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22.02.06 , 16:59 Uhr
CDU

Torsten Geerdts zu TOP 24: Kindheit ist kein Kinderspiel

Nr. 66/06 22. Februar 2006


IM SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAG
PRESSEMITTEILUNG Pressesprecher Dirk Hundertmark Landeshaus, 24105 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 E-mail: info@cdu.ltsh.de Internet: http://www.cdu.ltsh.de
Es gilt das gesprochene Wort Sozialpolitik Torsten Geerdts zu TOP 24: Kindheit ist kein Kinderspiel
„Kindheit ist kein Kinderspiel“ so lautet die Überschrift einer Kampagne des Deutschen Kin- derschutzbundes. Die Lebenssituation von Kindern soll mit dieser Kampagne in die Köpfe der Gesellschaft gebracht werden. In den meisten reichen Nationen wächst der Anteil der Kinder, die in Armut leben müssen. Nach einer Studie von UNICEF hat sich in 17 von 24 OEDC Staaten die Lebenssituation von Kindern verschlechtert. In Deutschland leben ca. 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in relativer Armut. Sie und ihre Eltern sind auf Sozialgeld, Arbeitslosengeld 1 oder 2 angewiesen. In Schleswig-Holstein gelten 64.000 Kinder als arm.
Die Teilhabe vieler dieser Kinder am gesellschaftlichen Leben ist gefährdet. CDU und SPD halten diese Situation für so gravierend, dass wir mit unserem Antrag erreichen wollen, uns in der Berichterstattung auf Kinder und Jugendliche zu konzentrieren. Wir haben kein großes Interesse an schriftlichen Berichten und Landesplänen, die in den Schubladen verstauben. Wir wollen konkretes Handeln dargestellt bekommen, um zu einer nachhaltigen Verbesse- rung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu kommen. Die Rate der Kinder, die in Armut leben, wächst hierzulande schneller als unter Erwachsenen.
CDU und SPD stehen mit ihrer Politik dafür ein, dass Familien nicht sozial benachteiligt wer- den. Wir wollen die Kinderarmut aktiv bekämpfen. Die Betreuung von Kindern werden wir bedarfsgerecht fortentwickeln und gemeinsam mit den Kommunen familiengerechte Lebens- bedingungen schaffen. Die Gründung lokaler Bündnisse für Familien werden wir mit Nach- druck unterstützen.
UNICEF sagt aber auch und diese Formulierung finde ich bemerkenswert, dass Kinder in Deutschland kein Armutsrisiko sind. Dramatisch hingegen ist die soziale Situation vieler Kin- der, die mit einem allein erziehenden Elternteil leben. Und verschweigen dürfen wir in die- sem Zusammenhang auch nicht die Situation von Kindern in Zuwandererfamilien. Und wer sich in seinem Wahlkreis in den Brennpunkten umschaut, der stellt schnell fest, dass sowohl die soziale Situation von Kindern Asylsuchender, Asylberechtigter aber auch der Aussiedler Sprengkraft für unsere Gesellschaft bedeuten können.
Armut grenzt aus. Dabei herrscht nicht nur ein Mangel an materiellen Dingen. Es gibt häufig Defizite in den Bereichen Bildung und Erziehung. Aber auch durch falsche Ernährung verur- sachte Gesundheitsprobleme sind gravierend. Und diese Kette setzt sich fort über beengte Wohnverhältnisse, dem Leben in vernachlässigten Stadtteilen, auftretender Probleme in der Schulbildung bis hin zu den schlechteren Chancen im Berufsleben. Von Chancengerechtig- keit kann hier also keine Rede sein. Für viele heute in Armut lebende Kinder und Jugendliche besteht die Gefahr, auch als er- wachsene Person ausschließlich auf soziale Transferleistungen angewiesen zu sein. Wir können uns eine Gesellschaft nicht leisten, in der Familien über Generationen hinweg ohne Arbeit und im Sozialgeldbezug leben müssen. Wegschauen gilt nicht. Und wer ausschließlich die Antwort parat hat, dass die öffentlichen Haushalte leer sind, der übersieht die gemeinsa- me Aufgabe der Jugend-, Sozial- und Finanzpolitiker, Jugendhilfekarrieren frühzeitig zu be- enden und nicht in dauerhafte Sozialgeldkarrieren münden zu lassen. Das wäre sozialpoli- tisch und haushaltspolitisch das fatalste, was unserem Staat widerfahren könnte.
Wir sind also gemeinsam in der Verantwortung. Das Thema „Bekämpfung der Kinderarmut“ ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich nicht nur die Sozialpolitiker zu stellen ha- ben. Mit einer Geburtenrate von 1,3 Kindern ist Deutschland fast das Schlusslicht in Europa. Nur 25 Prozent der Frauen sind vollzeitbeschäftigt im Vergleich zu 45 Prozent z.B. in Frank- reich. Insbesondere Frauen halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland für nicht gegeben. Und daher erwarte ich von der Landesregierung, dass sie bei ihrer Be- richterstattung den Zusammenhang zwischen Kinderarmut und den Verkrustungen unseres bundesdeutschen Arbeitsmarktes darstellt.
Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt die Informationskampagne von Landesjugendring, dem Deutschen Kinderschutzbund, dem Sozialverband Deutschland und der AWO gegen Kinder- armut. Wir haben in dieser Frage hohe Erwartungen an die Landesregierung. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen entscheidenden Beitrag durch den von der Jugend- und Famili- enministerin vorgelegten Kinder- und Jugendaktionsplan auf Landesebene leisten können, um Schleswig-Holstein zum familien- und kinderfreundlichsten Bundesland zu machen.
Es ist daher die vordringlichste Aufgabe, um dieses große Ziel zu erreichen, die
• Kinderarmut zu bekämpfen, • Gewalt in Familien auszuschließen, • Vernachlässigung von Kindern aufzudecken und ihr entgegenzuwirken, • niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote wohnortnah vorzuhalten.
Jede Maßnahme, die aus Mitteln des Landes unterstützt wird, muss
• kindgerecht, • lebensweltbezogen, • gemeinschaftsstiftend • und geschlechtergerecht sein.
Kinder in Schleswig-Holstein sollen gesund aufwachsen. Daher brauchen wir Frühwarnsys- teme zwischen dem Jugendhilfe- und dem Gesundheitssystem.
Um der Gewalt in den Familien vorzubeugen, es nicht zu Überforderungen junger Eltern kommen zu lassen, benötigen wir frühe Hilfen für Familien.
Meine Fraktion ist begeistert von dem Schutzengel-Projekt in Flensburg. Dort gibt es ein Netzwerk gesundheitlicher und sozialer Hilfen für junge Familien in schwierigen Lebenssitua- tionen. Wir brauchen in jedem Kreis, in jeder kreisfreien Stadt ein enges Zusammenwirken von Arztpraxen, Kliniken, Kirchengemeinden, Kindertagesstätten, Schulen, Beratungs- und Frühförderungseinrichtungen. Durch den Einsatz von Familienhebammen und abgestimmter Gemeinwesenarbeit sollen benachteiligte Familien, insbesondere alleinerziehende junge Mütter ein Angebot lebenspraktischer Begleitung, Betreuung und Hilfe im Lebensumfeld er- halten.
Gerade für die sozial Schwächeren benötigen wir eine ganzheitliche Bildung. Daher sind wir uns auch in dem Ziel einig, noch mehr Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein einzurichten. Aber wie schon ausgeführt, ist die Bekämpfung der Kinderarmut nicht die ausschließliche Aufgabe der Sozialpolitiker. Der wichtigste Beitrag zur Armutsbekämpfung wird geleistet, wenn eine Politik betrieben wird, die zu mehr Wachstum führt. Daher ist es auch für Sozial- und Jugendpolitiker eine der wichtigsten Nachrichten, dass Schleswig-Holstein jetzt auf Platz 2 beim Wachstum liegt. Nur noch das Saarland ist besser als wir.
Es gibt noch kein Aufatmen beim Blick auf die Arbeitslosenstatistik. Denn hinter jedem Ar- beitslosgemeldeten befinden sich weitere Schicksale: oft sind es Familien mit Kindern. Aber es besteht wieder ein Stück Hoffnung auf dem Arbeitsmarkt. Während bundesweit die Be- schäftigungszahlen rückläufig sind, gab es in Schleswig-Holstein eine Stabilisierung. Wenn die Wirtschaft nicht nachhaltig anspringt und die Arbeitslosigkeit nicht sinkt, dann können wir im Sozialhaushalt noch so viel herum doktern, der Armut unter Kindern und Jugendlichen werden wir nicht entschieden entgegenwirken.
Von dieser Landesregierung erwarten wir, dass sie die Arbeit in den Kinderschutzzentren gemeinsam mit den Verantwortlichen auf kommunaler Ebene dauerhaft absichert. Zur Be- kämpfung von Gewalt und Vernachlässigung sind die Kinder- und Jugendtelefone von größ- ter Wichtigkeit. Für Eltern brauchen wir weiterhin dringend Elterntelefone, wo man unbüro- kratisch und anonym Hilfe erhält. Wir brauchen so genannte Elternschulen, um Defizite bei jungen Vätern und Müttern abzubauen, damit sie ihren Erziehungsauftrag auch wirklich wahrnehmen können.
Wir müssen die Kommunen und die Träger unterstützen, die teilweise auf ehrenamtlicher Basis einen kostenlosen Mittagstisch für Kinder aus sozial schwachen Familien anbieten. Oft wird dieses Angebot gekoppelt an eine von Ehrenamtlern durchgeführte Hausaufgabenhilfe. Wir müssen die hohe Qualität der Fachberatungsstellen für Opfer von sexueller Gewalt in den Familien absichern.
Ich bin froh, dass wir viele dieser Punkte im Koalitionsvertrag und im Haushalt 2006 veran- kern konnten. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch dazu, den Menschen zu sagen, dass wir uns aufgrund der Haushaltslage konzentrieren müssen. Für meine Fraktion liegt der Schwer- punkt in der Kinder- und Familienpolitik. Um diesen Schwerpunkt finanzieren zu können, müssen wir an anderer Stelle deutlich sparen.
Kinderarmut kann man nur mit einem Bündel an Maßnahmen ressortübergreifend bekämp- fen. Dazu zählt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Mitverantwortung der Tarifpart- ner, flexible Betreuungsangebote in Kindertagesstätten aber auch Betreuungsangebote für unter 3-jährige. Wir brauchen Eltern- und Familienbildung, verlässliche soziale Frühwarnsys- teme bei Vernachlässigungen und wir unterstützen die lokalen Bündnisse für Familien.
Am Ende dieser Wahlperiode werden wir nicht an der Zahl der abgeforderten Berichte und Landespläne gemessen. Wir werden uns messen lassen müssen an den konkreten Verbes- serungen z.B. für Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung der Debatte während der nächsten Landtagssitzung.

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