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Lars Harms zu TOP 24 - Vogelschutz auf Eiderstedt: Die Folgen der Ausweisung sind noch ungeklärt
PresseinformationKiel, den 26.01.2006 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 24 Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt und in der Eider-Treene-Sorge-Region Drs. 16/520Wieder einmal haben wir eine emotionale Debatte um den Vogelschutz auf Eiderstedt bekom-men. Der Anlass ist aber eigentlich ein Anlass von dem man meinen sollte, dass er Anlass zurFreude gäbe. Immerhin soll das Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt von 19.800 auf 2.800 Hektarverkleinert werden. Dass hätte eigentlich in der Region Eiderstedt für Jubelbekundungen führenmüssen – hat es aber nicht. Vor Ort ist man oft immer noch der Meinung, dass man auf dieMeldung eines Vogelschutzgebiets ganz verzichten könne. Diese Sichtweise hat der SSW immerbezweifelt und vor diesem Hintergrund begrüßen wir eine erhebliche Verkleinerung des Schutz-gebiets ausdrücklich.Bei der Ausweisung von Flächen ist es ganz egal, ob man nun für oder gegen staatlichen Natur-schutz ist. Ob man Betroffener ist oder nicht. Die Ausweisung eines Vogelschutzgebiets richtetsich nach rein naturschutzfachlichen Kriterien. Und die werden erfüllt werden müssen und 2anhand dieser Kriterien muss dann auch ausgewiesen werden. Wenn dann ein kleines Schutzge-biet herauskommt, das nicht größer als andere Vogelschutz- und FFH-Gebiete ist, dann kannman als Region zufrieden sein – auch wenn der einzelne Betroffene in diesem Rest-Gebiet natür-lich mit Recht Hilfe von der Landesregierung erwarten darf.Ein Punkt zog sich durch die gesamte Diskussion zu diesem Thema. Die Ausweisung des Vogel-schutzgebietes wurde zwar öffentlich diskutiert, aber die Weichen wurden immer wieder durchinterne Arbeitsgruppen gestellt. Mit Recht wurde dies in den letzten Jahren gegenüber der altenLandesregierung kritisiert. Aber auch diesmal war dies wieder einmal der Fall, dass man lieberohne die breite Bevölkerung entscheiden wollte. Das, was die CDU immer kritisiert hatte, wirdjetzt von ihrem Minister genauso gehandhabt. Eine Arbeitsgruppe vor Ort hat unter Ausschlussder Öffentlichkeit beraten, diskutiert und Vorschläge gemacht und man hat sich von Seiten desUmweltministeriums in geschlossenen Runden mit der Arbeitsgruppe abgestimmt.Die breite Öffentlichkeit ist bis heute nicht von dem Verfahren oder auch nur von dem konkretenErgebnis der Arbeit offiziell informiert worden. Selbst wir hier im Landtag können heute nurspekulieren, was Grundlage für die Ausweisung des Gebietes ist. Offizielle Papiere liegen mir undliegen der Region Eiderstedt bis heute nicht vor. Deshalb können wir heute auch nur spekulieren,ob die Meldung, so wie sie geplant ist, wirklich rechtlich durchstehen kann.Dabei ist nicht die Frage entscheidend, ob der grüne Umweltminister Steenblock seinerzeit nur2.000 Hektar auf Eiderstedt ausweisen wollte, um Konflikte zu umgehen, und er dann sogar ersteinmal ganz auf eine Ausweisung verzichtete, um das Problem erst einmal auszusitzen. Ebenfallsegal ist es, ob Eiderstedter Landwirte in der Diskussion über eine großflächige Gebietsauswei-sung zeitweise durchaus mit 10.000 oder 11.000 Hektar einverstanden gewesen wären. Ent-scheidend ist einzig und allein, ob wir die Brüsseler Vorschriften so umsetzen, dass wir sie zufrie-den stellend erfüllen und keine Strafzahlungen zu erwarten haben. 3Geht man noch einmal an den Ausgangspunkt zurück, so kann man einerseits erkennen, wieschwierig die Materie sein kann und wie unsicher auch das heutige vorläufige Ergebnis noch ist.Am 3. April 2003 verschickte die EU-Kommission ein ergänzendes Mahnschreiben, in dem dieBundesrepublik Deutschland aufgefordert wurde, Vogelschutzgebiete auszuweisen. AuchSchleswig-Holstein sollte hierbei seine Aufgaben erfüllen. Es wurde noch einmal deutlich ge-macht, dass Anhang 1-Arten zu schützen sind und dass auch für Zugvögel Schutzflächen ermit-telt werden sollten. Im Schreiben wird dann noch einmal deutlich gemacht, welche rechtlicheVerpflichtung Schleswig-Holstein hat, Schutzgebiete einzurichten und es wurde auch an Beispie-len deutlich gemacht, welche Arten zu schützen sind. Für Eiderstedt wurden die Trauersee-schwalbe als Brutvogel und die Uferschnepfe und der Kiebitz als Zugvögel explizit genannt. Andiesen Vogelarten konnte man so ohne weiteres nicht vorbeikommen, das war im Vorwege klar.Neben dem Aufforderungsschreiben und dessen Inhalt spielte auch die Frage des Ermessens-spielraums eine wichtige Rolle in der Diskussion. „Jeder Mitgliedsstaat entscheidet über seinefachlichen Grundlagen und Konzepte nach eigenem Ermessen und wählt die geeignetsten Ge-biete nach ornithologischen Kriterien aus.“, das war der Grundsatz der in Rede stand. Hatte mansich einmal für eine Art der Flächenermittlung entschieden, galten nur noch naturschutzfachli-che Erwägungen. Es gibt also nur ein Ermessen, ob oder ob nicht ausgewiesen werden wird; dieGröße der auszuweisenden Fläche ergibt sich dann anhand der Kriterien. Dies hat ein Gutachtendes Wissenschaftlichen Dienstes vom März 2004 ganz deutlich dargelegt. Es wurde immerwieder bezweifelt, ob es notwendig sei, beispielsweise die Nonnengans oder den Goldregenpfei-fer auf Eiderstedt mit schützen zu müssen, obwohl beide zu schützende Anhang 1-Arten sind. DasAuswahlkonzept der alten Landesregierung wurde immer wieder, mit Recht, hinterfragt. DieNonnengans kommt zum Beispiel nur deshalb verstärkt im Binnenland vor, weil deren natürlicheGebiete im Vorland nach Beendigung der Vorlandbeweidung für sie als Lebensraum nicht mehrnutzbar sind. Außerdem findet man sie nicht nur auf Eiderstedt. Andererseits ist Eiderstedt dasGebiet mit der zweitgrößten Goldregenpfeiferdichte nach dem Wattenmeer. Will man also denGoldregenpfeifer, der als Brutvogel bei uns schon ausgestorben ist und nur noch als Zugvogel 4vorhanden ist, erleben, so muss man nach Eiderstedt fahren. Das Auswahlkonzept der ehemali-gen Landesregierung war also zwiespältig; aber auf jeden Fall hätte man hier auch mehr ein-grenzende Kriterien nutzen können, ohne dass eine Anmeldung zu klein geworden wäre.Nun haben wir eine sehr kleine Fläche, die angemeldet werden soll und haben das gleiche Prob-lem wieder – nur mit anderem Vorzeichen. Die Frage, ob der Goldregenpfeifer doch noch berück-sichtigt werden muss, ist dabei noch das geringste Problem. In einer Pressemitteilung des Um-weltministers vom 18. Januar, in der die Ausweisung für Flächen zum Trauerseeschwalbenschutzals unumgänglich bezeichnet werden, steht zu lesen: „Andere Wiesenvögel, wie die Uferschnep-fen und der Kiebitz, deren Anmeldung von der EU-Kommission ebenfalls als zu gering ange-mahnt worden sind, sollen durch die ausgewählte Gebietskulisse mit erfasst werden.“ Das heißt,dass die Trauerseeschwalbe alleiniges Kriterium war und dass die beiden anderen angemahntenVogelarten so mal eben nebenher mit geschützt werden sollen. Ob das wirklich bei der EU durch-steht, ist ungewiss. Dann ist da noch zu lesen, dass die geplanten Flächen durch weitere Flächenergänzt werden sollen. Folgendes Zitat aus der Pressemitteilung: „Dabei handelt es sich umFlächen, die von einzelnen Landwirten ausdrücklich auf freiwilliger Basis zusätzlich benanntworden sind.“ Um es klar zu sagen, die Wünsche von Landwirten, egal ob sie sich ein Gebietwünschen oder nicht, sind kein naturschutzfachliches Kriterium. Im Gegenteil, genau eine solcheVorgehensweise lehnt die EU ab. Auch hierzu empfehle ich noch einmal das Gutachten desWissenschaftlichen Dienstes vom März 2004.Wir können also feststellen, dass noch erhebliche Unsicherheiten bestehen, ob dieses Konzeptdes Umweltministers so durchstehen kann. Das einzige, was wir wissen ist, dass sich die aus-schließliche Betrachtung auf die Trauerseeschwalbe, die Uferschnepfe und den Kiebitz beschrän-ken kann, die zusätzliche Berücksichtigung des Goldregenpfeifers zumindest nicht verkehrt wäreund dass die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben von 2003 immer wieder geschrieben hat,dass sie grundsätzlich bei der Gebietsmeldung auf die IBA-Listen Bezug nimmt. Damit ist derräumliche Bereich, in dem ein Vogelschutzgebiet liegen könnte, ziemlich genau umrissen. Im 5Norden und Nordwesten von Eiderstedt befindet sich eine rund 10.000 Hektar große IBA-Flächeund innerhalb dieser Fläche ist ein Vogelschutzgebiet auszuweisen, dass die eben genanntenVogelarten schützt. Dabei, auch dass geht aus dem Mahnschreiben der EU-Kommission hervor,muss keinesfalls die gesamte Fläche ausgewiesen werden, sondern nur der Teil der dafür not-wendig ist, damit die am geeignetsten Gebiete hierfür ausgewiesen werden. Ob dieses Kriteriummit 2.700 Hektar erfüllt wird, ist noch nachzuweisen. Deshalb stehen wir als SSW auch weiterhindazu, dass sowohl der einzelne Betroffene als auch die Umweltverbände eine Klagemöglichkeiteingeräumt bekommen müssen, damit die Flächenausweisung gegebenenfalls noch überprüftwerden kann.Losgelöst von der Diskussion um die Größe der Flächen, die ausgewiesen werden sollen, stellensich aber noch andere Fragen. Zuallererst, wissen wir noch immer nicht, welchen Schutzstatusdie zukünftigen Vogelschutzgebiete erhalten werden. Der Landwirtschaftsminister strebt zwaran, dass ein Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wird, aber wir alle wissen, dass dies eigentlichnur bei FFH-Gebieten ausreichend ist und bei Vogelschutzgebieten ein höherer Schutzstatusvorgesehen ist. Im Mahnschreiben der EU-Kommission sind nur Naturschutzgebiete, National-parks und Biosphärenreservate als angemessene Schutzkategorien genannt. Schon im April 2004hat der SSW hier im Landtag gefordert, vor Ausweisung der Schutzgebiete verbindlich zu klären,welcher Schutzstatus von der EU in den betroffenen Gebieten verbindlich anerkannt wird undwie dieser Schutzstatus verbindlich umgesetzt werden soll. An dieser Forderung halten wir fest.Bevor das Gebiet ausgewiesen wird, muss man genau wissen, was auf uns und auf die betroffe-nen Menschen zukommt. Nur die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets anzustreben istdabei zu wenig.Insbesondere ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass geklärt wird, welche privaten Maß-nahmen noch rechtlich erlaubt sein werden. Maßnahmen im besonderen öffentlichen Interessewerden auch in Vogelschutzgebieten zukünftig machbar sein. Das heißt, die Infrastrukturmaß-nahmen, die geplant sind, werden wohl auch durchgeführt werden können. Schwieriger wird es 6aber mit Privatinvestitionen sein, da diese im Regelfall ja nicht mit einem besonderen öffentli-chen Interesse begründet werden können. Auch hier muss vor Ausweisung des Gebietes Klarheitherrschen, worauf man sich einlässt.Es wird aber in jedem Fall zu Einkommenseinbußen bei der Landwirtschaft kommen. Deshalb istes notwendig, dass die Landesregierung Programme auflegt, die das Einkommen der Landwirteergänzen können und die für zielgerichteten Naturschutz in diesen Regionen sorgt. Auf Ei-derstedt sind diese Programme gerade einkassiert worden und nur noch bestehende Maßnah-men werden derzeit aus den alten Programmen unterstützt. Wir brauchen aber für die betroffe-nen Betriebe Planungssicherheit und wir müssen ohnehin Maßnahmen einleiten, die dazu die-nen den Schutzzweck in den Vogelschutzgebieten zu erfüllen. Deshalb nützt es nichts, wie bisherden Kopf in den Sand zu stecken, sondern die Landesregierung muss hier schnellstmöglich denBetroffenen zur Seite springen und finanziell attraktive Programme auflegen.Sollte auch das nicht ausreichend sein, gibt es für einzelne Betriebe nur noch einen Weg: siemüssen dann aus dem Vogelschutzgebiet herausgenommen werden. Es ist also auch die Vorbe-reitung eines Flurbereinigungsverfahrens dringend notwendig, damit Betriebe aussiedeln kön-nen. Damit kombiniert, muss darüber nachgedacht werden, ob die Stiftung Naturschutz undandere hier Flächen zum Zwecke des Naturschutzes aufkaufen können und diese dann bei-spielsweise als Flächen für extensive Beweidung preisgünstig zurück verpachten können. Deraussiedelnde Landwirt hätte einen Verkaufserlös, der verbleibende Landwirt könnte wirtschaft-lich überleben und eine Nische besetzen und die Stiftung hätte sichere Einnahmen und eine fürden Naturschutz gesicherte Fläche.Ich glaube, so schön emotional man auch eine Flächendebatte führen kann; es ist auch wichtigjetzt die konkrete Umsetzung von Vogelschutzgebieten zu planen und dabei die Interessen derMenschen vor Ort nicht zu vergessen.