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Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 30: Kinder brauchen gleichberechtigte Chancen auf gesicherte Lebensgestaltung
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 22.02.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 24 – Landesbericht zur Armutsbekämpfung (Drucksache 16/595neu, 16/611 und 16/615)Siegrid Tenor-Alschausky:Kinder brauchen gleiche Chancen auf gesicherte LebensgestaltungIst eine Familie ihrem Einkommen nach arm, ist das Risiko hoch, dass die Kinder ma- teriell, kulturell, gesundheitlich und sozial unterversorgt sind, führt Siegrid Tenor- Alschausky aus. Armut einer Familie ist der zentrale Risikofaktor für eine Entwicklung im Wohlergehen. Deshalb habe sich schon die rot-grüne Landesregierung des The- mas angenommen, und die Große Koalition führe dies weiter. Es gebe bereits vielfälti- ge Aktivitäten im Bereich Kinderarmut; einen Überblick soll der beantragte Landesbe- richt geben.Die Rede im Wortlaut: Kinderarmut in Deutschland, in Schleswig-Holstein, das ist nicht achselzuckend hinzu- nehmen. Es ist zu fragen, warum es in einer doch reichen Gesellschaft nicht gelingt, allen Kindern ein Aufwachsen in materiell und sozial gesicherten Verhältnissen zu er- möglichen.Die SPD-Fraktion begrüßt nachdrücklich die Kampagne „Gemeinsam gegen Kinder- armut“ von Kinderschutzbund, Landesjugendring, Arbeiterwohlfahrt und Sozialverband unter der Schirmherrschaft von Heide Simonis, UNICEF Deutschland. Wir freuen uns, dass unsere ehemalige Ministerpräsidentin ihr Ansehen und ihre Kompetenz einbringt. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Nach dem neuesten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land weiter geöffnet. Armut von Kindern und ihren Familien - und hier ist nicht nur Einkommensarmut gemeint -, hat Folgen für ihre Gesundheit, ihre Bildungschancen, für das soziale Verhalten, für das gesellschaftliche Miteinander.Unzureichende Förderung, fehlende Zuwendung und mangelnde Verlässlichkeit - das sind Ursachen für Hoffnungslosigkeit bei Kindern und Jugendlichen! Diese Probleme führen häufig zu Lebenskrisen mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, für ihren weiteren Lebensweg und für ihr soziales Umfeld. Ziel einer zukunftsorientier- ten Politik muss es deshalb nach Auffassung der SPD-Fraktion sein, die in der Regel schon in sehr frühen Lebensjahren von Kindern einsetzende Spirale von Benachtei- ligung zu durchbrechen.Nach Aussagen des Kinderschutzbundes, der AWO, des Landesjugendrings und des Sozialverbandes wuchsen Mitte 2005 etwa 14 Prozent aller Kinder in Schleswig- Holstein unter Armutsbedingungen auf. Es ist müßig, einen Streit über die zugrunde liegende Armutsdefinition zu führen, denn es ändert die Notwendigkeit des Handelns nicht, wenn aufgrund anderer Berechnungsmodelle der Prozentsatz der betroffenen Kinder leicht sinkt oder steigt. Wir sprechen in jedem Fall über viel zu viele Kinder und ihre Familien!Was bedeutet eine Kindheit in Armut? Welche Benachteiligungen entstehen? Ist eine Familie ihrem Einkommen nach arm, ist das Risiko hoch, dass die Kinder materiell, kulturell, gesundheitlich und sozial unterversorgt sind. Bei den sechsjährigen armen Kindern in unserem Bundesland sind gegenüber nicht-armen Kindern deutlich häufiger Auffälligkeiten beim Sprach-, Spiel- und Arbeitsverhalten festzustellen. Auch bei Klassenwiederholungen zeigen sich deutliche Unterschiede: Während fast 30 Prozent -3-der armen Kinder eine Klasse wiederholen müssen, sind es bei nicht-armen Kindern nur 8,4 Prozent.Eine der neuesten Untersuchungen, die sich mit der Armut von Kindern beschäftigen, hat das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt erstellt. Auch die Ergebnisse dieser Studie belegen, was zumin- dest bei fachlich Interessierten längst bekannt ist: Das höchste Armutsrisiko haben Kinder aus Ein-Eltern-Familien, Kinder aus sehr großen Familien mit vier und mehr Kindern und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund. Auch die Un- terschiede, die das Leben von armen Kindern im Gegensatz zu Kindern aus nicht- armen Familien ausmachen, sind nicht wirklich überraschend:Der größte Unterschied ist im materiellen Bereich festzustellen. Ausdruck der Mangel- lage ist vor allem, kein eigenes Kinderzimmer zu haben, Einschränkungen bei der Kleidung und/oder dem Spielzeug hinnehmen zu müssen. Armut schränkt Kinder und ihrer Familien ein und grenzt sie sozial aus. Je länger Armut andauert, desto gravierender werden die Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft.Armut einer Familie ist der zentrale Risikofaktor für eine Entwicklung im Wohlergehen. Arme Kinder verfügen über weniger personale, familiäre und außerfamiliäre Schutzfak- toren als nicht-arme Kinder. Das wirkt sich natürlich auf ihre Lebenssituation aus. Die- se Kinder wachsen in einem belasteten und belastenden Umfeld auf, das ihnen nur begrenzte Handlungs- und Entwicklungsspielräume verschafft. Die kindliche Situation wird bestimmt durch Einschränkungen materieller wie immaterieller Art. Ein außerfami- liärer Ersatz oder ein Schutz davor ist nur selten gegeben.Ich habe es bereits zu Beginn meiner Rede gesagt: Es ist das Verdienst von Kinder- schutzbund, AWO, Sozialverband und Landesjugendring, das Augenmerk nicht nur der Fachöffentlichkeit und der Politik auf das Problem „Kinderarmut“ gelenkt zu haben. -4-Aber - auch das stelle ich hier ausdrücklich fest: Sowohl die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben sich des Themas in den vergangenen Jahren angenommen. Und auch die jetzige Landesregierung und die Fraktionen von SPD und CDU vernachlässigen die Politik für Kinder und Jugendliche nicht.Um einen Überblick über die zahlreichen bisherigen Aktivitäten zu erhalten, bitten wir die Landesregierung deshalb, in der Mai-Tagung des Landtages unter anderem dar- über zu berichten, wie eine weitergehende Grundsicherung von Kindern und Ju- gendlichen gegen materielle Armut aufgestellt werden kann, welche Ansätze zur Ar- mutsprävention bei Kindern und Jugendlichen es bereits gibt.Wir möchten wissen, wie es um den Versorgungsgrad und Ausbauvorhaben bei der Kinderbetreuung steht, wie die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrati- onshintergrund ist.Zu berichten ist über die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen und über Aktivitäten zur Verhinderung von Gewalt und zur Vermeidung von Vernachlässi- gung.Eine solche Berichterstattung kann den seit November 2005 vorliegenden Kinder- und Jugendaktionsplan für Schleswig-Holstein in Teilen ergänzen und aktualisieren, aber auch Handlungsfelder weiter konkretisieren.Uns ist klar, dass eine wirkungsvolle Politik für Kinder und Jugendliche in unserem Land von einer Vielzahl von Akteuren mitbestimmt wird. Die materielle Ausstattung von Kindern wird ganz entscheidend durch die Bundespolitik bestimmt, Kinder- und Ju- gendhilfe ist eine der originären Aufgaben der kommunalen Ebene. Aber der Kinder- und Jugendaktionsplan ist als Rahmenplan ja auch gerade so angelegt, dass die Akti- -5-vitäten der verschiedenen Akteure zusammengefasst und aufeinander abge- stimmt werden.Kindern und Jugendlichen in unserem Land müssen Perspektiven eröffnet werden. Sie müssen entsprechend ihres gesundheitlichen und psychosozialen Entwicklungsstands individuell gefördert werden. Sie müssen eine ausreichende Förderung ihrer sozialen und persönlichen Kompetenzen und Begabungen erhalten, auch, damit sie auf die künftigen Herausforderungen einer selbständigen Berufs- und Lebensgestaltung gut vorbereitet sind.Kinder müssen die Chance haben, in Familien aufzuwachsen, die in der Lage sind, ih- re Erziehungsverantwortung wahrzunehmen. Kinder müssen zuverlässig vor Vernach- lässigung geschützt werden. Sie haben Anspruch darauf, dass unsere Gesellschaft ih- nen unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern gleichberechtigte Chancen auf ei- ne gesicherte Lebensgestaltung und eine frühzeitige Unterstützung in Notlagen ge- währt.Zum Wohle der Kinder und Jugendlichen ist die Zusammenarbeit vieler Akteure erfor- derlich. Wie eine solche Kooperation organisiert werden kann, zeigen die ersten Bündnisse für Familie, die in unserem Land ihre Arbeit aufgenommen haben. Hier gibt es Erfolg versprechende Ansätze. Eine solche Kooperation zum Wohle von Kin- dern ist immer dann besonders erfolgreich, wenn sie in konkreten Projekten praktiziert wird und ihr Nutzen für alle Beteiligten möglichst rasch sichtbar wird.Die SPD-Fraktion begrüßt und unterstützt diese Aktivitäten, denn das Wohl von Kin- dern und Jugendlichen muss auf allen politischen Ebenen nicht Inhalt von wohlfeilen Sonntagsreden sein, sondern täglich in praktische Arbeit umgesetzt werden. -6-Wir freuen uns auf den Bericht der Landesregierung und werden die Ergebnisse nicht nur hier auf Landesebene, sondern gerade auch im Gespräch mit den Fachleuten der Verbände, Schulen und sozialen Einrichtungen, Kommunalpolitikerinnen und Kommu- nalpolitikern und den Betroffenen, den Kindern und Jugendlichen, diskutieren.Schließen möchte ich mit einem Zitat von Janusz Korczak, das Kinderschutzbund, AWO, Sozialverband und Landesjugendring ihrer Initiative „Gemeinsam gegen Kinder- armut“ vorangestellt haben: „Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind schon welche.“