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26.01.06 , 16:51 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 24 - Vogelschutz auf Eiderstedt: Die Folgen der Ausweisung sind noch ungeklärt

Presseinformation
Kiel, den 26.01.2006 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 24 Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt und in der Eider-Treene-Sorge-Region Drs. 16/520

Wieder einmal haben wir eine emotionale Debatte um den Vogelschutz auf Eiderstedt bekom-
men. Der Anlass ist aber eigentlich ein Anlass von dem man meinen sollte, dass er Anlass zur
Freude gäbe. Immerhin soll das Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt von 19.800 auf 2.800 Hektar
verkleinert werden. Dass hätte eigentlich in der Region Eiderstedt für Jubelbekundungen führen
müssen – hat es aber nicht. Vor Ort ist man oft immer noch der Meinung, dass man auf die
Meldung eines Vogelschutzgebiets ganz verzichten könne. Diese Sichtweise hat der SSW immer
bezweifelt und vor diesem Hintergrund begrüßen wir eine erhebliche Verkleinerung des Schutz-
gebiets ausdrücklich.


Bei der Ausweisung von Flächen ist es ganz egal, ob man nun für oder gegen staatlichen Natur-
schutz ist. Ob man Betroffener ist oder nicht. Die Ausweisung eines Vogelschutzgebiets richtet
sich nach rein naturschutzfachlichen Kriterien. Und die werden erfüllt werden müssen und 2
anhand dieser Kriterien muss dann auch ausgewiesen werden. Wenn dann ein kleines Schutzge-
biet herauskommt, das nicht größer als andere Vogelschutz- und FFH-Gebiete ist, dann kann
man als Region zufrieden sein – auch wenn der einzelne Betroffene in diesem Rest-Gebiet natür-
lich mit Recht Hilfe von der Landesregierung erwarten darf.


Ein Punkt zog sich durch die gesamte Diskussion zu diesem Thema. Die Ausweisung des Vogel-
schutzgebietes wurde zwar öffentlich diskutiert, aber die Weichen wurden immer wieder durch
interne Arbeitsgruppen gestellt. Mit Recht wurde dies in den letzten Jahren gegenüber der alten
Landesregierung kritisiert. Aber auch diesmal war dies wieder einmal der Fall, dass man lieber
ohne die breite Bevölkerung entscheiden wollte. Das, was die CDU immer kritisiert hatte, wird
jetzt von ihrem Minister genauso gehandhabt. Eine Arbeitsgruppe vor Ort hat unter Ausschluss
der Öffentlichkeit beraten, diskutiert und Vorschläge gemacht und man hat sich von Seiten des
Umweltministeriums in geschlossenen Runden mit der Arbeitsgruppe abgestimmt.


Die breite Öffentlichkeit ist bis heute nicht von dem Verfahren oder auch nur von dem konkreten
Ergebnis der Arbeit offiziell informiert worden. Selbst wir hier im Landtag können heute nur
spekulieren, was Grundlage für die Ausweisung des Gebietes ist. Offizielle Papiere liegen mir und
liegen der Region Eiderstedt bis heute nicht vor. Deshalb können wir heute auch nur spekulieren,
ob die Meldung, so wie sie geplant ist, wirklich rechtlich durchstehen kann.
Dabei ist nicht die Frage entscheidend, ob der grüne Umweltminister Steenblock seinerzeit nur
2.000 Hektar auf Eiderstedt ausweisen wollte, um Konflikte zu umgehen, und er dann sogar erst
einmal ganz auf eine Ausweisung verzichtete, um das Problem erst einmal auszusitzen. Ebenfalls
egal ist es, ob Eiderstedter Landwirte in der Diskussion über eine großflächige Gebietsauswei-
sung zeitweise durchaus mit 10.000 oder 11.000 Hektar einverstanden gewesen wären. Ent-
scheidend ist einzig und allein, ob wir die Brüsseler Vorschriften so umsetzen, dass wir sie zufrie-
den stellend erfüllen und keine Strafzahlungen zu erwarten haben. 3
Geht man noch einmal an den Ausgangspunkt zurück, so kann man einerseits erkennen, wie
schwierig die Materie sein kann und wie unsicher auch das heutige vorläufige Ergebnis noch ist.
Am 3. April 2003 verschickte die EU-Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem die
Bundesrepublik Deutschland aufgefordert wurde, Vogelschutzgebiete auszuweisen. Auch
Schleswig-Holstein sollte hierbei seine Aufgaben erfüllen. Es wurde noch einmal deutlich ge-
macht, dass Anhang 1-Arten zu schützen sind und dass auch für Zugvögel Schutzflächen ermit-
telt werden sollten. Im Schreiben wird dann noch einmal deutlich gemacht, welche rechtliche
Verpflichtung Schleswig-Holstein hat, Schutzgebiete einzurichten und es wurde auch an Beispie-
len deutlich gemacht, welche Arten zu schützen sind. Für Eiderstedt wurden die Trauersee-
schwalbe als Brutvogel und die Uferschnepfe und der Kiebitz als Zugvögel explizit genannt. An
diesen Vogelarten konnte man so ohne weiteres nicht vorbeikommen, das war im Vorwege klar.


Neben dem Aufforderungsschreiben und dessen Inhalt spielte auch die Frage des Ermessens-
spielraums eine wichtige Rolle in der Diskussion. „Jeder Mitgliedsstaat entscheidet über seine
fachlichen Grundlagen und Konzepte nach eigenem Ermessen und wählt die geeignetsten Ge-
biete nach ornithologischen Kriterien aus.“, das war der Grundsatz der in Rede stand. Hatte man
sich einmal für eine Art der Flächenermittlung entschieden, galten nur noch naturschutzfachli-
che Erwägungen. Es gibt also nur ein Ermessen, ob oder ob nicht ausgewiesen werden wird; die
Größe der auszuweisenden Fläche ergibt sich dann anhand der Kriterien. Dies hat ein Gutachten
des Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004 ganz deutlich dargelegt. Es wurde immer
wieder bezweifelt, ob es notwendig sei, beispielsweise die Nonnengans oder den Goldregenpfei-
fer auf Eiderstedt mit schützen zu müssen, obwohl beide zu schützende Anhang 1-Arten sind. Das
Auswahlkonzept der alten Landesregierung wurde immer wieder, mit Recht, hinterfragt. Die
Nonnengans kommt zum Beispiel nur deshalb verstärkt im Binnenland vor, weil deren natürliche
Gebiete im Vorland nach Beendigung der Vorlandbeweidung für sie als Lebensraum nicht mehr
nutzbar sind. Außerdem findet man sie nicht nur auf Eiderstedt. Andererseits ist Eiderstedt das
Gebiet mit der zweitgrößten Goldregenpfeiferdichte nach dem Wattenmeer. Will man also den
Goldregenpfeifer, der als Brutvogel bei uns schon ausgestorben ist und nur noch als Zugvogel 4
vorhanden ist, erleben, so muss man nach Eiderstedt fahren. Das Auswahlkonzept der ehemali-
gen Landesregierung war also zwiespältig; aber auf jeden Fall hätte man hier auch mehr ein-
grenzende Kriterien nutzen können, ohne dass eine Anmeldung zu klein geworden wäre.


Nun haben wir eine sehr kleine Fläche, die angemeldet werden soll und haben das gleiche Prob-
lem wieder – nur mit anderem Vorzeichen. Die Frage, ob der Goldregenpfeifer doch noch berück-
sichtigt werden muss, ist dabei noch das geringste Problem. In einer Pressemitteilung des Um-
weltministers vom 18. Januar, in der die Ausweisung für Flächen zum Trauerseeschwalbenschutz
als unumgänglich bezeichnet werden, steht zu lesen: „Andere Wiesenvögel, wie die Uferschnep-
fen und der Kiebitz, deren Anmeldung von der EU-Kommission ebenfalls als zu gering ange-
mahnt worden sind, sollen durch die ausgewählte Gebietskulisse mit erfasst werden.“ Das heißt,
dass die Trauerseeschwalbe alleiniges Kriterium war und dass die beiden anderen angemahnten
Vogelarten so mal eben nebenher mit geschützt werden sollen. Ob das wirklich bei der EU durch-
steht, ist ungewiss. Dann ist da noch zu lesen, dass die geplanten Flächen durch weitere Flächen
ergänzt werden sollen. Folgendes Zitat aus der Pressemitteilung: „Dabei handelt es sich um
Flächen, die von einzelnen Landwirten ausdrücklich auf freiwilliger Basis zusätzlich benannt
worden sind.“ Um es klar zu sagen, die Wünsche von Landwirten, egal ob sie sich ein Gebiet
wünschen oder nicht, sind kein naturschutzfachliches Kriterium. Im Gegenteil, genau eine solche
Vorgehensweise lehnt die EU ab. Auch hierzu empfehle ich noch einmal das Gutachten des
Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004.


Wir können also feststellen, dass noch erhebliche Unsicherheiten bestehen, ob dieses Konzept
des Umweltministers so durchstehen kann. Das einzige, was wir wissen ist, dass sich die aus-
schließliche Betrachtung auf die Trauerseeschwalbe, die Uferschnepfe und den Kiebitz beschrän-
ken kann, die zusätzliche Berücksichtigung des Goldregenpfeifers zumindest nicht verkehrt wäre
und dass die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben von 2003 immer wieder geschrieben hat,
dass sie grundsätzlich bei der Gebietsmeldung auf die IBA-Listen Bezug nimmt. Damit ist der
räumliche Bereich, in dem ein Vogelschutzgebiet liegen könnte, ziemlich genau umrissen. Im 5
Norden und Nordwesten von Eiderstedt befindet sich eine rund 10.000 Hektar große IBA-Fläche
und innerhalb dieser Fläche ist ein Vogelschutzgebiet auszuweisen, dass die eben genannten
Vogelarten schützt. Dabei, auch dass geht aus dem Mahnschreiben der EU-Kommission hervor,
muss keinesfalls die gesamte Fläche ausgewiesen werden, sondern nur der Teil der dafür not-
wendig ist, damit die am geeignetsten Gebiete hierfür ausgewiesen werden. Ob dieses Kriterium
mit 2.700 Hektar erfüllt wird, ist noch nachzuweisen. Deshalb stehen wir als SSW auch weiterhin
dazu, dass sowohl der einzelne Betroffene als auch die Umweltverbände eine Klagemöglichkeit
eingeräumt bekommen müssen, damit die Flächenausweisung gegebenenfalls noch überprüft
werden kann.


Losgelöst von der Diskussion um die Größe der Flächen, die ausgewiesen werden sollen, stellen
sich aber noch andere Fragen. Zuallererst, wissen wir noch immer nicht, welchen Schutzstatus
die zukünftigen Vogelschutzgebiete erhalten werden. Der Landwirtschaftsminister strebt zwar
an, dass ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wird, aber wir alle wissen, dass dies eigentlich
nur bei FFH-Gebieten ausreichend ist und bei Vogelschutzgebieten ein höherer Schutzstatus
vorgesehen ist. Im Mahnschreiben der EU-Kommission sind nur Naturschutzgebiete, National-
parks und Biosphärenreservate als angemessene Schutzkategorien genannt. Schon im April 2004
hat der SSW hier im Landtag gefordert, vor Ausweisung der Schutzgebiete verbindlich zu klären,
welcher Schutzstatus von der EU in den betroffenen Gebieten verbindlich anerkannt wird und
wie dieser Schutzstatus verbindlich umgesetzt werden soll. An dieser Forderung halten wir fest.
Bevor das Gebiet ausgewiesen wird, muss man genau wissen, was auf uns und auf die betroffe-
nen Menschen zukommt. Nur die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets anzustreben ist
dabei zu wenig.


Insbesondere ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass geklärt wird, welche privaten Maß-
nahmen noch rechtlich erlaubt sein werden. Maßnahmen im besonderen öffentlichen Interesse
werden auch in Vogelschutzgebieten zukünftig machbar sein. Das heißt, die Infrastrukturmaß-
nahmen, die geplant sind, werden wohl auch durchgeführt werden können. Schwieriger wird es 6
aber mit Privatinvestitionen sein, da diese im Regelfall ja nicht mit einem besonderen öffentli-
chen Interesse begründet werden können. Auch hier muss vor Ausweisung des Gebietes Klarheit
herrschen, worauf man sich einlässt.


Es wird aber in jedem Fall zu Einkommenseinbußen bei der Landwirtschaft kommen. Deshalb ist
es notwendig, dass die Landesregierung Programme auflegt, die das Einkommen der Landwirte
ergänzen können und die für zielgerichteten Naturschutz in diesen Regionen sorgt. Auf Ei-
derstedt sind diese Programme gerade einkassiert worden und nur noch bestehende Maßnah-
men werden derzeit aus den alten Programmen unterstützt. Wir brauchen aber für die betroffe-
nen Betriebe Planungssicherheit und wir müssen ohnehin Maßnahmen einleiten, die dazu die-
nen den Schutzzweck in den Vogelschutzgebieten zu erfüllen. Deshalb nützt es nichts, wie bisher
den Kopf in den Sand zu stecken, sondern die Landesregierung muss hier schnellstmöglich den
Betroffenen zur Seite springen und finanziell attraktive Programme auflegen.


Sollte auch das nicht ausreichend sein, gibt es für einzelne Betriebe nur noch einen Weg: sie
müssen dann aus dem Vogelschutzgebiet herausgenommen werden. Es ist also auch die Vorbe-
reitung eines Flurbereinigungsverfahrens dringend notwendig, damit Betriebe aussiedeln kön-
nen. Damit kombiniert, muss darüber nachgedacht werden, ob die Stiftung Naturschutz und
andere hier Flächen zum Zwecke des Naturschutzes aufkaufen können und diese dann bei-
spielsweise als Flächen für extensive Beweidung preisgünstig zurück verpachten können. Der
aussiedelnde Landwirt hätte einen Verkaufserlös, der verbleibende Landwirt könnte wirtschaft-
lich überleben und eine Nische besetzen und die Stiftung hätte sichere Einnahmen und eine für
den Naturschutz gesicherte Fläche.


Ich glaube, so schön emotional man auch eine Flächendebatte führen kann; es ist auch wichtig
jetzt die konkrete Umsetzung von Vogelschutzgebieten zu planen und dabei die Interessen der
Menschen vor Ort nicht zu vergessen.

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