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Manfred Ritzek: Unser Land muss Gestaltungsmöglichkeiten der EU-Verfassung nutzen
Nr. 113/05 25. Mai 2005 IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG PRESSEMITTEILUNG Parlamentarische Geschäftsführerin Monika Schwalm Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.deEuropapolitik TOP 27 Manfred Ritzek: Unser Land muss Gestaltungsmöglichkeiten der EU- Verfassung nutzen Mit der Resolution haben beide Koalitionspartner ein eindeutiges Bekenntnis zur Ratifizie- rung des Vertrages über eine Verfassung für Europa abgegeben. In der Resolution haben wir die Begründung für unsere Haltung definiert und klar auch auf die Bedeutung der Verfas- sung für Bund, Länder und Gemeinden hingewiesen.Wo jedoch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bleibt die Begeisterung für diese Verfas- sung? Das „Ja“ für die Europäische Verfassung im Bundestag erfolgte ohne glühende euro- päische Leidenschaft. Auch die Medien berichteten verhalten über das Ereignis.Die Europäische Verfassung ist ein Werk von fast 500 Seiten mit 465 Artikeln. Sie gliedert sich in• eine Präambel, • einen ersten Teil mit 59 Artikeln über Werte, Ziele, Zuständigkeiten und Organe der Uni- on, • gefolgt von dem zweiten Teil mit 54 Artikeln, mit den Inhalten der Charta der Grundrech- te, • einem dritten Teil mit 342 Artikeln, die die Politikbereiche und die Arbeitsweise der Union beschreiben. • Es folgt ein vierter Teil über Allgemeine und Schlussbestimmungen mit 10 Artikeln. • Danach folgen noch eine Vielzahl von Protokollen als Anhang, so auch das enorm wich- tige Protokoll – wichtig auch für die Länderparlamente - über die Grundsätze der Subsi- diarität. Dieses Protokoll ergänzt noch einmal die bereits in Teil III, Artikel 9 der Verfas- sung beschriebenen Grundsätze der Subsidiarität.Kaum eine Bürgerin oder ein Bürger werden bisher den Entwurf der Verfassung gelesen ha- ben. Dennoch stehen die Deutschen gemäß Umfragen zu der EU-Verfassung.In der Bundestagsdebatte über die EU-Verfassung wurden die Sorgen und Ängste der Men- schen nicht oder nur kaum debattiert. Die Debatte wurde staatsmännisch geführt, fast jeder von jeder Partei glaubte in diesem Sinne etwas sagen zu müssen. Dieser staatsmännische Tenor wird auch nicht wesentlich geschmälert durch die 23 abgege- benen Neinstimmen und die 80 zu Protokoll gegebenen persönlichen Erklärungen. Die 23 Neinstimmen basieren auf der Befürchtung der ständig steigenden Machtkonzentration in Brüssel, die persönlichen Erklärungen bemängelten insbesondere die Nichtaufnahme des Gottesbezuges in die Verfassung, was auch wir bedauern.Wir, wir alle hier im Parlament, müssen den Bürgerinnen und Bürgern klar machen, dass die Verfassung für die umfassende Handlungsfähigkeit der Europäischen Union von größter Be- deutung ist und damit auch ihren Interessen dient. Das ist nicht einfach. Warum?• Können wir die Menschen überzeugen, warum die Erweiterung der EU unaufhaltsam fortgeführt wird, jetzt auch mit der Zusage an Bulgarien und Rumänien mit der Aufnahme im Jahre 2007, obwohl diese Länder die Beitrittsbedingungen zur Aufnahme bei weitem nicht erfüllen?• Während das Territorium der Union wächst, stößt die Akzeptanz des Integrationsprozes- ses an seine Grenzen. Können wir die Bedeutung der gemeinsamen Europäischen Idee nicht erfolgreich genug vermitteln?• Können die Menschen es verstehen, wenn EU-Gelder aus dem Strukturfonds Anreize für Unternehmensgründungen oder -erweiterungen in anderen EU-Ländern schaffen, die zu Standortverlagerungen in diese geförderten Länder führen mit gleichzeitigem Arbeits- platzabbau in Deutschland?• Warum müssen EU - Richtlinien im Nachhinein geändert werden, wie z.B. bei der Dienst- leistungsrichtlinie und der Chemikalienrichtlinie? Klappt unser Informationsapparat und unsere Mitgestaltungsmöglichkeit nicht?• Können wir es einem Markthändler erklären, dass er auf dem Wochenmarkt eine 9- seitige EU-Konfitürenverordnung beachten muss, in der erklärt ist, was eine „Konfitüre Extra“, eine Konfitüre, ein „Gelee Extra“ oder Gelee, „Marmelade Extra“ oder Marmelade ist?• Bemühen wir uns wirklich mit aller Intensität, das uns in der Verfassung ausdrücklich zugestandene Subsidiaritätsprinzip umzusetzen? Das ist von entscheidender Bedeutung für die Gestaltungsmöglichkeiten in unseren Kommunen und Regionen, dort, wo wir die Aufgaben besser, effektiver, effizienter und mit wesentlich weniger Bürokratie erledigen können.Unser Land muss die Rechte unseres Parlaments wesentlich stärker verteidigen. Wir müs- sen früher und umfangreicher über den Prozess der länderbetreffenden Rechtsakte infor- miert werden. Nur dann können wir mitgestalten, nämlich bevor daraus ein Europäisches Gesetz wird oder auch ein Europäisches Rahmengesetz, eine Europäische Verordnung, ein Europäischer Beschluss oder auch nur eine Europäische Empfehlung.Wenn wir – so heißt es in unserer Resolution – „davon überzeugt sind, dass die Europäische Verfassung die Identifikation der Menschen mit Europa verstärkt und damit die Chance bie- tet, das Vertrauen in die europäischen Institutionen und die Politik Europas zu vertiefen“, dann müssen unser Land und alle anderen Bundesländer in der Tat in Zukunft aktivere Rol- len übernehmen. Das überzeugt die Menschen.Die Dividende der EU in Form von Frieden und Wohlstand fließt heute und in Zukunft für die Generationen. Sie muss aber auch für alle erkennbar und erlebbar gemacht werden. Daran müssen wir aktiv mitgestalten.