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30.09.05 , 11:47 Uhr
SPD

Rolf Fischer zu TOP 16: Regionales und europäisches Bewusstsein sind zwei Seiten einer Medaille

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 30.09.2005 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 16 – Europäische Identität in Schleswig-Holstein schaffen (Drucksache 16/157) und Schles- wig-Holstein stärkt das „Europa der Regionen“ (Drucksache 16/218)

Rolf Fischer:

Regionales und europäisches Bewusstsein sind zwei Seiten einer Medaille

„Region und Europa widersprechen sich nicht, die Stärkung des regionalen Bewusst- seins und die Stärkung des europäischen Bewusstseins sind zwei Seiten einer Medail- le“, führt Rolf Fischer aus; denn wir erfahren „Europa“ jeden Tag – auf dem Wochen- markt, in der Kultur, in Sportveranstaltungen, in Schulpartnerschaften, im Tourismus. Um dies zu verdeutlichen, müssen die europapolitischen Instrumente weiter geschärft werden. Als Beispiel für eine selbstbewusste regionale Politik mit europäischer Dimen- sion nennt Fischer die maritime Politik. Auch die parlamentarischen Aktivitäten, also die interregionale Zusammenarbeit der Landtage und die Parlamentspartnerschaften sei ein Instrument, um das „Europa der Regionen“ zu fördern. Fischer erinnert daran, dass nationale Politik „immer sowohl die europäische als auch die regionale Ebene“ betrifft und nennt als Beispiele Arbeitsmarkt-, Steuer- und Sozialreformen.



Nachfolgend die Rede im Wortlaut:

Die heutige Debatte ist die Fortsetzung unserer Diskussion über die Zukunft des euro- päischen Projektes, das durch die Ablehnung der Verfassung eindeutig in eine Krise geraten ist. Damals haben alle Fraktionen u.a. die Bürgerferne, die Anonymität, die fehlende Transparenz Europas kritisiert – wir legen mit diesem Antrag eine klare Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Perspektive vor, wie wir als europäischer Akteur diese negativen Faktoren ver- ändern wollen und werden. Damit liegen wir übrigens durchaus im europapolitischen Mainstream, denn aus der Ratifikationskrise ist überraschender- und ironischerweise eine echte Europadebatte entstanden.

Der Schock, der die Elite in der EU traf, ist der Erkenntnis gewichen, dass mehr denn je die Bevölkerung in den Prozess der Weiterentwicklung Europas einbezogen werden muss. Das war die eigentliche Botschaft der negativen Referenden und die ist ver- standen worden. Insofern hat die Krise tatsächlich etwas Gutes gebracht: Sie war und ist eine Chance zur Stärkung der Bürgerbeteiligung im weiteren europäischen Eini- gungsprozess.

Es entsteht langsam, aber sicher eine europäische Öffentlichkeit, die es uns leichter macht, für eine Stärkung der europäischen Identität zu werben. Und wir in Schleswig- Holstein wollen dies ganz konkret tun, indem wir uns als politische Zielvorgabe für die Stärkung des „Europas der Regionen“ entscheiden. Denn eines ist klar: Identität ent- steht, wenn Menschen sich im eigentlichen Wortsinne mit einer Sache identifizieren; d.h. sie müssen sich mit Motiven, Zielen und Instrumenten einverstanden erklären; sie müssen alle drei Punkte zu ihren Punkten machen. Das aber kann nur gelingen, wenn sie informiert sind, Kritik äußern können und ihre Meinung auch berücksichtigt sehen.

Um dies zu gewährleisten, werben wir mit unserem Antrag für ein „Europa der Regio- nen“, das die Menschen nicht im fernen Brüssel, sondern direkt vor ihrer schleswig- holsteinischen Haustür finden. So können wir am besten vermitteln, was Europa in Zu- kunft sinnvoller Weise sein kann und soll – eine Chance, Europa zu erfahren und an Europa mitzuarbeiten. Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Region, in ihr fühlen sie sich zu Hause und für sie engagieren sie sich. -3-



Die Region aber ist längst Teil, ja Akteur in Europa – das allerdings wird noch zu we- nig registriert und damit fällt es eben schwer, sich mit Europa zu identifizieren. Die ers- te Botschaft muss sein: Region und Europa widersprechen sich nicht, die Stär- kung des regionalen Bewusstseins und die Stärkung des europäischen Bewusstseins sind zwei Seiten einer Medaille.

Starke Regionen sind der beste Schutz vor Konzentrationsabsichten auf europäischer Ebene. Dieser Aspekt ist im Verfassungsvertrag übrigens im Sinne der Regionen gut geregelt, schade also, dass wir auf die Ratifizierung noch warten müssen.

Wir erfahren Europa jeden Tag: auf dem heimischen Wochenmarkt, in der Musik und Literatur, in Sportveranstaltungen, in Schul- und Klassenpartnerschaften bis hin zum Tourismus. Wir erfahren Europa auch in den Debatten über religiöse Vielfalt oder mul- tikulturelles Leben – das ist nicht immer einfach, aber Realität; auch die Inhalte und der Stil dieser Debatten formen unser europäisches Bild.

„Europa der Regionen“ – das heißt: Wir verstehen uns als Teil Europas, in das wir un- ser Selbstverständnis, unsere Stärken einbringen. Dazu zählt natürlich der Bildungsbe- reich, die Förderung der Europaschulen, die Europafähigkeit der Hochschulen, usw.; doch reicht dies nicht aus, weitere Bereiche gehören dazu. Als Stichworte sind natür- lich die Förderung des Arbeitsmarktes, der Sozialpolitik, aber auch unsere Minderhei- tenpolitik zu nennen; letztere ist sicher kein „Prototyp“, aber ein Angebot für europäi- sche Konfliktlösungen. Das Europäische Minderheitenzentrum in Flensburg ist euro- paweit angesehen. Dazu gehört auch unsere Nord- und Ostseekooperation, die uns die Konkurrenz der europäischen Regionen erfolgreich bestehen lässt.

Die zweite Botschaft ist: Wir müssen die europapolitischen Instrumente unseres Landes weiter schärfen; d.h. wichtig ist und bleibt die selbstbewusste Behauptung der eigenen regionalen und politischen Interessen. Es geht darum, den eigenen Stand- -4-



ort in Europa deutlich zu machen und zu optimieren. Das Hanse-Office in Brüssel leistet gute Arbeit und schafft damit auch europäische Identität für Schleswig-Holstein; diese Arbeit muss zusammen mit Hamburg weiter gesichert werden und ich begrüße es ganz außerordentlich, dass eine Filiale des Hanse-Office in St. Petersburg eröffnet werden soll. Diese Initiative des Europaministers ist aus Sicht eines starken Europa der Regionen nur zu begrüßen!

Der „Ausschuss der Regionen“ ist für uns ein weiteres Instrument regionaler Euro- papolitik; hier war und ist unser Anspruch auf Mitgestaltung direkt zu realisieren; das haben Ulrike Rodust und Heide Simonis sehr erfolgreich getan und der Europaminister intensiviert diesen Prozess noch. Das ist gut und richtig. Insbesondere die Maritime Politik, wie wir sie formuliert haben und wie sie EU- Kommissar Borg als maritimem Beauftragen vor wenigen Wochen auch vorgestellt wurde – das ist eine selbstbewuss- te regionale Politik mit europäischer Dimension und fördert damit europäische Identi- tät.

Weiterhin müssen wir unsere Aktivitäten in weiteren europapolitischen Gremien mit regionalem Bezug verstärken; ich nenne nur beispielhaft die Nordsee-Kommission und die Konferenz der Subregionen; hier kann Schleswig-Holstein seine Position ge- rade im Feld der maritimen Politik noch schärfen.

Bisher habe ich die von der Regierung getragenen Instrumente genannt, auch und ge- rade die parlamentarischen Aktivitäten gehören dazu, wenn wir vom „Europa der Re- gionen“ sprechen; und deshalb ist es richtig, wenn wir die interregionale Zusammen- arbeit der Landtage, die Umsetzung unserer Parlamentspartnerschaften also, hier ansprechen.

Ich begrüße außerordentlich, dass zur Zeit eine Konkretisierung erfolgt, d.h. konkrete Projekte auf den Weg gebracht werden sollen, denn nur so spüren die Menschen bei -5-



uns, dass Europapolitik für sie, in ihren Verbänden und Einrichtungen, eine Chance ist. Oder deutlicher gesagt: Auch die Legislative muss sich bei den Partnerschaften an konkreten Ergebnissen messen lassen – ein Ansatz, den der Landtagspräsident in ei- ner der letzten Europaausschuss-Sitzungen ausdrücklich betont hat, und damit hat er Recht.

Und eine dritte Botschaft zum Schluss: Ein lebendiges „Europa der Regionen“ gibt uns als Schleswig-Holsteinern die Möglichkeit, auf Bundesebene mitzuwirken und da- mit stärker als bisher Einfluss auszuüben. Deshalb ist Fortführung der Föderalismus- Debatte für uns als Europa-Politiker so wichtig, deshalb ist das Frühwarnsystem, über das wir gleich sprechen werden, so wichtig. Nationale Politik betrifft immer sowohl die europäische als auch die regionale Ebene: keine Steuerreform, keine Arbeitsmarktre- form oder Sozialreform steht mehr für sich allein, immer ist auch Europafähigkeit ge- fragt.

Die Politikverschränkung der verschiedenen Ebenen wird sich fortsetzen. Schon des- halb ist die regionale Ebene verpflichtet, diesen föderalen Prozess zu beeinflussen. Al- so noch einmal zusammen gefasst: Die erste echte europäische Verfassungsdebatte ist schon jetzt zu einem Wettbewerb der Ideen geworden – und das ist gut so.

Wir wollen in diese Debatte mit einer umfassenden neuen Konzeption eines „Europas der Regionen“ einsteigen und damit deutlich machen, dass regionale Identität einer europäischen Identität nicht widerspricht, sondern geradezu förderlich sein kann. – Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss und bin sicher, dass es uns gelingt, mehr Zustimmung und Akzeptanz für Europa zu schaffen.

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