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22.02.06 , 17:49 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 24 - Landesbericht zur Armutsbekämpfung

Presseinformation
Kiel, den 23.02.2006 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 24 Landesbericht zur Armutsbekämpfung Drs. 16/595


Anfang November letzten Jahres wurde die Öffentlichkeit und auch wir Landtagspolitiker wieder
einmal aufgeschreckt durch neue erschütternde Zahlen über die Kinderarmut in Schleswig-
Holstein. Demnach war nach Angaben des Sozialministeriums fast jedes 7. Kind bei uns von
Kinderarmut betroffen. Das sind sage und schreibe ca. 64.000 Kinder. In Schleswig-Holstein
leben 14% der Kinder unter 15 Jahre von der Sozialhilfe, in Kiel sogar 29% und in anderen
kreisfreien Städten dürfte dieses ähnlich sein. Vor diesem Hintergrund kann man die Aussagen
des AWO-Landesgeschäftsführers Volker Andresen nur unterstützen, wenn er sagt, dass es sich
um einen handfesten sozialpolitischen Skandal handelt.


Nun hört man leider immer noch das Argument, dass es unseren Armen ja im Verhältnis zu
anderen Ländern - also z.B. Osteuropa oder gar Afrika – doch sehr gut gehe. Jeder der sich mit
dem Thema auch nur ansatzweise beschäftigt, weiß dass dies eine Milchmädchenrechnung ist
und mit der Realität absolut gar nichts zu tun hat. So belegt beispielsweise eine Studie des
Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, dass die Einkommensarmut von Familien zu 2
gravierenden Benachteiligungen der Kinder bei Bildung und Ausbildung führt, zu höheren
Gesundheitsrisiken, zu sozialer Ausgrenzung und zu Vernachlässigung führen kann.
Dazu kommt, dass es in Familien, die dauerhaft in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation
belastet sind, viel eher Konflikte gibt, die eskalieren. Und dieser Druck wird meist an das
schwächste Glied – an die Kinder – weitergegeben.


Armut bedeutet also Ausgrenzung von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ist deshalb
ein ganz großes Problem in unserer Gesellschaft. Natürlich gilt dies insbesondere für die von
Armut Betroffenen, aber das Armutsproblem betrifft auch uns übrige, da eine zu große
gesellschaftliche Ungleichheit nicht nur zu Konflikten führt, sondern auch dazu führt, dass zu
viele menschliche Ressourcen einfach verschwendet werden.


Nun liegen uns für Schleswig-Holstein außer der Zahl der Kinderarmut keine aktuellen Zahlen
vor und deshalb ist die Erarbeitung eines Landesarmutsberichts, wie es die Grünen in ihren
Antrag fordern, sehr wichtig. Denn natürlich geht es darum, dass wir ein detailliertes Wissen
über die Ursachen, Ausprägungen und Auswirkungen von Armut haben, bevor wir eine
wirksame Bekämpfung anstreben können. Allerdings hatten wir dieses Wissen bereits 1999 mit
dem letzten vorgelegten Armutsbericht und schon die damaligen Zahlen waren teilweise
deprimierend.


Nach dem Landesarmutsbericht von 1999 waren 11% aller Haushalte von Armut betroffen. Die
hauptsächlich Betroffenen waren kinderreiche Familien, Arbeitslose, gering Qualifizierte,
Alleinerziehende, Kinder und Ausländer. Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden war dreimal so
groß wie das des Bevölkerungsdurchschnitts und bei Arbeitslosen war es sogar dreieinhalb mal
so groß wie das der Durchschnitthaushalte. Das dürfte heute nicht wesentlich anders sein.


Ohne die exakten heutigen Zahlen für Schleswig-Holstein zu kennen, geht man kaum fehl in der
Annahme, wenn man sagt, dass Hartz IV zu einer weiteren Verschärfung der Schere zwischen 3
Arm und Reich in der Bundesrepublik geführt hat. Denn nach allen was wir wissen, hat sich das
Armutsproblem in den letzten Jahren vergrößert. Die Massenarbeitslosigkeit mit 5 Millionen
registrierten Arbeitslosen, aber in Wirklichkeit fast 7 Millionen Menschen die reell ohne
Beschäftigung sind, hat ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Wir haben vielfach schon Familien,
wo die finanzielle Abhängigkeit von Sozialhilfe von einer Generation auf die nächste übertragen
wird.


Die Bundesregierung hat bereits vor einigen Jahren einen nationalen Aktionsplan zur
Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung beschlossen. Darin sind verschiedene
Handlungsfelder und Strategien angeführt. Es geht um bessere Bildungschancen, um zielgenaue
Unterstützung von Problemgruppen am Arbeitsmarkt, um nachhaltige Familienpolitik z.B. bei
der Kinderbetreuung, um Perspektiven für jugendliche Arbeitslose, um eine bessere Integration
von Migrantinnen und Migranten und um vieles mehr.


Jeder dieser Ansätze ist an sich richtig und doch greifen sie zu kurz, weil es sich entweder
eigentlich um landespolitische Kompetenzen handelt oder weil sie von anderen politischen
Zielsetzungen und Entwicklungen konterkariert werden. Dazu muss man klar sagen, dass
unserer Wirtschaftssystem in Zeiten der Globalisierung zu viele Verlierer und zu wenig Gewinner
produziert und somit stark zur Ausgrenzung von vielen Bevölkerungsgruppen beiträgt. Das ist
aber ein anderes abendfüllendes Thema und ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass es
unter den gegebenen bundespolitischen Voraussetzungen für uns in Schleswig-Holstein nur sehr
schwer ist, eigene Akzente zu setzen. Aber wir müssen es natürlich versuchen.


Für Schleswig-Holstein sollten wir uns deshalb auf das für uns machbare konzentrieren und da
ist es gut, dass es Organisationen gibt, die sich mit diesem Problemstellungen befassen. So wird
im vorliegenden Antrag der Grünen auf die Kampagne „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ von
Kinderschutzbund, Landesjugendring, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband unter der
Schirmherrschaft von Heide Simonis und UNICEF Deutschland hingewiesen. 4



Mit acht Thesen gegen Kinderarmut wollen sie eine breite Öffentlichkeit informieren und der
Politik konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Kinderarmut an die Hand geben. Es geht bei
diesen Forderungen unter anderem um mehr Öffentlichkeit für Kinderrechte, um eine
Grundsicherung von mindestens 300 Euro für jedes Kind, um die Einrichtung von kommunalen
Netzwerken zur Prävention und zur Minderung von Kinderarmutsfolgen, um die Verbesserung
des Angebotes für die null- bis dreijährigen Kinder usw.

Auch wenn nicht alle Vorschläge unmittelbar auf Landesebene umsetzbar sind, sieht der SSW sie
doch als eine vernünftige Grundlage zur weiteren Diskussion. Die Sozialministerin hat ja schon
ihre Bereitschaft zur Unterstützung der Forderungen signalisiert. Das begrüßen wir. Schließlich
geht es darum, den sozialen Kitt unserer Gesellschaft zu erhalten und da muss die Politik alle
positiven gesellschaftlichen Kräfte mit einbinden.

Wir begrüßen also, dass Bündnis90/Die Grünen dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung
des Landtags gesetzt haben und können auch die beiden ersten Abschnitte des Antrages
unterstützen. Allerdings haben wir uns gefragt, warum in den vorliegenden Antrag von der
Landesregierung im dritten Abschnitt nur gefordert wird, dass sie darlegen soll, wann eine
Berichterstattung über die sozialen Lagen der Bevölkerung in Schleswig-Holstein vorgelegt wird.

Wir meinen, dass der Landtag schon selber etwas präziser sagen sollte, wann er dann einen
Landesarmutsbericht haben will und was für eine Zielsetzung er haben soll. Der SSW fordert
daher in seinem Änderungsantrag, dass die Landesregierung bis zur 15. Tagung - also im
September - einen Landesarmutsbericht vorlegen muss. Dazu wollen wir auch gleichzeitig einen
konkreten Handlungsplan zur Bekämpfung der Armut in Schleswig-Holstein vorlegt bekommen.
Denn es muss doch darum gehen, dass wir als Land selbst handeln und daher muss die
Landesregierung darlegen, welche Maßnahmen sie im Rahmen der Landeskompetenzen bereits
mit dem Haushalt 2007/2008 in Gang setzen kann. Deshalb bitten wir um Unterstützung für
unseren Änderungsantrag.

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