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26.01.06 , 10:34 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zur Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige

PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 4 + 23 – Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Dazu sagt der sozialpolitische Sprecherin Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Monika Heinold: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.sh.gruene-fraktion.de

Nr. 041.06 / 26.01.06 Nicht auf Berlin warten, sondern Landeskompetenz nutzen
Kinder sind für eine Gesellschaft wichtig und wertvoll. Kinder sind die Zukunft. Leben mit Kindern ist Bereicherung. Zumindest für viele Menschen.
Aber es gibt auch die andere Seite: Kinder können stören. Sie schränken den Alltag ein. Sie behindern die Karriere. Und sie schaffen es, Eltern schier zur Verzweiflung zu brin- gen.
Immer mehr Eltern sind tief verunsichert, wollen alles 200-prozentig richtig machen. Im- mer häufiger sind Familien mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Sie fühlen sich al- lein gelassen und kommen mit dem Familieneinkommen nicht mehr aus. Eltern empfin- den ihre Lebensumstände als bedrückend.
Bestehende Hilfsangebote erreichen sie nicht oder reichen nicht aus. Die Schere zwi- schen Arm und Reich ist weiter aufgegangen, Kinder sind ein Armutsrisiko geworden. Dies ist keine Schwarzmalerei, sondern gehört zu der Auseinandersetzung mit der Fra- ge, warum immer häufiger Fälle grausamster Kindesvernachlässigung aufgedeckt wer- den.
Ziel muss es sein, alle Eltern in die Lage zu versetzen, ihren Erziehungsauftrag gewis- senhaft wahrzunehmen. Ziel muss es auch sein, alle Kindern vor Gewalt zu schützen und ihnen ihr Recht auf Erziehung und Bildung und auf ein gesundes Lebensumfeld zu garantieren.
Zirka 500.000 aufgedeckte Fälle von Kindesvernachlässigung in Deutschland zeigen, dass diese Grundrechte viel zu oft nicht gewährleistet sind. Krasse Einzelfälle haben da- zu geführt, dass nun gefordert wird, alle zehn Vorsorgeuntersuchungen, die bisher im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig sind, verpflichtend zu machen.
1/4 Hamburg und das Saarland haben eine Bundesratsinitiative angekündigt. Das deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund aber auch die schleswig-holsteinische Sozialmi- nisterin haben diese Forderung unterstützt.
Mit unserem Antrag bitten wir die Landesregierung, die angekündigte Bundesratsinitiative positiv zu begleiten und auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Außerdem bringen wir heute einen eigenen Gesetzentwurf ein, der sicher stellt, dass ab Sommer 2006 alle zweijähri- gen Kinder in Schleswig-Holstein an einer verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung teil- nehmen müssen.
Wir wollen, dass Schleswig-Holstein in eigener Verantwortung handelt, und nicht auf ein Bundesratsverfahren wartet, von dem völlig unklar ist, wann es beginnt und wie es aus- geht.
Zwar ist die Forderung, zehn neue Pflichtuntersuchungen einzuführen, schnell gestellt und findet bei 75 Prozent der Bevölkerung breite Unterstützung, aber eine Antwort dar- auf, wie dieses umgesetzt werden kann, gibt es noch nicht.
Im Gegenteil: Der Berliner Senat hat bereits vor zwei Jahren festgestellt, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist, Vorsorgeuntersuchungen generell zur Pflicht zu machen, weil dies einen unverhältnismäßiger Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Grundrechte der Eltern wäre. Es scheint also, als würden generelle Pflicht- untersuchungen eine Änderung des Grundgesetzes erfordern.
Hinzu kommt die Aussage unseres des wissenschaftlichen Dienstes, dass es zweifelhaft erscheint, ob eine Maßnahme staatlicher Fürsorge aus den Beitragszahlungen der Kran- kenversicherung gedeckt werden kann.
So kann es passieren, dass die öffentliche Hand auf den Kosten sitzen bleibt, wenn wir die bisher freiwillige Kassenleistung zur Pflicht machen. Bei zehn Untersuchungen pro Kind sind das nicht unerhebliche Kosten. Damit wären alle Haushaltmittel, die wir drin- gend für Frühförderung und Familienhilfe benötigen, verbraucht.
Die Grüne Landtagsfraktion setzt einen anderen Schwerpunkt: Wir wollen verpflichtende Untersuchungen, aber wir wollen genauso, dass der Schwerpunkt neuer Ausgaben bei Prävention, Früherkennung und Familienhilfe liegt.
Wir wollen nicht auf Berlin warten, sondern unsere Landeskompetenz nutzen.
Ich möchte mich ganz ausdrücklich beim wissenschaftlichen Dienst des Landtages be- danken, der uns durch sein differenziertes Gutachten aufzeigt, welche Möglichkeiten wir als Landesgesetzgeber haben.
In der Hoffnung auf eine konstruktive Debatte habe ich dieses Gutachten auch an die anderen Fraktionen weitergeleitet.
Unser Gesetzentwurf setzt auf vorhandene Strukturen, auf eine kostengünstige Lösung und auf die Möglichkeit einer zügigen Umsetzung. Vernachlässigte Kinder haben nicht die Zeit, auf langwierige parlamentarische Entscheidungsprozesse im Bundesrat zu war- ten. Wir schlagen vor, dass die Gesundheitsämter der Kreise die neue Pflichtuntersuchung durchführen und dass das Land im Rahmen des Konnexitätsprinzips die Kosten erstattet.
Um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Elternrecht zu wahren, schlagen wir wei- terhin vor, dass Eltern statt der Pflichtuntersuchung beim Gesundheitsamt mit ihren 21 bis 24 Monate alten Kindern alternativ die U7 bei der Haus- oder KinderärztIn wahrneh- men können.
Hierbei orientieren wir uns am sächsischen Schulgesetz, das Pflichtuntersuchungen für SchülerInnen festschreibt, die aber alternativ durch einen Arztbesuch ersetzt werden können.
Um den Anreiz zu verstärken, die kostenlose Vorsorgeuntersuchung bei der zuständigen KinderärztIn wahr zu nehmen, soll die Pflichtuntersuchung beim Gesundheitsamt kos- tenpflichtig werden.
Ziel ist es, dass sich die Eltern daran gewöhnen, mit ihren Kindern bei der KinderärztIn zur Vorsorge zu gehen. Ziel ist es auch, die Kosten für die neue Untersuchung gering zu halten, um die Haushaltsmittel für den ermittelten Förder- und Unterstützungsbedarf ein- zusetzen.
Um das Kindeswohl sicher zu stellen, muss eine nicht wahr genommene Pflichtuntersu- chung dazu führen, dass notfalls das Jugendamt eingeschaltet wird. Nur so können wir alle Kinder erreichen.
Zu einer ganzheitlichen Untersuchung gehört, dass alle Entwicklungsstörungen, die kör- perliche oder geistige Ursachen haben, tatsächlich festgestellt werden und dass auch Vernachlässigung oder Misshandlung erkannt wird. KinderärztInnen mahnen daher auch an, dass die kassenärztliche Vorsorgeuntersuchung modernisiert werden muss.
Wir haben diesen Punkt mit aufgenommen und bitten die Landesregierung, auf die Kran- kenkassen einzuwirken damit die Vorsorgeuntersuchungen erweitert werden und damit Versorgungslücken, beispielsweise bei den dreijährigen Kindern, geschlossen werden.
Ich weiß, dass unser Gesetzentwurf Folgekosten mit sich bringt und ich weiß, dass er Bürokratie auf- statt abbaut. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass Handlungs- bedarf besteht und dass wir unsere landesgesetzgeberische Kompetenz ausschöpfen müssen.
Auf den Bundesgesetzgeber sollten wir nicht warten, zumal sich Bundesfamilienministe- rin von der Leyen bereits im Dezember dagegen ausgesprochen hat, ärztliche Untersu- chungen für Kinder zur Pflicht zu machen.
Das Thema Kindesvernachlässigung eignet sich nicht für parteipolitische Kontroversen.
Der Antrag der Großen Koalition fordert nun, dass die Landesregierung bis Juli 2006 prü- fen soll, ob eine gesetzliche Regelung auf Landes- und/oder Bundesebene ein Lösungsansatz wäre.
Es komplett unverständlich, das die Große Koalition unsere Initiative ein halbes Jahr lang in die Schublade legen will, statt ein Gesetz zu beraten, das in einem halbem Jahr schon umgesetzt werden könnte. Meine Damen und Herren von CDU und SPD, eine Ministerin, die bereits im November 2005 öffentlich verbindliche Pflichtuntersuchun- gen gefordert hat, wird doch nicht sechs Monate brauchen, um zu prüfen, ob diese Aus- sage richtig war und ob sie umzusetzen ist!
Ich verweise auf die Geschäftsordnung des Landtages, Paragraf 14, in der die Aus- schüsse zu einer baldige Erledigung der ihnen erteilten Aufträge verpflichtet sind. Ich er- warte, dass wir uns im Fachausschuss zügig mit dem vorgelegten Gesetz beschäftigen.
Die Lage der betroffenen Kinder zu ernst für großkoalitionäre Unentschlossenheit oder für Taktierereien.

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