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02.09.05 , 12:26 Uhr
SPD

Ingrid Franzen zu TOP 4: Auch mit Mehrheitswahlverfahren kann Recht gesprochen werden

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 02.09.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 4 – Aufhebung des Gesetzes über die Wahl zu den Präsidien der Gerichte (Drucksache 16/67 und 16/155)

Ingrid Franzen:

Auch mit Mehrheitswahlverfahren kann Recht gesprochen werden!

Ende 1999 wurde eine maßgeblich von Schleswig-Holstein geförderte Initiative im Bundestag mit dem „Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerich- te“ beschlossen. Neben anderen Reformen wurde es möglich, durch eine Öffnungs- klausel im GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) durch die Länder bei den Präsidienwah- len neben dem bisher ausschließlich geltenden Mehrheitswahlrecht auch das Verhält- niswahlsystem einzuführen.

Ich habe in der 1. Lesung der Gesetzesvorlage – etwa vor einem Jahr – eine klare Bewertung der Reform abgegeben: Das neu eingeführte Verhältniswahlrecht ist ein erprobtes, von allen Beteiligten akzeptiertes System in Deutschland – oder sehnt sich hier jemand nach dem englischen System, in dem bis zu 49,99 % der Stimmen unter den Tisch fallen können?

Heute nun liegt uns in 2. Lesung der Gesetzentwurf von CDU und SPD zur Aufhebung des Gesetzes über die Wahl zu den Präsidien der Gerichte vor. Und – ich bekenne es offen und freimütig – ich bin eigentlich noch immer derselben Meinung, werde aber wie meine Fraktion der Aufhebung zustimmen.



Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Was ist zwischenzeitlich passiert, wird sich manch erstaunter Bürger fragen. Oder drastischer formuliert von ver.di: „Wir fordern Sie nachdrücklich auf, das Gesetz beste- hen zu lassen. Das Gerichtspräsidiumswahlgesetz ist ein Herzstück innergerichtlicher Demokratie.“ Die Erklärung ist relativ einfach, wenn vielleicht auch nicht ruhmreich: Wir haben in Schleswig-Holstein eine große Koalition. Dieses Thema war einem Partner so wichtig, dass es zum Schluss in die Waagschale geworfen und die Aufhebung des Gesetzes vereinbart wurde. Das ganze als Protokollnotiz, nicht öffentlich nachlesbar. Solche Bruchstellen inhaltlicher Art gibt es bei Koalitionsvereinbarungen, vielleicht bei großen Koalitionen mehr als bei anderen.

Welche Folgen hat die Aufhebung des Gesetzes auf die schleswig-holsteinischen Ge- richte? Direkte Folgen hat es keine, weil alles im Wahlverfahren bleibt, wie es schon Jahrzehnte war. Denn das Gesetz ist noch gar nicht in die Praxis umgesetzt worden. Denn, und das richte ich insbesondere an die Kollegin Lütkes, wir hätten fünf Jahre Zeit gehabt für diese Reform, sie wurde aber erst ganz zum Schluss der Legislaturpe- riode angegangen, übrigens in zwei Lesungen ohne jede Aussprache. Und, auch das will ich wie bei der Beschlussfassung kritisch anmerken: Die Reform ist in Wirklichkeit ein Reförmchen, denn sie führt nicht zwingend das Verhältniswahlrecht ein, sondern ist nur eine Möglichkeit, die unter bestimmten Umständen genutzt werden kann (Lex Lübeck).

Sehr ernst nehme ich den uns zugegangenen Hinweis des Präsidenten des Landge- richts Lübeck, Hans-Ernst Böttcher. Er verweist auf eine vom Europarat erarbeitete Europäische Charta über das Richterstatut aus dem Jahre 1998. Diese verlangt, ohne dass sie ein besonderes Wahlrecht vorschreibt, eine Modalität für eine weitestgehende Abbildungsgerechtigkeit. Vielleicht wird uns längerfristig Europa mal wieder den Weg weisen. -3-



Ich werde das Wahlverfahren für Gerichtspräsidien bei allen Gesprächen mit Verbän- den und bei meinen weiteren Gerichtsbesuchen zum Thema machen. Denn hier ha- ben wir es mit einer typischen Lobbypolitik zu tun. Mir will – gerade weil ich die Justiz von innen kenne und schätze – nicht einleuchten, warum Richter, die im Namen des Volkes Recht sprechen, verurteilen und schlichten, mit einem urdemokratischen Mehr- heitswahlverfahren glauben nicht leben zu können.

Ich bedanke mich dafür, dass Sie meinen Bauchschmerzen so lange Gehör geschenkt haben und empfehle Zustimmung.

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