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23.03.06 , 16:08 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 30 & 42 - Gemeinsam gegen Kinderarmut & Landesarmutsbericht

Presseinformation
Kiel, den 23.03.2006 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
30/ Kinderarmut TOP 30/42 Gemeinsam gegen Kinderarmut und Landesbericht zur Armutsbekämpfung in Schleswig-Holstein Drs. 16/672 Schleswig-

Kinderschutzbund, Arbeiterwohlfahrt, Landesjugendring, Sozialverband Deutschland und
Unicef haben im Januar acht Thesen vorgelegt, um die Kinderarmut in Schleswig-Holstein zu
bekämpfen. Die Initiative heißt: „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ und wird bis in den
Sommer hinein im ganzen Land zur Diskussion gestellt. Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass
in dem vorliegenden Antrag diese Initiative aufgegriffen wird. Dabei wird nicht nur den
Kindern eine minimale Existenzsicherung in Aussicht gestellt, sondern auch die Eltern sollen
niedrigschwellige, unbürokratische Hilfe erhalten. Genau das entspricht dem Anspruch oben
genannter Verbände, die in ihrer Arbeit täglich mit Kindern in Armut zu tun haben. Sie sahen
sich zu einem gemeinsamen Aufruf und einer Reihe von Veranstaltungen gezwungen, damit
endlich etwas geschieht. Wir dürfen uns mit der wachsenden Zahl armer Kinder nicht
abfinden. 2
Ich will hier nur wenige konkrete Beispiele nennen: Arme Kinder werden seltener zum Arzt
geschickt: Übergewicht und Zahnprobleme werden nicht behandelt. Arme Kinder gehören
überproportional zu den Sitzenbleibern, weil schulische Probleme in der Familie oftmals
ignoriert werden. Arme Kinder bleiben von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen, da
sie sich oft schämen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Sie haben kaum Zugang zu Musik-
unterricht, Vereinssport oder ähnlichen Veranstaltungen. Armut geht uns alle an. Wir müs-
sen etwas dagegen unternehmen, denn Armut unterhöhlt das demokratische Gefüge. Wenn
sich immer mehr Menschen ausgegrenzt fühlen, dann gerät das demokratische Fundament
ins Rutschen. Kinder, die keine Winterstiefel haben, wegen fehlender Unterstützung durch
die Eltern die Schule schwänzen oder wegen vermeintlich unmoderner Kleidung dem
sozialen Spott ausgesetzt sind, erwarten konkrete Hilfe. Hilfe, die sich nicht in der Anrufung
neuer sozialer Netze erschöpft, sondern konkrete Unterstützung für sie und ihre Eltern. Die
Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen haben das in einen klaren Antrag
umgesetzt. Die Vorschläge können unmittelbar auf Landesebene umgesetzt werden, kosten
aber kräftig Geld. Allein ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr würde in einer einzigen
schleswig-holsteinischen Kommune, nämlich Rendsburg, 300.000 Euro im Jahr kosten.


Das ist ja nur ein Punkt. Ein anderer ist die Unterstützung durch den regelmäßigen Besuch
von Familienhebammen: Ein niedersächsisches Modellprojekt schätzt den Einsatz von
Familienhebammen nur für 200 Kinder in Hannover auf 60.000 Euro im Jahr. In
Skandinavien reicht eine solche Betreuung über die ersten Monate und Jahre im Kinderleben
hinaus und hat dort zu einer hohen Akzeptanz geführt. Um dieses aber finanzieren zu
können, müsste das Sozialsystem völlig umgekrempelt werden. Punkt für Punkt kommen
wir damit zu einer erheblichen Summe, deren Volumen allenfalls geschätzt werden kann.
Daher fordert der SSW schnellstens eine bundespolitische Wende, denn das Land kann die
Lasten einer effektiven Armutsbekämpfung nicht allein schultern. Der SSW lässt aber 3
keinesfalls den Einwand, dass eine vernünftige Familienförderung derzeit nicht zu
finanzieren ist, gelten. Das Geld ist da, fließt aber in die komplett falsche Richtung. Wir
leisten uns unter anderem ein Trauschein-Subventionsprogramm, nämlich das
Ehegattenspliting. Der SSW fordert seit Jahren eine vernünftige Familienförderung, die
unter anderem mit den Splitting-Milliarden finanziert werden könnte. Die Bundespolitik
muss generell umsteuern: weg mit der Förderung der vermögenden Steuerzahler, die sich
ihre Ausgaben via Steuerbescheid wieder zurückholen, hin zu einer institutionellen und
finanziellen Unterstützung für Kinder und arme Familien, um diese vor der Ausgrenzung zu
bewahren.


Hartz IV hat das Problem zugespitzt. Denken wir nur an die ersten Monate nach
Inkrafttreten, als der Ausbildungsplatzvermittler der Arbeitsagentur Kinder von ALG II-
Beziehern nach Hause geschickt hat. Nicht, weil er keine Ausbildungsplätze vermitteln
könnte, sondern weil die Eltern des jungen Menschen, der vor ihm saß, das falsche
Einkommen bezogen.
Neben dieser Ausgrenzung, die inzwischen durch eine bessere Koordinierung weitgehend
verschwunden ist, kommt die materielle Ausgrenzung mit zu niedrigen Regelsätzen:
Regelsätze, die es Ein-Eltern-Familien schwer machen, eine Schultüte zu finanzieren.


Wir brauchen einen konkreten Handlungsplan zur Bekämpfung der Kinderarmut in
Schleswig-Holstein. Das Land darf angesichts steigender Armutszahlen den Kopf nicht in
den Sand stecken. Die Landesregierung muss darlegen, welche konkreten Maßnahmen sie
im Rahmen der Landeskompetenzen bereits mit dem Haushalt 2007/2008 in Gang setzen
kann. Leider lag zu unserem großen Bedauern eine Berichtsfassung noch letzte Woche nicht
vor. Das ist kein gutes Zeichen. Das erweckte den Eindruck, als ob sich die Landesregierung
mit der Formulierung konkreter Maßnahmen besonders schwer tut.

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