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23.01.06 , 11:50 Uhr
B 90/Grüne

Klaus Müller zu den Entwicklungsperspektiven der Flughäfen Hamburg und Schleswig-Holstein

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
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Nr. 027.06 / 23.01.06
Das ganze Bild betrachten: Was eben auch im Gutachten zu den Entwicklungsperspektiven der Flughäfen Hamburg und Schleswig-Holstein steht …
Seit dem 22. Dezember 2005 liegen die „Entwicklungsperspektiven der Flughäfen der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg“ von der Unternehmen Uniconsult vor. Veröf- fentlicht wurde bisher aber nur eine kurze Zusammenfassung. Für morgen hat Ver- kehrsminister Austermann eine Entscheidung des Kabinetts angekündigt. Dazu erklärt der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Klaus Müller:
Die Uniconsult Studie wird für den Kabinettsbeschluss – insbesondere die vorläufige Be- endigung der Ausbauplanungen für den Flughafen Kiel-Holtenau - sicherlich eine um- fangreiche Legitimation liefern. Wichtig ist aber, das Gutachten auch in der Langfassung zu lesen, da es die Chancen und Risiken für alle Flughäfen sehr ausgewogen beleuchtet.
Erwartungsgemäß kommt die Studie zum Ergebnis, dass die drei Flughäfen, Hamburg, Kiel und Lübeck, in Konkurrenz zueinander stehen und ihre Entwicklungsperspektiven „interdependent“ sind. (Seite 2 und 23f). Vereinfacht gesagt, wird der Ausbau des Flug- hafens Lübeck den Hamburger Flughafen zu mehr Anstrengungen animieren und je bes- ser der Hamburger Flughafen durch diesen Wettbewerb wird, desto geringer sind die Chancen für den Ausbau des Kieler Flughafens. (Seite 25-27)
Wir Grüne bezweifeln,
- dass diese Wettbewerbssituation volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Deutschland braucht wie im Straßen- und Schienenverkehr eine koordinierende Steuerung durch die Bundesregierung, die Investitionsruinen und „Kannibalisierungen“ verhindert.
1/5 - dass der bisherige dynamische positive Anstieg der Passagierzahlen ohne weiteres und für alle Regionalflughäfen in die Zukunft fortgeschrieben werden kann. Die Fluggast- entwicklung auf den deutschen Regionalflughäfen war in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich. Es gab Gewinner und Verlierer. (Seite 47-49) Zusammenschlüsse von Low-Cost-Carriern und Umweltauflagen werden voraussichtlich zu steigenden Preisen und einem geringeren Anstieg der Nachfrage führen.
- dass die Abhängigkeit des Lübecker Flughafens von einem starken Anbieter, eine ver- lässliche Grundlage für eine Ausbauentscheidung darstellt. Die bisherigen Erfahrungen mit der Fluggesellschaft Ryanair in anderen Ländern mahnen zu Vorsicht.
- dass die Diskussion über den Ausbau des Kieler Flughafens endgültig zu den Akten gelegt werden wird. Selbst wenn das Kabinett zu Recht der Empfehlung der Gutachter („Option 3“) folgen wird und den Ausbau (vorläufig) beendet, wird es rund um die nächste Landtagswahl (2010) viele Stimmen geben, die einen erneuten Ausbau – dieses Mal in- klusive Charterverkehre und ohne eine entsprechende Gewichtsbeschränkung – fordern werden.

Für eilige LeserInnen haben wir diejenigen Aussagen des Gutachtens zusammengefasst, die die differenzierte Beurteilung der Kieler und Lübecker Ausbauoptionen durch die Gutachter widerspiegeln.

I) Entwicklung des Luftverkehrs
Das Passagieraufkommen der Regionalflughäfen im Inlandsflugverkehr hat sich so- wohl insgesamt als auch für die Mehrzahl der einzelnen Flughäfen deutlich verringert. (Seite 3) „Eine Abhängigkeit von Low-Cost-Carriern ist für Regionalflughäfen mit hohen Risiken verbunden sofern sich die Fluggesellschaften nicht unwiderruflich für ei- nen längeren Zeitraum an die Flughäfen gebunden haben.“ (Seite 3)
„Der Markteintritt neuer oder bisher nicht im gewerbsmäßigen Luftverkehr engagierter Flughäfen in oftmals verhältnismäßig entlegener Lage hat in Teilen des Flughafensys- tems zu einem Überangebot an Flughafenkapazitäten geführt und ist geeignet, die weiteren Entwicklungschancen bereits etablierter Flughäfen zu beeinträchtigen.“ Selbst die Flughäfen Hahn (2004: 2,7 Mio. Passagiere) und Dortmund (2004: 1,1 Mio. Passa- giere) werden „bis heute nicht kostendeckend betrieben“. „Im Ergebnis sehen sich vie- le Flughafenregionen in einem Subventionswettbewerb um attraktive Flugverbin- dungen gefangen.“ (Seite 61)
Zu Recht verweist das Gutachten auf die neuen umweltpolitischen Anforderungen „vieler europäischer Staaten“ (Seite 54), wie „etwa eine Verschärfung von Umweltaufla- gen und der Einführung eines Zertifikatehandels für Umweltnutzungen, die den Betrieb von Regionalfluglinien verteuern und geeignet sind, Grenzangebote zu gefährden.“ (Seite 54)
Für Schleswig-Holstein stellen die Gutachter eine „unterdurchschnittliche Wachs- tumsdynamik“ fest und sie erwarten durch die abnehmende Bevölkerungszahl eine Ab- nahme, aber durch das veränderte Reiseverhalten einen Anstieg der Luftverkehrsnach- frage. Mit Ausnahme von Sylt wird kein Impuls durch den stark von Inlandstouristen ge- prägten touristischen Markt erwartet. Für den Städtetourismus in Hamburg und Lübeck wird eine „abschwächende Dynamik“ und eine Stabilisierung auf hohem Niveau erwartet. (Seite 2)
„Vorhersagen zur künftigen Entwicklung der Luftverkehrsmärkte sind daher heute deut- lich schwieriger als noch vor wenigen Jahren.“ (Seite 72)

II) Flughafen Lübeck:
Der Flughäfen Lübeck wird sich bei einem erfolgreichen Ausbau „zunehmend als ernst- hafter Wettbewerber Hamburgs entwickeln.“ Hamburg wird durch diesen „anspruchsvol- leren Wettbewerb“ sein Angebot verbessern (müssen), wovon wiederum auch Schles- wig-Holstein profitiert. (Seite 3 und 4)
Das Low-Cost-Carrier-Segment bietet dem Flughafen Lübeck „starke Wachstumsper- spektiven, die allerdings durch eine hohe Abhängigkeit von einer dort dominierenden Fluggesellschaft auch mit hohen Risiken verbunden sind“. (Seite 3)
„Wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, setzt Ryanair nicht unbedingt auf Ver- bindungen, die sich aufgrund eines ausreichenden Verkehrsaufkommens wirtschaftlich selbst tragen können, sondern zielt oftmals auch explizit auf die dauerhafte Subven- tionierung ihrer Strecken durch regionale Gebietskörperschaften. So hat das Unter- nehmen in mehreren Fällen unmittelbar nach der Beendigung von Subventionszahlungen Flugverbindungen eingestellt.“ (Seite 55)
„Ryanair selbst versucht dieses (Charleroi-)Urteil dadurch zu umgehen, indem sie min- destens in einem Fall eine Gemeinde in Polen darauf verpflichtete, auf der Ryanair- Homepage teure Regionalwerbung zu schalten.“ (Fußnote 25, Seite 55)
Der Hamburger Wirtschaftssenator Uldall plädierte dagegen in der gemeinsamen Pressemitteilung vom 22.12.05 für einen fairen Wettbewerb: „Wichtig ist, dass der Wettbewerb im Luftverkehr fair geführt werden muss. Luftverkehrsgesellschaften dürfen auf keinen Fall durch Subventionen gelockt werden.“
„Flughäfen, die auf Low-Cost-Carrier angewiesen sind, sehen sich allerdings aufgrund der hohen Mobilität dieser Fluggesellschaften insbesondere hinsichtlich der Flughafen- nutzungskosten und ggf. auch hinsichtlich möglicher Subventionsforderungen sowie der zunehmenden Konkurrenz durch neu in den Markt eintretende Flughäfen hohen Risiken ausgesetzt, sofern es ihnen nicht gelingt, ihre Infrastrukturinvestitionen durch geeignete Verträge mit den Low-Cost-Airlines hinreichend abzusichern.“ (Seite 56)
„Ein Negativbeispiel dafür stellt der zwischen dem belgischen Flughafen Oostende und Ryanair geschlossene Vertrag dar, in dem Ryanair sich verpflichtet, den Flughafen mindestens 10 Jahre in sein Streckennetz aufzunehmen und der den Flughafenbetreiber dazu veranlasste umfangreich in Infrastrukturanlagen zu investieren. Bereits nach einem Jahr verließ Ryanair den Flughafen wieder.“ (Fußnote 27, Seite 56)
Langfristige Verträge können das Risiko reduzieren, „allerdings sind Verträge wie in Lübeck, die dem Flughafenbetreiber ein festgelegtes Verkehrsvolumen garantieren, nicht immer wiederverhandlungsresistent.“ (Seite 62) Empfohlen wird eine eigentumsrechtliche Beteiligung der Fluggesellschaften an den Infrastrukturanlagen und –kosten. „Für den Flughafen Lübeck ergeben sich im Low-Cost-Carrier-Segment starke Wachs- tumsperspektiven, die allerdings durch die hohe Abhängigkeit von einer dominierenden Fluggesellschaft auch mit hohen Risiken verbunden sind.“ (Seite 63)
„Im Low-Cost-Bereich ist nach den bisherigen Erfahrungen aufgrund der dort erzielbaren geringen Flughafennutzungsentgelte ein wirtschaftlicher Flughafenbetrieb erst bei einem (…) Passagieraufkommen von über 1 Mio. Flugreisenden (zu erwarten).“ (Fußnote 38, Seite 69) Infratil erwartet rund 5,6 Mio. Passagiere im Jahr 2015. (Seite 70)

III) Flughafen Kiel
Durch das veränderte Marktumfeld für Regionalflughäfen, neue kostengünstige An- gebote der Lufthansa und die Zuwächse der Billigflieger haben sich die Entwick- lungsperspektiven für Holtenau verschlechtert. (Seite 3)
Die Gutachter erwarten nicht, dass sich dieser Flughafen auf absehbare Zeit eigenwirt- schaftlich zu betreiben sein wird. (Seite 3) Die Gewichtsbeschränkung, die die Abferti- gung von großen Jets verhindert, „schränkt zudem die Entwicklungsperspektive weiter ein“. (Seite 4) Diese technische Begrenzung „kann nicht empfohlen werden“ und die In- vestitionen in eine voll ausgebaute Start- und Landebahn wären „nur unmerklich größer“. (Seite 20) Das Gutachten sieht Chancen für Charterverkehre, wozu aber die Gewichts- begrenzung fallen müsste. (Seite 68)
„Die Luftverkehrsnachfrage ab Kiel wird wie bisher auch künftig in starkem Maß von dem Luftverkehrsangebot in Hamburg bestimmt werden, so dass nicht sicher ist, dass das regional durchaus beachtliche Passagierpotential selbst bei Ausbau der Startbahn von Kiel aus bedient werden kann.“ (Seite 70)
Der Gutachter empfiehlt eine verbesserte Busanbindung des Hamburger Flughafens ab Kiel. (Seite 5)

IV) Flughäfen Hohn und Jagel
Der Gutachter hält das in den ehemaligen Militärflughäfen Hohn und Jagel abzufertigen- de Luftverkehrspotenzial für geringer als in Kiel, da „beide Flughäfen vom Zentrum der Nachfrage weiter entfernt sind als der Kieler Flughafen“. (Seite 5)
In Schleswig-Jagel gibt es eine private Investoren Gruppe, die für den 55 Mio. Euro teu- ren Ausbau keine öffentlichen Mittel beantragen möchte. Der Gutachter hält es für un- wahrscheinlich, dass „in einem sehr dynamischen Markt“ die Fluggesellschaften in 2006 eine Zusage geben werden, ob sie ab 2008 den Flughafen tatsächlich nutzen werden. (Seite 17)

V) Flughafen Hamburg
Der Flughafen Hamburg ist unbestritten der internationale Verkehrsflughafen für Hamburg und Schleswig-Holstein. Seine Attraktivität hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, da der Zuwachs an Direktverbindungen von Hamburg aus die Notwendig- keit des Umsteigens an Drehkreuzen gesenkt hat. Die Gutachter erwarten dementspre- chend einen Ausbau der Fluglinien (Seite 2). Die Gutachter halten eine Option für Alternativstandorte (Kaltenkirchen) bei einem „weiterhin anhaltenden dynamischen Wachstum im Flugverkehr“ in 15-20 Jahren für notwendig. (Seite 5)

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