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Anne Lütkes zum Antidiskriminierungsgesetz
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 23 – Antidiskriminierungsgesetz Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt die Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Anne Lütkes: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh-gruene.de Nr. 120.05 / 27.05.2005Gleichstellung und Teilhabe durch das AntidiskriminierungsgesetzUnsere Ziele „Gleichstellung“ und „Teilhabe“ von Menschen mit Behinderungen können ohne einen begleitenden wirksamen Schutz vor alltäglichen Diskriminierungen nicht um- gesetzt werden. Daher ist das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) der zentrale Baustein grüner Behindertenpolitik. Wer umfassende Gleichstellung will, muss denjenigen, die noch immer von Diskriminierungen betroffen sind, einklagbare Rechte an die Hand ge- ben.Die Gleichstellung von Behinderten am Arbeitsmarkt ist sicherlich eins der Ziele des An- tidiskriminierungsgesetzes. Es ist aber keinesfalls das hauptsächliche Ziel, wie es der vorliegende Antrag glauben machen will.Es werden im ADG vier europäische Richtlinien in nationales Recht umgesetzt, die eine un- terschiedliche Zielsetzung haben und unterschiedliche Vertragsbereiche betreffen:Zwei Richtlinien sollen umfangreichen Diskriminierungsschutz in Beschäftigung und Be- ruf sichern und zwar aufgrund des Geschlechts, Alters, Behinderung, Religion und Welt- anschauung sowie der sexuellen Orientierung.Eine Richtlinie enthält ein generelles Benachteiligungsverbot aufgrund der ethnischen Herkunft und zwar sowohl im Beschäftigungsbereich, wie auch im Bereich des allgemei- nen Zivilrechts inklusive des so genannten Massengeschäfts.Eine Richtlinie verlangt Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter bei Massenge- schäften im Zivilrecht.1/2 Diese vier Richtlinien wurden zusammengefasst zu einem umfangreichen Diskriminie- rungsschutz, der dann in Teilen auch über die Anforderungen dieser Richtlinien hin- ausgeht. Und zwar zu Recht. Denn es ist nicht begründbar, warum etwa die Abweisung eines Menschen wegen seiner ethnischen Herkunft zukünftig eine Benachteiligung sein soll, die Diskriminierung eines behinderten Menschen aber nicht.Genau diese Rechtslage würde aber eintreten, wenn wir das Antidiskriminierungsgesetz auf die Umsetzung von Europarecht beschränken würden. Diesem Ansinnen können und wollen wir nicht nachgeben.Für vergleichbare Situationen muss es gleiche Schutzstandards geben. Das haben die europäischen Richtlinien nicht vorgegeben, weil sie eben nicht „aus einem Guss“ sind. Die Richtlinien weisen unlogische Lücken auf. Diese Lücken müssen wir aber bei der Umsetzung in nationales Recht füllen.Damit sind wir übrigens in Europa in guter Gesellschaft: Belgien, Frankreich, Schwe- den und Ungarn sind bei der Umsetzung der Richtlinien den gleichen Weg gegangen wie Deutschland. Wir haben nicht gehört, dass in diesen Ländern der Arbeitsmarkt zusammengebrochen wäre oder die Gerichte unter einer Prozesslawine begraben würden.Auch alle Erfahrungen sprechen dagegen, dass es zu einer Prozessflut kommt. Seit 25 Jahren gibt es im deutschen Recht den § 611a des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB). Er verbietet Benachteiligung aufgrund des Geschlechts in der Arbeitswelt - bei der Ein- stellung, beim beruflichen Aufstieg, bei den Arbeitsbedingungen. Genauso wenig wie dieser Paragraph eine Prozessflut ausgelöst hat, wird es das kommende Antidiskriminie- rungsgesetz tun. Es gibt kein Indiz, dass sich das Klageverhalten grundlegend ändert, wenn nun neben Geschlecht weitere Diskriminierungsgründe in die Regelung einbezo- gen werden. Auch das 2002 in Kraft getretene Bundesgleichstellungsgesetz für behinder- te Menschen hat keineswegs eine Prozesslawine losgetreten.Nach der Anhörung des Gesetzentwurfs im zuständigen Ausschuss hat sich die Berliner Koalition auf Veränderungen am Antidiskriminierungsgesetz geeinigt. Es handelt sich um Vereinfachungen, Klarstellungen und Präzisierungen. Die Änderungen sollen dazu die- nen, die Anwendung des Gesetzes zu vereinfachen und Besorgnisse aus der Wirtschaft, von Wohnungsbaugesellschaften wie auch von Betroffenenverbänden auszuräumen. Die Grundstruktur des Gesetzes bleibt dabei aber unangetastet. Insbesondere wird auch im Zivilrecht der Diskriminierungsschutz weiterhin für alle Merkmale gelten. Und das ist gut so.Wir werden darauf drängen, dass hier im Landtag eine Entscheidung in der Sache fällt und nicht in den Ausschuss überwiesen wird. Wir lehnen beide vorliegenden Anträge in der Sache ab. ***