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Karl-MartinHentschel zur Rücktrittsforderung an Anne Lütkes
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 38 – Entlassung der Justizministerin Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der Fraktionsvorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 von Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 405.04 / 15.12.2004Ministerin Lütkes hat ihre Verantwortung wahrgenommen!Sehr geehrter Herr Präsident , sehr geehrte Damen und Herren,ein Gewaltverbrecher ist aus einer Haftanstalt in Schleswig-Holstein entflohen und hat einen Menschen kaltblütig ermordet. Das ist ein Anlass für alle Beteiligten und insbeson- dere die zuständige Ministerin, genauesten zu klären: Welche Fehler haben die Flucht des Gefangenen ermöglicht? Gibt es Fehler in der Einrichtung, Ausstattung oder bei den Regularien der Justizvollzugsanstalt Lübeck? Hat die Ministerin in den vergangenen Jah- ren alles Nötige getan, um die Sicherheit in den Haftanstalten zu gewährleisten?Meine Damen und Herren, wer in ein Amt oder Mandat gewählt wird, übernimmt damit eine politische Verantwor- tung. Das gilt für eine Ministerin genauso wie für einen Fraktionsvorsitzender der Regie- rungspartei und jeden Politiker der Opposition.Die Frage heute ist also nicht, ob die Ministerin oder andere hier im Raum politische Ver- antwortung tragen für das, was im Strafvollzug geschieht. Die Frage ist vielmehr, ob die Ministerin dieser Verantwortung vor und nach der Flucht des Häftlings gerecht worden ist. Deswegen habe ich mich mit den von mir gestellten Fragen gründlich beschäftigt.Erstens: Hat die Ministerin nach der Flucht alles Nötige zur Aufklärung der Vorfälle und zur Vermeidung von Wiederholungen getan? Mein Ergebnis aufgrund der umfangreichen Berichte der Ministerin an den Landtag ist: Ja, das hat sie.1/2 Sie hat sofort Untersuchungen ohne Rücksicht auf Personen eingeleitet. Sie hat dazu auf jeder Ebene Dritte Unbeteiligte für die Untersuchungen herangezogen, um jede Art von möglicher Rücksichtnahme auf Personen auszuschalten. Sie hat – in engster Abstim- mung mit der Staatsanwaltschaft – die Öffentlichkeit und das Parlament ständig und aus- führlich informiert.Und hier möchte ich deutlich sagen: Es war ihre Pflicht, die Öffentlichkeitsarbeit mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen, solange noch nicht alle Verfahren abgeschlossen sind.Zweitens: Ich habe auch gefragt: Ist vor dem Ausbruch in den vergangenen fünf Jahren irgendetwas getan worden, dass diesen Ausbruch erleichtert hat? Gibt es in Schleswig- Holstein im Vollzug irgendwelche Besonderheiten gegenüber anderen Bundesländern, die den Ausbruch erleichtern haben? Gab es Hinweise von Fachleuten oder gar Vor- schläge von Abgeordneten der Opposition, die nicht beachtet worden sind?All dies ist nicht der Fall!Der Ministerin und - ich sage das hier deutlich – auch meiner Fraktion und meiner Partei war klar, dass wir mit Übernahme des Justizministeriums durch Anne Lütkes eine große Verantwortung für die Sicherheit im Lande übernehmen.Jeder, der die Vollzugsanstalten besucht hat, weiß: Das ist kein einfacher Job, den die Vollzugsbeamten dort in teilweise über 100 Jahre alten Vollzugsanstalten zu leisten ha- ben. Und kein Politiker schmückt sich öffentlich damit, Geld für Gefängnisse einzuwer- ben.Trotzdem hat die Ministerin und die grüne Fraktion ein Investitions- und Modernisie- rungsprogramm von 57 Millionen Euro durchgesetzt. Seit vier Jahren sind wir dabei, den Vollzug Schritt für Schritt zu modernisieren.Die Investitionen dienen sowohl der Verbesserung der Resozialisierungsmöglichkeiten wie auch insbesondere der Verbesserung der Sicherheit. Dazu gehört auch der Ausbau einer Sicherheitsabteilung für besonders gefährliche Verbrecher in Lübeck.Auch bezüglich der Personalpolitik, bezüglich der Erlasse und Anweisungen gegenüber dem Vollzug, gibt es an keiner Stelle – ich betone an keiner einzigen Stelle – einen Hin- weis darauf, dass Maßnahmen ergriffen wurden, die die Sicherheit verringert haben. Es gab vor dem 26. Oktober weder von Seiten des Eingabenausschusses, von Seiten der Opposition noch von anderer Seite Kritik an den getroffenen Maßnahmen.Allein die Personalstärke war mehrfach ein Anlass zur Diskussion. Aber gerade dazu stelle ich fest, dass Ministerin Lütkes und meine Fraktion sich erfolgreich dafür eingesetzt haben, dass in den vergangenen 5 Jahren bei gleicher Gefangenenzahl die Zahl der Vollzugsbeamten um 5 Prozent verbessert wurde. Schleswig-Holstein hat von allen Bun- desländern die drittbeste Personalausstattung in den Haftanstalten mit Lübeck an der Spitze.Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Ministerin Lütkes hat in den vergangenen Jahren alles getan, um die Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten zu gewährleisten. Man kann mit Blick auf die Investitionsmaßnahmen und die Personalverstärkung sogar sagen, sie hat mehr als alle ihre Vorgänger in die Sicherheit im Vollzug investiert.Sie hat nach dem Vorfall alle nötigen Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu ge- währleisten, um die Vorfälle aufzuklären und die Öffentlichkeit zu informieren. Dies alles ist sogar unbestritten.Was die Opposition ihr nun in Ermangelung von Fehlern vorwirft, ist schon erstaunlich: Die Ministerin hätte ohne Absprache mit der Staatsanwaltschaft weitergehende Hinweise und Warnungen über den Täter öffentlich machen sollen.Ich will mir nicht ausmalen, wie Sie von der Opposition hier im Landtag reagiert hätten, wenn die Ministerin tatsächlich öffentliche Warnungen oder Informationen ohne Abspra- che mit der Staatsanwaltschaft abgegeben hätte und es in Folge solcher Warnungen zu weiteren gewalttätigen Aktionen gekommen wäre!Die Opposition sagt, die Ministerin hätte sich in der Vergangenheit persönlich in Ent- scheidungen der Anstaltsleiter über Einzelregelungen für Gefangene einmischen sollen.Ich stelle fest: Dies widerspricht nicht nur der Praxis in allen anderen Bundesländern. Die Fachöffentlichkeit hält dieses sogar für sicherheitsgefährdend, denn die Sicherheitsrele- vanz von Entscheidungen kann vor Ort immer besser beurteilt werden als im Ministerium. Nur bei Freigängen von Verbrechern außerhalb der Anstalt ist es richtig und deshalb Praxis, dass das Ministerium die letzte Entscheidung hat.In Verantwortung für die Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten hat Anne Lütkes veran- lasst, dass die bisherigen – ich erinnere bundesweit geltenden – Systeme der Aufsicht auf den Prüfstand unabhängiger Experten gestellt werden.Mit diesem Schritt handelt Anne Lütkes verantwortungsvoll, um mögliche Schwachstellen vorsorglich zu vermindern. Notwendig ist sachliche Aufklärung anstelle von Symbolpoli- tik.Meine Damen und Herren, in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses am vergangenen Mittwoch wurde of- fensichtlich, dass die Opposition nichts in der Hand hat. Sie haben alle ihre Pfeile ver- schossen. Ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss in der nächsten Legisla- turperiode ist nur als die Bestätigung dieser Tatsache und der Versuch, das Thema am Köcheln zu halten. Mit der Rücktrittsforderung allerdings haben sie den Bogen überspannt. Eine Rücktritts- forderung gegen eine amtierende Ministerin zu stellen, ohne etwas in der Hand zu ha- ben, das ist schäbig. Ein Bogen, der überspannt wird, bricht. Ich bin deshalb sicher, dass dieser Versuch, eine Tragödie auf zynische Weise politisch zu instrumentalisieren, nach hinten losgehen wirdSchleswig-Holstein ist nach 1988 ein Land mit einer offenen fairen politischen Kultur ge- worden. Darauf sind die Menschen im Lande stolz. Wer diesen Weg verlässt und ver- sucht mit Schmutz zu werfen, der muss aufpassen, dass ihm nicht eine frische Nordsee- brise den Schmutz auf den eigenen Anzug bläst.Meine Damen und Herren, Anne Lütkes hat in den vergangenen fünf Jahren ihr Ministerium in einer Weise geführt, die ihr im Lande breite Anerkennung verschafft hat. Hier im Parlament wurde ihre Politik oft von allen Fraktionen getragen und insbesondere von den Fachsprechern der Fraktio- nen in zahlreichen Debatten unterstützt.Sie hat in dieser kritischen Situation konsequent und entschlossen gehandelt. Damit ist sie ihrer politischen Verantwortung in bestem Sinne dieses Begriffs gerecht geworden.Im Namen meiner gesamten Fraktion bedanke ich mich für die geleistete Arbeit. Wir werden den Antrag ablehnen. ***