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Jutta Schümann zu TOP 4 + 23: Für eine bundeseinheitliche Regelung für Vorsorgeuntersuchungen
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 26.01.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 4+23 - Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst + Vorfahrt für Kinder – Ausbau von Frühförderung und Einführung einer verbindlichen Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige + Früher Wahrnehmen –schneller handeln – besser kooperieren – zum Wohle unserer Kin- der (Drucksachen 16/519 + 16/518 + 16/542)Jutta Schümann:Für eine bundeseinheitliche Regelung für VorsorgeuntersuchungenTrotz schon lange bestehender Beratungs- und Unterstützungsangebote besteht Hand- lungsbedarf, um Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt gegen Kinder vorzubeugen, so die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Jutta Schümann. Dazu ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Kontrollen nötig, die sich auch an die Eltern und weitere Familienangehörige richten. Um Früherkennungsuntersuchungen verpflichtend zu machen, sollte eine bundeseinheitliche Regelung herbeigeführt werden.Die Rede im Wortlaut:Auf kaum ein Thema reagiert die Öffentlichkeit zu Recht so sensibel wie auf den Schutz von Kindern vor Missbrauch, Ausbeutung, Vernachlässigung und Gewalt. Immer wieder stehen Parlamente vor der Aufgabe, die Wirksamkeit von entsprechenden Gesetzen zu überprüfen. Eine große Anzahl von Ämtern, Verbänden, Ärzten, Pädagogen und Initiativen kümmert sich um die Opfer von Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt. Auch in Schleswig-Holstein.Es gibt Beratungs- und Unterstützungsangebote seit vielen Jahren. Der Kinderschutzbund leistet z.B. seit vielen Jahren eine sehr gute Arbeit. Dennoch besteht Handlungsbedarf - Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-mehr denn je. Die Fallzahlen steigen, die Schicksale von Jessica in Hamburg und Tim in Elmshorn sind erschütternde Beispiele.Ich möchte anmerken: Nicht alle Kinder, die unter ungünstigen psychosozialen Bedingun- gen und vielfältigen Belastungen aufwachsen, entwickeln eine seelische und gesundheitli- che Störung. Dennoch zeigt sich immer mehr, dass insbesondere Kleinkinder in Benach- teiligten- und Problemfamilien ein höheres Risiko haben, psychisch und physisch zu er- kranken.Auf solche Risiken und Entwicklungen gilt es, mit einem Bündel unterschiedlicher Maßnah- men und Kontrollen zu reagieren. Diese müssen gerichtet sein auf die körperliche und seeli- sche Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen, auf das direkte persönliche und weitere soziale Umfeld von Kindern und Jugendlichen. Und sie müssen auch gerichtet sein an die Eltern und weiteren Familienangehörigen. Uns liegen zur Diskussion heute zwei Anträge zur Kindergesundheit und Frühförderung sowie ein Änderungsgesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst vor. Beide Anträge haben das gemeinsame Ziel, Möglichkeiten und neue Wege zur Vermeidung ge- sundheitlicher Schäden und Entwicklungsstörungen bei Kindern auszuloten und konkret zu beschließen. In unserem Berichtsantrag fragen wir nach einzelnen Maßnahmen und Möglichkeiten, um dem Problem in seiner Komplexität begegnen zu können: • Möglichkeiten zur Verbesserung der Frühförderung • Hilfestellung für Familien • Maßnahmen gegen Überforderung von Eltern • soziale und gesundheitliche Frühwarnsysteme • gesetzliche Regelungen (auf Landes- oder Bundesebene) für verbindliche Vor- sorgeuntersuchungen -3- • Kooperationsformen zwischen Ämtern, Behörden, Kitas, Schulen, Polizei, Trägern der Jugendhilfe • Sensibilisierung der Bevölkerung zur Stärkung der Mitverantwortung • Finanzierungsmöglichkeiten.Der Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN bezieht sich im Besonderen auf verbindliche und verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen und seine kurzfristigen Realisierungsmög- lichkeiten in Schleswig-Holstein durch Änderung des Gesundheitsdienstgesetzes. Zugrunde liegen diesem Antrag besonders die nach SGB V geregelten Früherken- nungsuntersuchungen, umgangssprachlich als Vorsorgeuntersuchungen bekannt.Diese U1 - U9 und J1 Untersuchungen sind Bestandteil der Kinderrichtlinien des SGB. Niedergelassene Kinderärzte, aber auch Hausärzte, Ärzte für Allgemeinmedizin, dürfen sie durchführen und abrechnen. Die Teilnahme an diesen Untersuchungen ist freiwillig. Nach Aussage der Krankenkassen liegt die Inanspruchnahme 2004 bei ca. 75%. Bun- desweite Vergleichszahlen aus 2001 belegen, dass in Schleswig-Holstein weniger Kin- der an den Untersuchungen teilgenommen haben als im Bundesdurchschnitt.Die Intention des Antrags der Grünen und insbesondere der vorgelegte Gesetzentwurf sind für uns nachvollziehbar. Einige Fragen sind aber dennoch offen: z.B. wie soll ver- fahren werden, wenn Eltern sich trotz Verpflichtung verweigern und sich auf ihr El- ternrecht, das ja Verfassungsrang hat, berufen? Was geschieht, wenn Vernachlässi- gung, Defizite bei den Kindern festgestellt werden? Welche verbindlichen Unterstüt- zungs- und Hilfesysteme für Kinder und Eltern haben wir und stehen sie überhaupt ü- berall, wohnortnah zur Verfügung? Welche Kosten entstehen, und wer soll die Kosten übernehmen?Die Regelung über das Gesundheitsdienstgesetz mag ein Weg sein, den wir im Aus- schuss noch einmal intensiv diskutieren sollten. Aus unserer Sicht bevorzugen wir zum -4-jetzigen Zeitpunkt eher eine bundeseinheitliche Regelung für Früherkennungsun- tersuchungen und deshalb unterstützen wir die Ministerin bei ihrem Vorstoß zu einer bundesgesetzlichen Regelung, wie sie in Hamburg bereits beschlossen wurde. Rechts- grundlagen für die Früherkennungsuntersuchungen bestehen bundesrechtlich im Rah- men der Gesundheitsvorsorge und deshalb sollte die verbindliche Ausgestaltung auch auf dieser Ebene erfolgen.Die bestmögliche Förderung der Gesundheit ist ein zentrales Recht aller Kinder und Jugendlichen. Nach dem Verständnis der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit wird definiert als ein Zustand voll- ständigen körperlichen und geistigen Wohlseins. Auch wenn die völlige Realisierung des WHO-Ansatzes fast illusionär erscheint, sollte man seine Erfüllung anstreben. Gesund- heit ist in die jeweiligen Lebensumstände eingebettet und vielfältige Faktoren bestimmen in enger Wechselwirkung das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit. Darauf haben wir Rücksicht zu nehmen, wenn wir das zentrale Recht aller Kinder und Jugendlichen auf bestmögliche Förderung ihrer Gesundheit erfüllen wollen.