitätsverlust ausgleichen? Dazu haben wir von Ihnen, Frau Simonis, bis heute überhaupt nichts gehört. Und wie klären Sie den Widerspruch, dass Ihr Wirtschaftsminister Rohwer auf eine schnelle Antragsabgabe drängt, wäh- rend der Vertreter der gebb (Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH) eher langfristigere Antragsverfahren für sinnvoll hält? Könnte der
Aktionismus von Herrn Rohwer im Auslaufen der GA-Förderung in 2006 begründet sein? Wenn das so ist, dann sagen Sie doch, dass Sie keine eigenen Landesmittel über 2005 hinaus einsetzen wollen!
Die Standortentscheidungen der Bundeswehr sollten laut der Erklärung der Bundes- regierung ausschließlich nach vorgegebenen militärischen, funktionalen und be- triebswirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Strukturpolitische Gesichtspunkte wurden nicht berücksichtigt. Wir sind jedoch der Auffassung, dass diese rein verteidigungs- politische Maßnahme die Bundesregierung nicht von ihrer ganzheitlichen strukturpoli- tischen Verantwortung entbindet.
Strucks Entscheidung ist aber auch für den Katastrophenschutz des Landes eine Katastrophe. Die Bundeswehr hat stets eine wichtige Rolle für die Sicherheit der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner auch in Friedenszeiten einge- nommen.
Bei dem derzeit geplanten Truppenabbau könnten wir kaum einen Elbdeichbruch oder eine Schneekatastrophe bewältigen. Und der Hinweis von Herrn Buß, dass Boostedt und Lütjenburg hier aushelfen könnten, ist natürlich unsinnig, weil einerseits der Stab und die Befehlsstrukturen fehlen, und andererseits die Logistik durch die Binnenlandlage problematisch erscheint.
Der Einsatz der Bundeswehr bei der Oderflut war doch vor allem deswegen so se- gensreich und wirksam, weil es eine verantwortliche Führung vor Ort gab. Die fehlt aber künftig in Schleswig-Holstein.
Herr Struck nimmt außerdem sehenden Auges in Kauf, dass mit der neuen Struktur die Wehrpflicht stark gefährdet wird. Damit stellt sich die Verfassungsfrage.
Mit dem einhergehenden Qualitätsverlust und der Veränderung der Befehlsstrukturen ist natürlich auch die Fähigkeit, Auslandseinsätze und Blauhelmeinsätze durchzufüh- ren, mehr als in Frage gestellt.
Das allerdings wird dem grünen Außenminister nicht gefallen, weil er diese Einsätze forciert, ja der Welt geradezu Angebote aufdrängt, um sich einen Sitz im Sicherheits- rat zu erkaufen. Aber unabhängig davon stellt sich die Frage, ob wir unserer interna- tionalen Verantwortung noch gerecht werden können und ob wir den Weg von einer demokratisch eingebundenen Wehrpflichtarmee hin zu einem Freiwilligenheer wirk- lich wollen. Auch hier fehlt Ihre klare Festlegung.
Wir jedenfalls wollen die Wehrpflicht erhalten, ohne Wenn und Aber.
Sie, Frau Simonis, stehen jetzt in der Pflicht und in der Verantwortung, eine wir- kungsvolle, mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattete Strukturpolitik für unser Land zu gestalten.

Download PDF

Pressefilter

Zurücksetzen