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16.12.04 , 10:01 Uhr
SPD

Jürgen Weber: Bildung ist kein Spielfeld für den Kampf um die Föderalismusreform

Sozialdemokratischer Informationsbrief
Kiel, 16.12.2004, Nr.: 239/2004



Jürgen Weber:

Bildung ist kein Spielfeld für den Kampf um die Föderalismusreform

Zur Diskussion um eine Reform des Föderalismus erklärt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Weber:

Vor wenigen Tagen haben sich die Bundesschülervertretung, die Bundeselternvertretung und die GEW dafür ausgesprochen, die Bundeskompetenz in Bildungsfragen zu stärken, und Umfragen sagen uns, dass zwei Drittel der Bürger sich eine stärkere Zuständigkeit des Bundes in Bildungsfragen wünschen. Verständlicherweise finden die Menschen im- mer weniger Gefallen an 16 unterschiedlichen Schulsystemen – Systemen, die allein zum Problembereich „Schulwechsel” weit über 100 verschiedene Verordnungen geboren ha- ben.

Der Eindruck in der Öffentlichkeit ist doch der: Wir Politiker, vor allem wir Landespolitiker, lassen uns von solchen Hinweisen nicht aus der Ruhe bringen, denn die Zuständigkeit für Bildungsfragen berührt ja unsere politische Existenzberechtigung. Warum sollen wir die Sinnfrage stellen, ob 16 verschiedene Bildungspolitiken und Schulstrukturen gut sind? Da käme vielleicht noch jemand auf die Idee, die logischen Alternativen zu formulieren: Ent- weder sind 16 Bundesländer zu viel, oder wir brauchen einen nationalen Rahmen für Qualitätsentwicklung in Schule und Hochschule.

Wir haben ein Problem: Wir müssen die föderalen Interessen unserer Länder mit den In- teressen der Kinder und Jugendlichen an Bildung in der ganzen Republik in Deckung bringen. Mit reiner Kleinstaaterei ist das nicht zu machen! Gescholten wird zur Zeit in un-
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



seren Ländern weniger der pädagogische Irrgarten als vielmehr das Instrument, das den Wirrwarr zusammenhalten soll: die Kultusministerkonferenz. Nicht 16 Kultusministerien mit ihren nachgeordneten Behörden, sondern die notwendige daraus folgende Regulie- rungsinstanz ist dann das viel beschworene Bürokratieproblem.

Die KMK soll – was sicher vernünftig ist – flexibler, auf ihre Kernaufgaben begrenzt und das Einstimmigkeitsprinzip auf die Anerkennung von Abschlüssen eingedampft werden. Die BLK, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, soll abgeschafft werden. Zwar hätte es ohne BLK überhaupt keine deutsche Beteiligung an PISA gegeben, ebenso wenig das SINUS-Programm zur Reform des mathematisch- naturwissenschaftlichen Unterrichts oder die Hochschulsonderprogramme. Aber warum sollte man auch eine Kooperation fortsetzen, bloß weil sie erfolgreich war?!

Und dann gibt es die Versuche der Zersplitterung der Kinder- und Jugendhilfe, die zwar erhebliche Nachteile für Kinder, Jugendliche und Familien bringen kann, aber immerhin so richtig föderal wäre. Da findet sich dann nicht zuletzt der Hochschulbau, der den Län- dern vollständig an die Hand gegeben werden soll, gleich ob wohlhabend oder Not lei- dend. Prinzip ist nun mal Prinzip.

Dass die politische Gefechtslage zwischen Bund und Ländern, zwischen rechts und links, zwischen arm und reich uneinheitlich ist, hat mit Geld und mit politischer Kompetenz – und damit Existenzsicherung – zu tun, wie auch sonst bei Verlustängsten menschlich verständlich. Nur hat es leider wenig zu tun mit erkennbaren Prinzipien, die an der eigent- lichen Sache – der Verbesserung der Bildung in Deutschland im internationalen Maßstab – orientiert sind.

Solche Prinzipien ließen sich formulieren: Wo Wettbewerb zwischen den Ländern Qualität verbessern kann, brauchen wir Länder- zuständigkeit, -3-



wo sich Qualität im internationalen Wettbewerb behaupten muss, bin ich für Bundeszu- ständigkeit oder eine Bundesrahmenkompetenz. Und bei den vielen Schnittstellen, die es gibt, sollte eine enge Kooperation und Verzah- nung angestrebt werden. Für unsere Schulen hieße das: Länderzuständigkeit mit einem hohen Maß an Verzah- nung bei Qualitätssicherung und Reformprozessen. Für unsere Hochschulen hieße das: stärkere Autonomie der einzelnen Einrichtungen bei einem nationalen Rahmen für Zu- gang, Abschlüsse, Qualitätssicherung und Dienstrecht.

Es geht auch noch um etwas anderes: Mehr noch als die Gralshüter von Länderzustän- digkeit, sind die fundamentalföderalistischen Wettbewerbsanbeter dabei, die Bildungs- landschaft in Deutschland an die Wand zu fahren. Wem es genügt, dass die finanzstärke- ren Länder, deren Vorteile in einem Wettbewerb wohl niemand bestreiten will, ihre Quali- tät auf Kosten der übrigen verbessern können, der verabschiedet sich nicht nur vom Soli- darprinzip: Er lässt den nationalen Anspruch auf eine zukunftsfähige Bildungslandschaft fallen, spaltet unser Land.

Die Aufräumarbeiten am kooperativen Föderalismus werden das Ungleichgewicht in der Republik vergrößern, verbrämt durch eine Wettbewerbskultur, die jede Chancengerech- tigkeit vermissen lässt. Vom Bund wird dabei auch keine Lösung zu erwarten sein. Seine Möglichkeiten, über finanzielle Verlockungen mehr Entscheidungen positiv mitzugestal- ten, sind begrenzt.

Die Bildung ist das falsche Spielfeld für den Kampf um die Zukunft des Föderalismus.

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