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25.05.05 , 10:48 Uhr
SPD

Lothar Hay zu TOP 2: Mit Mut, Entscheidungskraft und Leidenschaft ans Werk gehen

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 25.05.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 2 – Regierungserklärung des Ministerpräsidenten

Lothar Hay:

Mit Mut, Entscheidungskraft und Leidenschaft ans Werk gehen!

Mit der heutigen Regierungserklärung wird der offizielle Startschuss für die gemeinsame Ar- beit von SPD und CDU in den nächsten Jahren gegeben. Die ersten Schritte der Landesre- gierung waren die Vorbereitung des Nachtragshaushalts und des Haushalts 2006.

Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen war nach den Umfragen der letzten Wochen an sich nicht überraschend. Der Abstand zwischen CDU und SPD war deutlich und es ist eine bittere Niederlage für meine Partei.

Völlig überrascht hat uns alle das Vorhaben von Gerhard Schröder und Franz Müntefering, bereits für den Herbst Neuwahlen anzustreben. Die Pattsituation zwischen Bundesrat und Bundestag hätte sicher zu einem dauerhaften Stillstand geführt. Auf Bundesebene heißt es jetzt: Schröder oder Merkel. Bleibt es bei dem angedachten Fahrplan, werden wir auch in Schleswig-Holstein einen kurzen Bundestagswahlkampf um wenige zentrale Fragen führen müssen.

Die beiden großen hier im Landtag vertretenen Parteien werden öffentlich um die besseren Konzepte streiten. Gleichzeitig muss die Arbeit in der Koalition konzentriert weiter laufen, um den Nachtragshaushalt und den Haushalt 2006 zeitgerecht auf den Weg zu bringen. Ich freue mich auf die im Wahlkampf anstehenden Debatten zu den Themen Steuerreform, Zu-
Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



kunft der sozialen Sicherungssysteme, Sicherung der Arbeitnehmerrechte und viele andere Themen, die bundespolitisch von Bedeutung sind. Hier im Haus allerdings geht es um die volle Konzentration auf die gemeinsame Sacharbeit zum Wohle des Landes Schleswig- Holstein.

Spätestens nach den Zahlen der Mai-Steuerschätzung weiß jeder Abgeordnete aus der neuen Koalition, auf welchen schwierigen Weg wir uns gemeinsam begeben. Natürlich muss die Sanierung des Haushaltes in dieser Legislaturperiode einen herausragenden Stel- lenwert haben. Gleichzeitig haben wir uns aber gemeinsam das Ziel gesetzt, im Bereich Wirtschaft und Arbeit die Bedingungen für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung wei- ter zu verbessern.

Den Bereich Bildung sehen wir als denjenigen an, der für die Lebenschancen der Menschen in der Zukunft mit entscheidend sein wird. So werden wir trotz der durchweg angespannten Haushaltslage zusätzlich in diesem Bereich investieren, was bedeutet, dass die Gelder effi- zient eingesetzt werden müssen.

Gleichzeitig wollen wir alle Anstrengungen unternehmen, um die Verwaltung sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene preiswerter, leistungsstärker und noch bürgernä- her zu machen. Dies wird im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsstrukturreform ge- schehen.

Wir Sozialdemokraten haben uns trotz eines deutlichen Ergebnisses auf dem Landespartei- tag die Entscheidung für diese Große Koalition nicht leicht gemacht und sie ist uns auch nicht leicht gefallen. Wir haben mit dem Koalitionspartner Arbeitsstrukturen verabredet, die eine verantwortungsvolle Kooperation sicherstellen kann. Es ist für niemanden hier im Ple- narsaal überraschend, dass die Große Koalition nicht unbedingt eine Liebesheirat ist. -3-



Der 17. März war der bitterste Tag seit Jahren für die SPD in Schleswig-Holstein, für die SPD-Landtagsfraktion, für die Mitglieder und vor allem für Heide Simonis. Die Erinnerung daran und die Tage danach sind noch zu frisch, so dass ich darauf verzichte weiter darauf einzugehen. Wir richten den Blick nach vorn. Mittlerweile hat die SPD-Landtagsfraktion zu einer ordentlichen Tagesarbeit zurück gefunden. Aber es wird sicher noch eine Zeit dauern, bis wir alle den 17. März verarbeitet haben, wenn dieses überhaupt möglich ist!

Nach kurzen Sondierungsgesprächen mit allen im Landtag vertretenen Parteien beschloss der Parteirat der SPD, Koalitionsverhandlungen mit der CDU auf Augenhöhe aufzunehmen. Wir haben die Verhandlungen mit der CDU selbstbewusst geführt und der Landesparteitag der SPD hat den Ergebnissen mit über 80 % zugestimmt. Ebenso wie die CDU sind wir in der Bewertung zu dem Ergebnis gekommen, dass wir deutlich über 50 % unseres Pro- gramms haben umsetzen können, was abgesehen von der rechnerischen Unmöglichkeit auf eine deutliche Akzeptanz auf beiden Seiten hindeutet.

Während wir uns in vielen inhaltlichen Fragen einigen konnten, blieben die Gesamtschule in Pansdorf und auch einige grundlegende Punkte in der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik ebenso umstritten wie die Frage des Ausstiegs aus der Kernenergie.

Der zahlenmäßig kleinen Opposition aus FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW haben wir gemeinsam umfangreiche Rechte eingeräumt, so dass ihre Arbeitsmöglichkeiten auch gewährleistet werden, was alle wichtigen parlamentarischen Abläufe angeht. Ich wünsche den drei Oppositionsparteien, dass sie ihre Rolle nach ersten Trockenübungen mit Vorlage schon einmal gestellter Anträge finden und zu einer angemessenen Arbeitsweise kommen.

Herr Kubicki ist ja so weit gegangen, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen völligen Charakterwandel in Erwägung zu ziehen. Gewissermaßen vom Kühlschrank zum Kuscheltier. Ich weiß gar nicht, ob wir uns das wünschen sollen. Wichtiger erscheint mir ei- ne Opposition, die inhaltliche Alternativen formuliert und damit hoffentlich zu einer niveau- -4-



vollen Auseinandersetzung hier im Landtag beitragen kann. Vernünftige Vorschläge sind nicht nur den Regierungsfraktionen vorbehalten.

Wir Sozialdemokraten werden dafür sorgen, dass bei allen anstehenden Entscheidungen - so bitter sie sein müssen - die soziale Balance eingehalten wird. Soziale Gerechtigkeit stand bei uns vornan und dies wird auch so bleiben.

Die aktuelle Steuerschätzung hat die ohnehin schwierige Finanzlage unseres Landes weiter verschärft. Auf Grund der neuen Zahlen ergibt sich für dieses Jahr ein Fehlbetrag von mehr als 1,7 Milliarden € und wir müssen Maßnahmen ergreifen um das jährliche Defizit in den kommenden Jahren nicht noch anwachsen zu lassen. Die kurzfristig von der Regierung er- griffenen Maßnahmen sind richtig und ohne Alternative und wir alle werden uns darauf ein- stellen müssen, dass neben den Schwerpunkten Arbeit und Bildung schmerzhafte, aber notwendige Kürzungen gemeinsam getragen werden müssen.

Damit ist völlig klar: Einen verfassungskonformen Haushalt in dieser Legislaturperiode auf- zustellen, ist ein nur äußerst schwer zu erreichendes Ziel. Hermann Hesse: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden!“

Natürlich hat unser Land ein Ausgabenproblem und selbstkritisch muss man wohl für die SPD-Seite einräumen, dass es Jahre gab, in denen tiefgreifendere und mutigere Kürzungen hätten stattfinden können. Aber wir haben auch ein Problem auf der Seite der Einnahmen und deshalb können wir Steuerentlastungen ohne Gegenfinanzierung zur Entlastung der Länder in keinem Fall mehr zustimmen!

Im Zusammenhang mit den aktuellen Maßnahmen hat Finanzminister Wiegard schon darauf hingewiesen, dass auch diese nicht ausreichen, um die gegenwärtige Deckungslücke zu schließen. Wir sind uns einig, die Aufgaben müssen reduziert, die Personalkosten gesenkt und Investitionen nach Möglichkeit verstärkt werden. -5-



Die Priorität des Bildungs- und besonders des Schulbereiches ist politisch nicht strittig. Der Koalitionsvertrag weist eine Vielzahl an Vorhaben auf, die nicht zum Nulltarif zu haben sind. Wir werden zusätzlich 154 Mio. € in den nächsten Jahren für die Bildung aufbringen. Sie werden unter anderem genutzt für vorschulische Sprachförderung und für zusätzliche Fördermaßnahmen.

Da in der Bildungspolitik die Vorstellungen von CDU und SPD am weitesten auseinander liegen, war die allgemeine Erwartung: Wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern würden, dann am ehesten im Bildungsbereich. Dazu ist es nicht gekommen.

Natürlich heben die Kompromisse, die wir gefunden haben, die grundsätzlichen Überzeu- gungen beider Parteien nicht auf. Die unterschiedlichen Standpunkte bleiben bestehen und es wird Aufgabe der Parteien selbst sein, um Mehrheiten für ihre Inhalte zu werben.

Der wichtigste schulpolitische Dissenspunkt ist zweifelsfrei die Überzeugung der SPD, das Schleswig-Holsteinische und das deutsche Schulsystem von Grund auf umzugestalten. Da- bei ist uns klar, dass der von uns geforderte Umbau hin zur Gemeinschaftsschule kein Pro- jekt für eine Legislaturperiode sein kann, sondern dass dies ein Prozess über drei Legisla- turperioden sein muss. Die Schulen – nicht nur die bisherigen Gesamtschulen – haben die Option, sich auf Antrag des Schulträgers in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, deren pädagogisches Konzept längeres gemeinsames Lernen über Klasse 6 hinaus und den Ver- zicht auf das Sitzenbleiben verankert.

Der Streit, ob die Integrierte Gesamtschule in Pansdorf fortgeführt werden soll oder nicht, bleibt bestehen. Die Schüler, Eltern und Lehrer müssen zumindest mittelfristig Gewissheit haben, wie es mit ihrer Schule weitergeht. Wir haben uns deshalb darauf geeinigt, das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuwarten und zu akzeptieren. -6-



In der Frage der Studiengebühren gehen die Auffassungen von CDU und SPD ebenfalls auseinander. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Schleswig-Holstein keine Vorreiterrolle in dieser Frage einnehmen wird, aber eine Orientierung auf die Entwicklung in Norddeutsch- land stattfindet, bei der nicht ausgeschlossen werden kann, dass wir uns mittelfristig anders orientieren müssen. Solange es allerdings kein schlüssiges Förderkonzept für Studierende gibt, wird durch die Studiengebühren nur die soziale Selektion verstärkt. Dies ist mit den Grundüberzeugungen der SPD nicht in Einklang zu bringen. Für die Weiterentwicklung des Standortes Deutschland brauchen wir mehr Studierende und nicht weniger.

Die Ansiedlung der Kulturpolitik in der Staatskanzlei hat bei vielen Kulturschaffenden Be- denken ausgelöst. Wir haben im Koalitionsvertrag diese Zuordnung akzeptiert. Ich hoffe, dass der Ministerpräsident trotz der erheblichen Anforderungen des Amtes der Kulturpolitik den Stellenwert wird geben können, den er ihr vielleicht gerne geben will. Entscheidend ist, dass die im Kulturbereich Tätigen auch künftig verlässliche Ansprechpartner mit politischem Gewicht in der Landesregierung haben. Wenn schon die finanzielle Unterstützung realis- tisch gesehen nicht größer werden kann, muss wenigstens die Kommunikation und Vernet- zung der Kultur funktionieren.

Die Minderheitenpolitik unseres Landes ist nicht nur bundesweit, sondern europaweit bisher ein Leuchtturm und hat Vorbildcharakter. Wir müssen und werden sie erhalten. Das Be- kenntnis des Koalitionsvertrags zur Umsetzung des Abschlusskommunikees zwischen der Landesregierung und Dansk Skoleforening ist richtig.

Wie von den kommunalen Landesverbänden mehrfach gefordert, steht im Mittelpunkt einer Funktionalreform zunächst eine Überprüfung der Aufgaben der Landesverwaltung mit dem Ziel der Reduzierung. Bei den noch verbleibenden Aufgaben sollen Verfahren vereinfacht, doppelte Zuständigkeiten abgeschafft und mehr Handlungsspielräume geschaffen werden. Dieser Prozess soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein und die Grundlage weiterer Entscheidungen bilden. -7-



Nicht verzichtbare Aufgaben sollen nach Möglichkeit der kommunalen Ebene als Selbstver- waltungsaufgabe übertragen werden. Damit können Handlungsspielräume vor Ort gestärkt und erweitert und auch das Ehrenamt kann gestärkt werden.

Dieses Ziel lässt sich aber mit den vorhandenen Verwaltungsstrukturen der Kommunen nicht erreichen, da sie auf Übernahme komplexerer Aufgaben z. T. nicht ausgerichtet sind. Dies wollen wir mit einer Verwaltungsstrukturreform erreichen. Damit werden wir neue Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen die politische Eigenständigkeit der Gemeinden erhalten, gleichzeitig die Verwaltungen aber in die Lage versetzen, mehr Aufgaben zu über- nehmen und diese effektiv zu bewältigen.

Hinsichtlich der Kreisgebietsstrukturen ist die SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein an- gesichts einer notwendigen Überprüfung und Neuverteilung staatlicher Aufgaben der Auf- fassung, dass anstelle der jetzt bestehenden 11 Kreise und 4 kreisfreien Städte neue und leistungsfähige Strukturen treten müssen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Errichtung von 4 - 5 Dienstleistungszentren in Trägerschaft der Kreise ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Mit großem Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass eine Debatte über Zusammenschlüsse von Kreisen an mehreren Stellen im Lande bereits stattfindet. Und ich sage aus unserer Position: Dies ist sehr gut so!

In der Innen- und Rechtspolitik haben wir einschließlich der eingeschränkten Schleierfahn- dung tragfähige Kompromisse gefunden. Und was die zukünftige Ausgestaltung und Arbeit der Polizei angeht, gibt es außer in Nuancen bei der DNA-Analyse keine echten Konflikte. Die Polizeireform III wird weiter geführt und wir werden gemeinsam das Ziel verfolgen, die Bürokratie auch bei der Polizei zu verringern, um möglichst viele Polizisten bürgernah ein- zusetzen. -8-



In der Arbeitsmarktpolitik werden wir auch in Zukunft nur begrenzte Möglichkeiten haben, entscheidenden Einfluss auf den Abbau der hohen andauernden Arbeitslosigkeit in Schles- wig-Holstein zu nehmen. Wir werden gemeinsam versuchen, die Bedingungen für Investiti- onen, Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein zu verbessern.

Machen wir uns nichts vor: Vollbeschäftigung wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben können. Und verabschieden wir uns doch endlich von der Illusion, wir würden fast alle zur- zeit Arbeitssuchenden in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln können. Die Wirklichkeit, der sich unsere Koalition genauso wie die Gewerkschaften und Unternehmen stellen müssen, sieht so aus, dass wir auf Dauer ein Angebot für diejenigen brauchen, die aus den verschie- densten Gründen nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Daran wird auch Hartz IV nichts ändern.

Besondere Aufmerksamkeit werden wir auch in Zukunft darauf richten, Ausbildungsplätze für junge Menschen zur Verfügung zu stellen. Hier erwarte ich in besonderer Weise positive Auswirkungen durch Hartz IV noch in diesem Jahr. Gleichzeitig gehen wir Sozialdemokraten davon aus, dass das Bündnis für Ausbildung auf Grund seiner bisherigen erfolgreichen Ar- beit und bundesweiter Strahlkraft fortgeführt wird.

In der Wirtschaftspolitik geht es in unserem Land vor allem um die Stärkung des Mittelstan- des. Wir haben in der Vergangenheit durch das Tariftreuegesetz und durch die Erweiterung der Möglichkeiten für Bürgschaftsbank und mittelständische Beteiligungsgesellschaft ver- sucht zu helfen.

Schon allein aus der Interessenlage des Mittelstandes muss die Rolle der Sparkassen im Lande stabil gehalten werden. Allerdings muss man von diesen auch erwarten, dass sie ih- rer Rolle als Kreditgeber des Mittelstandes gerecht werden. -9-



Die Neugestaltung der Erbschaftssteuer mit dem Ziel, Betriebsübernahmen im Bereich ge- rade des Handwerks zu erleichtern, wird von uns unterstützt, wenn die Gegenfinanzierung nicht zu Lasten der Länder geht. Dies kann angesichts der finanziellen Situation in den nächsten Jahren in keinem Fall sein. Und es würde mit Sicherheit zu keiner sozialen Schief- lage führen, wenn private Vermögen stärker als bisher herangezogen würden. Im internatio- nalen Vergleich haben wir noch beträchtlichen Spielraum.

Sehr begrüßenswert sind aktuelle Entscheidungen, beispielsweise der norddeutschen Affi- nerie, zukünftig ihre Rohstoffe über Brunsbüttel anzulanden, nachdem man sich mit der Hansestadt Hamburg offensichtlich nicht - obwohl von der CDU regiert - auf unbürokratische und für die Affinerie zeitlich akzeptable Abfolgen hat einigen können.

Auch die Entscheidung der Firma Repower, sich in Schleswig-Holstein niederzulassen, stärkt unseren Wirtschaftsstandort.

Die Debatte über die Kapitalismuskritik von Franz Müntefering in den letzten Wochen habe ich mit Interesse verfolgt. Unterstützung für die Kritik an bestimmten Unternehmen und Un- ternehmern gab es von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Mir scheint wichtig, dass man mit der Kritik auch diejenigen benennt, die wirklich gemeint sind, und in der Argumenta- tion genug differenziert.

Auf der Suche nach einer verantwortungsvollen Haltung, die von einem Unternehmer vertre- ten wird, bin ich auf den Chef der Porsche AG, Wendelin Wiedeking, gestoßen. Bezogen auf Unternehmer-Kollegen, gemeint sein könnte damit auch Herr Ackermann von der Deut- schen Bank, „denen nichts anderes einfällt, als Menschen zu entlassen“ sagt Wiedeking: „Ja sicher, auch wir haben schon von Shareholder-Value gehört. Das ändert nichts daran, dass bei uns der Kunde an erster Stelle steht, dann kommen die Mitarbeiter, dann die Geschäfts- partner, Lieferanten, Händler und danach die Shareholder. Völlig unangebracht ist es, den Shareholder an die erste Stelle zu setzen. Damit wird die Kraft im Unternehmen beschränkt, - 10 -



man erreicht das Gegenteil und man bewegt die Spirale nach unten.“ Dies sagt der Chef ei- nes der derzeit erfolgreichsten deutschen Unternehmen. Daran sollten andere sich orientie- ren!

Der Schutz der Natur, der Umwelt und des Klimas sind gerade für uns im Norden zentrale Aufgaben einer zukunftsfähigen Politik. Die hohe Qualität von Landschaft, Wasser und Luft in unserem Lande ist nicht nur ein weiter auszubauender Standortvorteil, sondern auch die unverzichtbare Lebensgrundlage aller Menschen in Schleswig-Holstein.

Natur und Umwelt bilden die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg insbesondere für Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und vor allem für den Tourismus. Wer eine dauerhaft positive Entwicklung in diesem so wichtigen Wirtschaftszweig will, der muss Umweltschutz nicht nur praktizieren, sondern auch positiv nach außen darstellen. Auch das ist Werbung für unser Land!

Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist für uns Querschnittsaufgabe und Richtschnur für die Wei- terentwicklung der Umweltpolitik. Eine Enquetekommission soll ein Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schleswig-Holstein vorlegen.

Es ist grundsätzlich gar nicht zu bestreiten, dass es unterschiedliche Bewertungen bezüg- lich der Umwelt- und Naturschutzpolitik zwischen CDU und SPD gibt. Mit unserer Umwelt- politik hat sich Schleswig-Holstein bundesweit einen guten Namen gemacht, der aus dem Interesse des Landes und seiner Menschen dem Grundsatz nach auch erhalten werden sollte. Wir werden hier die Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen von der CDU su- chen und uns an die notwendige Überzeugungsarbeit machen. Ein „rollback“ in die Zeit vor 1988 wird es mit uns nicht geben.

Auch zur Bestandsregulierung von Tierarten, die gravierende Schäden verursachen, werden wir unter Berücksichtigung des Artenschutzes Vorschläge erarbeiten lassen. Dabei sind wir - 11 -



uns unserer Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe bewusst, ein unkontrolliertes „Feuer frei“ dürfen wir gemeinsam nicht zulassen.

Bei der Politik für die ländlichen Räume ist die strukturpolitische Seite zu berücksichtigen. Das heißt, um dem ländlichen Raum eine Zukunft zu geben, müssen Angebote vor Ort wie zukunftsfähige kommunale Verwaltung, Postangebote, Einkaufsmöglichkeiten und Sparkas- sen auch in der Fläche erhalten bleiben. Hierzu haben auch die Ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag geleistet.

Gleichzeitig unterstützen wir die Neuorientierung der europäischen Agrarpolitik mit der Ab- kehr von mengenbezogenen Subventionen und der Einführung von entkoppelten Prämien. Wir müssen gemeinsam in der Koalition unseren Beitrag leisten, um den gut ausgebildeten, leistungsfähigen Landwirten in Schleswig-Holstein Standortvorteile zu erhalten und auszu- bauen.

Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern sind wir zwar in allen Bereichen vorange- kommen, das Thema muss aber auch für die Landespolitik wichtiges Anliegen bleiben. Wir wollen die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöhen und ihnen den Zugang zu besser bezahlten und verantwortungsvolleren Positionen ermöglichen. Und wir wollen Männern ermöglichen, mehr Gewicht auf die Familie zu legen. Daher werden wir weiterhin intensiv an der Verein- barkeit von Familien und Beruf arbeiten: An umfassender bedarfsgerechter Kinderbetreu- ung, an Hilfsmöglichkeiten für Familien in Schwierigkeiten und an der sozialen und wirt- schaftlichen Absicherung von Alleinerziehenden.

Und da dies alles nach wie vor nicht selbstverständlich ist, legen wir Wert darauf, dass auch in Zukunft in den größeren Städten und Gemeinden des Landes hauptamtliche Gleichstel- lungsbeauftragte tätig sind, die sich für die Interessen der Frauen gerade im öffentlichen Be- reich einbringen. - 12 -



An einer guten Betreuung und Pflege beweist sich die gesellschaftliche Solidarität mit alten, kranken und behinderten Menschen. Zu den unabdingbaren Maßnahmen gehören die schrittweise zu verbessernden Leistungen aus der Pflegeversicherung, die nach unserer Meinung wie die Krankenversicherung im Sinne einer solidarischen Bürgerversicherung wei- ter entwickelt werden muss.

Wir werden die ambulante Pflege stärken und den Schutz alter Menschen in Einrichtungen vor mangelhafter Pflege weiter erhöhen. Dem Verschieben der großen sozialen Risiken in private Vorsorge oder in ungerechte Prämiensysteme setzen wir bewusst Reform und Aus- bau solidarisch getragener Sicherungssysteme entgegen, auch zu Lasten von Sonderrech- ten einiger weniger.

Insgesamt bietet unsere Koalitionsvereinbarung eine gute Grundlage für eine sinnvolle ko- operative Zusammenarbeit, die unser Land voran bringen kann. Wenn ich auf grundlegend unterschiedliche Auffassungen hingewiesen habe, so bleiben doch große Bereiche, in de- nen es fast durchweg eine Übereinstimmung gibt, so weit die Landespolitik betroffen ist. Dies gilt beispielsweise für die Sozialpolitik ebenso wie für den Arbeitsmarkt, dies gilt für die Wirtschaft und für die Verkehrspolitik. Wir sollten gemeinsam mutig genug sein, um als Große Koalition mehr zu versuchen als nur auf der Ebene des Minimalkonsenses voran zu marschieren.

Viele Menschen haben überzogene Erwartungen an eine Große Koalition. Aber was sie zu Recht erwarten können ist, dass wir uns am Riemen reißen, dass wir nicht nur Gremien und Arbeitsgruppen bilden, dass wir nicht Gutachten in großer Zahl erstellen lassen, sondern dass wir nach konkreter Analyse der politischen Situation Vorschläge machen und dann Entscheidungen treffen, die in überschaubarer Zeit positive Veränderungen für das Land bringen. Soll dies allerdings gelingen, dann müssen die Menschen bereit sein, auf Grund unserer haushaltspolitischen Situation auch weitere Einschränkungen hinzunehmen. Und ich bin sicher: Sie werden dazu bereit sein, es gibt keine Alternative! Sie müssen aber auch - 13 -



selbst mit anpacken. Nur mit der Unterstützung der Menschen im Lande und einer gemein- samen Aufbruchstimmung kann es klappen.

Wir brauchen Impulse für die Wirtschaft, Impulse für den Arbeitsmarkt und eine positive Grundhaltung bei dem gemeinsamen Projekt „Wir bringen Schleswig-Holstein nach vorn“.

Wir können heute nicht sagen, wo wir in 60 Monaten am Ende dieser Legislaturperiode ste- hen werden, aber wir können alle unsere Energien darauf verwenden, dass es für unser Land in 60 Monaten deutlich besser aussieht.

Lassen Sie uns gemeinsam anpacken und den Menschen deutlich machen, dass wir uns mit aller Kraft für sie, für ihre Zukunft und die ihrer Kinder einsetzen. Lassen Sie uns mit Mut, Entscheidungskraft und der nötigen Leidenschaft ans Werk gehen.

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