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26.01.06 , 12:15 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 15: Fußfesseln sind kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Extremismus

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 26.01.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 15 - Keine elektronische Fußfessel als Überwachungsinstrument für sogenannte Hasspre- diger (Drucksache 16/506):

Thomas Rother:

Fußfesseln sind kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Extremismus

Würde man sich lediglich auf den ersten Satz des Antrages der FDP-Fraktion einlas- sen, könnten wir, so glaube ich, schnell zu einer gemeinsamen Beschlussfassung ge- langen. Elektronische Fußfesseln sind ziemlich eindeutig kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Extremismus – egal ob dieser von sogenannten „Hasspredigern“ o- der wem auch immer ausgeht.

Also es steckt mehr und auch anderes dahinter. Bereits im Jahr 2004 hatte Otto Schily den Vorschlag gemacht, gefährliche Ausländer, wenn ein Abschiebehindernis be- stehe, auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren oder sie wenigstens mit elektroni- schen Fußfesseln unter Kontrolle zu halten. Die Bild-Zeitung legte schon damals Niedersachsens Innenminister Schünemann eine ähnliche Äußerung in den Mund – was dieser dann doch nicht so weiter verfolgen mochte, aber nunmehr in der Welt vom 28.12.2005 gefordert hat. Und Innenminister Beckstein aus Bayern sprang dann im Focus Herrn Schünemann bei.

Sinn und Unsinn einer elektronischen Fußfessel – die sogar schon in Bezug auf Lang- zeitarbeitslose und Schulschwänzer diskutiert wird – ist da nur das Nebenthema. Es geht letztlich darum, wie man mit denjenigen umgeht, die eigentlich in der Verlas- senspflicht stehen, die aber nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können, weil Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



ihnen dort Folter oder gar die Todesstrafe droht – geschweige denn ein Gerichtsver- fahren nach rechtsstaatlichen Maßstäben möglich ist.

Die Diskussion aus dem Jahr 2004 hat sich an dem Fall Metin Kaplan festgemacht, der auch jetzt wieder beispielgebend angeführt wird. Kaplan forderte seine Anhänger zum Mord an einem Konkurrenten um das höchste Amt im Kölner Kalifat auf – ein hal- bes Jahr später wurde dieser Konkurrent ermordet. Kaplan wurde zu vier Jahren Ge- fängnis verurteilt und verbüßte die Haftstrafe zum Teil. Die Türkei ersuchte um seine Auslieferung in Zusammenhang mit einem Sprengstoff- anschlag. Ein Asylantrag wurde abgelehnt, aber ebenso die Abschiebung wegen dro- hender Folter in der Türkei. Die Kölner Ausländerbehörde erwirkte dennoch einen Haftbefehl. Die Vollstreckung scheiterte daran, dass Kaplan nicht zu Hause anzutref- fen war. Allerdings tauchte er dann später wieder auf – um seiner Meldepflicht bei ei- nem Kölner Polizeirevier nachzukommen. Und mittlerweile ist er ja außer Landes.

Die absurde Geschichte um Metin Kaplan hatte eine Debatte um den sicheren Zugriff des Staates auf gefährliche Personen zur Folge. Eine Debatte, die jetzt wie- der aufzuleben scheint und sich auf die etwa 3.000 gewaltbereiten Islamisten in Deutschland bezieht. Diese 3.000 Personen halten sich allerdings ebenso recht- oder unrechtmäßig wie andere Ausländer in Deutschland auf. Und niemand weiß, ob und wann diese Leute gefährlich werden oder auch nicht. Dennoch stellen sie natürlich aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft eine Gefahr dar – genauso wie beispielsweise ge- waltbereite inländische Rechtsextremisten.

Zur Auseinandersetzung mit dem Islamismus gehört, dass die Bedürfnisse der Musli- me ernst genommen werden, genauso wie das Unbehagen vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Islam. So kann der Unterschied zwischen Islam und Islamis- mus deutlich werden. -3-



Doch neben dieser kulturellen Frage bleibt die Sicherheitsfrage und bleibt auch die Frage der Durchsetzung der Verlassenspflicht. Diese Fragen wurden mit dem Aufent- haltsgesetz neu geregelt. Demnach kann gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicher- heit der BRD oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen werden (§ 58a). „Hassprediger“ – also wer terroris- tische Taten in einer Weise billigt oder dafür wirbt, die geeignet ist, die öffentliche Si- cherheit und Ordnung zu stören - können nach § 55 Aufenthaltsgesetz ausgewiesen werden. Allerdings kündigen Terroristen ihre Taten in der Regel nicht persönlich an.

Eine Sicherungshaft als Alternative zur Fußfessel ist ebenso umstritten. Die Euro- päische Menschenrechtskonvention steht dem meiner Auffassung nach sowieso ent- gegen. Daran scheiterten letztlich auch ähnliche Maßnahmen in Großbritannien – un- abhängig von der politisch waghalsigen Auffassung, jemanden lediglich „zur Sicher- heit“ langfristig in Haft zu nehmen. Dies darf weiterhin nur zur Vorbereitung der Ab- schiebung der Fall sein und ist ansonsten nur kurzfristig als Unterbindungsgewahrsam möglich.

Weitaus wichtiger aber ist es, dass wir uns im Innen- und Rechtsausschuss mit der Abschiebeeinrichtung in Rendsburg – prinzipiell und nicht nur wenn da mal jemand ausbricht – befassen, genauso wie mit der Einrichtung in Neumünster, die ja nun- mehr auch dafür zuständig ist, das Verfahren zum Verlassen der Bundesrepublik quali- tativ zu verbessern und damit zu beschleunigen. Der Antrag, den wir in den Ausschuss zur abschließenden Beratung überweisen sollten, ist hierfür ein guter Anlass.

Themen, wie die Möglichkeiten zur Verbesserung des Aufenthaltsstatus von hier lang- jährig geduldeten Personen oder die Legalisierung der Illegalen in unserem Land ha- ben uns ja schon beschäftigt. Der Umgang mit diesen Themen macht deutlich, dass wir in Schleswig-Holstein weiterhin für eine liberale Ausländer- und Asylpolitik -4-



stehen und uns von den Kapriolen in Baden-Württemberg, die leider wohl bald auch in Hessen stattfinden werden, weiterhin wohltuend unterscheiden.

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