Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Lars Harms zu TOP 24 - Landesbericht zur Armutsbekämpfung
PresseinformationKiel, den 23.02.2006 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 24 Landesbericht zur Armutsbekämpfung Drs. 16/595Anfang November letzten Jahres wurde die Öffentlichkeit und auch wir Landtagspolitiker wiedereinmal aufgeschreckt durch neue erschütternde Zahlen über die Kinderarmut in Schleswig-Holstein. Demnach war nach Angaben des Sozialministeriums fast jedes 7. Kind bei uns vonKinderarmut betroffen. Das sind sage und schreibe ca. 64.000 Kinder. In Schleswig-Holsteinleben 14% der Kinder unter 15 Jahre von der Sozialhilfe, in Kiel sogar 29% und in anderenkreisfreien Städten dürfte dieses ähnlich sein. Vor diesem Hintergrund kann man die Aussagendes AWO-Landesgeschäftsführers Volker Andresen nur unterstützen, wenn er sagt, dass es sichum einen handfesten sozialpolitischen Skandal handelt.Nun hört man leider immer noch das Argument, dass es unseren Armen ja im Verhältnis zuanderen Ländern - also z.B. Osteuropa oder gar Afrika – doch sehr gut gehe. Jeder der sich mitdem Thema auch nur ansatzweise beschäftigt, weiß dass dies eine Milchmädchenrechnung istund mit der Realität absolut gar nichts zu tun hat. So belegt beispielsweise eine Studie desInstituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, dass die Einkommensarmut von Familien zu 2gravierenden Benachteiligungen der Kinder bei Bildung und Ausbildung führt, zu höherenGesundheitsrisiken, zu sozialer Ausgrenzung und zu Vernachlässigung führen kann.Dazu kommt, dass es in Familien, die dauerhaft in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situationbelastet sind, viel eher Konflikte gibt, die eskalieren. Und dieser Druck wird meist an dasschwächste Glied – an die Kinder – weitergegeben.Armut bedeutet also Ausgrenzung von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ist deshalbein ganz großes Problem in unserer Gesellschaft. Natürlich gilt dies insbesondere für die vonArmut Betroffenen, aber das Armutsproblem betrifft auch uns übrige, da eine zu großegesellschaftliche Ungleichheit nicht nur zu Konflikten führt, sondern auch dazu führt, dass zuviele menschliche Ressourcen einfach verschwendet werden.Nun liegen uns für Schleswig-Holstein außer der Zahl der Kinderarmut keine aktuellen Zahlenvor und deshalb ist die Erarbeitung eines Landesarmutsberichts, wie es die Grünen in ihrenAntrag fordern, sehr wichtig. Denn natürlich geht es darum, dass wir ein detailliertes Wissenüber die Ursachen, Ausprägungen und Auswirkungen von Armut haben, bevor wir einewirksame Bekämpfung anstreben können. Allerdings hatten wir dieses Wissen bereits 1999 mitdem letzten vorgelegten Armutsbericht und schon die damaligen Zahlen waren teilweisedeprimierend.Nach dem Landesarmutsbericht von 1999 waren 11% aller Haushalte von Armut betroffen. Diehauptsächlich Betroffenen waren kinderreiche Familien, Arbeitslose, gering Qualifizierte,Alleinerziehende, Kinder und Ausländer. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden war dreimal sogroß wie das des Bevölkerungsdurchschnitts und bei Arbeitslosen war es sogar dreieinhalb malso groß wie das der Durchschnitthaushalte. Das dürfte heute nicht wesentlich anders sein.Ohne die exakten heutigen Zahlen für Schleswig-Holstein zu kennen, geht man kaum fehl in derAnnahme, wenn man sagt, dass Hartz IV zu einer weiteren Verschärfung der Schere zwischen 3Arm und Reich in der Bundesrepublik geführt hat. Denn nach allen was wir wissen, hat sich dasArmutsproblem in den letzten Jahren vergrößert. Die Massenarbeitslosigkeit mit 5 Millionenregistrierten Arbeitslosen, aber in Wirklichkeit fast 7 Millionen Menschen die reell ohneBeschäftigung sind, hat ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Wir haben vielfach schon Familien,wo die finanzielle Abhängigkeit von Sozialhilfe von einer Generation auf die nächste übertragenwird.Die Bundesregierung hat bereits vor einigen Jahren einen nationalen Aktionsplan zurBekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung beschlossen. Darin sind verschiedeneHandlungsfelder und Strategien angeführt. Es geht um bessere Bildungschancen, um zielgenaueUnterstützung von Problemgruppen am Arbeitsmarkt, um nachhaltige Familienpolitik z.B. beider Kinderbetreuung, um Perspektiven für jugendliche Arbeitslose, um eine bessere Integrationvon Migrantinnen und Migranten und um vieles mehr.Jeder dieser Ansätze ist an sich richtig und doch greifen sie zu kurz, weil es sich entwedereigentlich um landespolitische Kompetenzen handelt oder weil sie von anderen politischenZielsetzungen und Entwicklungen konterkariert werden. Dazu muss man klar sagen, dassunserer Wirtschaftssystem in Zeiten der Globalisierung zu viele Verlierer und zu wenig Gewinnerproduziert und somit stark zur Ausgrenzung von vielen Bevölkerungsgruppen beiträgt. Das istaber ein anderes abendfüllendes Thema und ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass esunter den gegebenen bundespolitischen Voraussetzungen für uns in Schleswig-Holstein nur sehrschwer ist, eigene Akzente zu setzen. Aber wir müssen es natürlich versuchen.Für Schleswig-Holstein sollten wir uns deshalb auf das für uns machbare konzentrieren und daist es gut, dass es Organisationen gibt, die sich mit diesem Problemstellungen befassen. So wirdim vorliegenden Antrag der Grünen auf die Kampagne „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ vonKinderschutzbund, Landesjugendring, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband unter derSchirmherrschaft von Heide Simonis und UNICEF Deutschland hingewiesen. 4Mit acht Thesen gegen Kinderarmut wollen sie eine breite Öffentlichkeit informieren und derPolitik konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Kinderarmut an die Hand geben. Es geht beidiesen Forderungen unter anderem um mehr Öffentlichkeit für Kinderrechte, um eineGrundsicherung von mindestens 300 Euro für jedes Kind, um die Einrichtung von kommunalenNetzwerken zur Prävention und zur Minderung von Kinderarmutsfolgen, um die Verbesserungdes Angebotes für die null- bis dreijährigen Kinder usw.Auch wenn nicht alle Vorschläge unmittelbar auf Landesebene umsetzbar sind, sieht der SSW siedoch als eine vernünftige Grundlage zur weiteren Diskussion. Die Sozialministerin hat ja schonihre Bereitschaft zur Unterstützung der Forderungen signalisiert. Das begrüßen wir. Schließlichgeht es darum, den sozialen Kitt unserer Gesellschaft zu erhalten und da muss die Politik allepositiven gesellschaftlichen Kräfte mit einbinden.Wir begrüßen also, dass Bündnis90/Die Grünen dieses wichtige Thema auf die Tagesordnungdes Landtags gesetzt haben und können auch die beiden ersten Abschnitte des Antragesunterstützen. Allerdings haben wir uns gefragt, warum in den vorliegenden Antrag von derLandesregierung im dritten Abschnitt nur gefordert wird, dass sie darlegen soll, wann eineBerichterstattung über die sozialen Lagen der Bevölkerung in Schleswig-Holstein vorgelegt wird.Wir meinen, dass der Landtag schon selber etwas präziser sagen sollte, wann er dann einenLandesarmutsbericht haben will und was für eine Zielsetzung er haben soll. Der SSW fordertdaher in seinem Änderungsantrag, dass die Landesregierung bis zur 15. Tagung - also imSeptember - einen Landesarmutsbericht vorlegen muss. Dazu wollen wir auch gleichzeitig einenkonkreten Handlungsplan zur Bekämpfung der Armut in Schleswig-Holstein vorlegt bekommen.Denn es muss doch darum gehen, dass wir als Land selbst handeln und daher muss dieLandesregierung darlegen, welche Maßnahmen sie im Rahmen der Landeskompetenzen bereitsmit dem Haushalt 2007/2008 in Gang setzen kann. Deshalb bitten wir um Unterstützung fürunseren Änderungsantrag.