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Wolfgang Kubicki: "Diese Reform ist fachlich nicht begründet"
FDP Landtagsfraktion Schleswig-HolsteinPresseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 171/2006 Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Stellvertretender Vorsitzender Kiel, Mittwoch, 31. Mai 2006 Dr. Ekkehard Klug, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Sperrfrist: Redebeginn Günther Hildebrand, MdLEs gilt das gesprochene Wort!Justiz/AmtsgerichtsstrukturreformWolfgang Kubicki: „Diese Reform ist fachlich nicht begründet“ In seinem Redebeitrag zu TOP 5 (Gesetz zur Neuordnung von Amtsgerichtsbezirken) erklärte der Vorsitzende der FDP- Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:Was sich hinter dem eher harmlosen Titel „Gesetz zur Neuordnung von Amtsgerichtsbezirken“ verbirgt ist nicht anderes als das Gesetz zur Schließung von Amtsgerichtsstandorten.Wir haben hier und heute das Endprodukt einer Reform vorliegen, deren Nutzen heute nicht nachgewiesen ist, deren Schaden aber für die von der Schließung der Amtsgerichte betroffenen Standorte schon erkennbar wird.Hierbei handelt es sich namentlich um die Städte Kappeln, Geesthacht, Mölln, Bad Schwartau und Bad Oldesloe.Es interessiert mich momentan noch nicht wirklich, wie nach der Schließung dieser Amtsgerichtsstandorte die Bürgernähe durch die Neustrukturierung der Amtsgerichtsbezirke am besten zu gestalten ist.Was mich interessiert, ist eine sinnhafte und nachvollziehbare Begründung für diese Reform. Diese Erklärung ist die Landesregierung bis heute schuldig geblieben. Allein die Tatsache, dass die großen Fraktionen dies im Koalitionsvertrag so vereinbart haben, kann es ja nicht sein.Uns liegen zahlreiche Schreiben vor – wir haben einen ganzen Ordner voll davon – von Bürgermeistern, Kommunalparlamenten sowie der Amtsgerichtdirektoren und der Landgerichtspräsidenten, die diese Reform in Gänze und nicht nur im Detail infrage stellen. Auch sie können nicht erkennen, worin die Aussage der Landesregierung ihre Begründung findet, dass die heutige Amtsgerichtsstruktur nicht den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.Denn eines hat die Landesregierung immer herausgestellt:Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 1 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 1. Sparen ist nicht der Grund für diese Strukturreform und 2. die Amtsgerichte haben in der Vergangenheit ausnahmslos gute Arbeit geleistet.Warum also eine Reform?Diese Frage kann nicht schlüssig beantwortet werden.Dabei erscheinen die Grundannahmen des Konzeptes der Landesregierung für diese Amtsgerichtsstrukturreform willkürlich und beliebig.Ich komme zu einigen konkreten Punkten des Konzeptes.Da ist die These, dass der demographische Wandel zu einschneidenden Veränderungen in der Gesellschaft führen wird, die es heute bereits notwendig machen, Strukturen bei den Amtsgerichten zu schaffen, die sich Veränderungen anpassen können – so steht es im Konzept der Landesregierung.Im gleichen Absatz führt aber die Landesregierung aus, dass heute noch nicht absehbar sei, wie sich dieser Wandel auf die Justiz auswirken wird. Also man weiß bereits was man machen muss ohne zu wissen warum. Das scheint in Gänze die Systematik dieser Regierung zu sein. Eines hat das Justizministerium aber doch erkannt. Es werden künftig mehr Betreuungsfälle erwartet. Bedarf es aber hierfür neuer Gerichtsstrukturen, größerer Einheiten? Eher das Gegenteil ist der Fall. Größere Gerichte bedeuten für diese Personen größere Entfernungen und erhöhen damit zusätzlich deren Aufwand oder den Aufwand der Richter. Gerade in diesen Fällen ist Ortsnähe immens wichtig.Kommen wir zum nächsten und wohl maßgeblichen fachlichen Argument:Durch die neue Gerichtsstruktur sollen Rahmenbedingungen für eine Spezialisierung der Richterschaft und eine optimale Vertretungsstruktur im Krankheits- oder Urlaubsfall geschaffen werden.„Dieses Kriterium stößt in der amtsgerichtlichen Praxis auf Ablehnung“, so der Schleswig-Holsteinische Richterverband. In der damaligen Projektgruppe zur Optimierung der Amtsgerichtsstruktur hatte dieses Argument auch nur eine nachrangige Bedeutung.Warum nun auf einmal dieses als maßgebliches Kriterium für die Reform der Amtsgerichtsstruktur gewählt wird, erschließt sich den Fachleuten nicht.Darüber hinaus ist der Ansatz für die Rechtfertigung einer Personalstärke von mindestens 8 Richtern an einem Gericht zu starr und schematisch. So sollen künftig für die vier Rechtssprechungsbereiche Zivilrecht, Strafrecht, Freiwillige Gerichtsbarkeit und Familienrecht jeweils zwei Richterinnen oder Richter vorhanden sein, die sich gegenseitig vertreten.Selbst die für die Amtsgerichtsreform sehr viel offenere Neue Richtervereinigung, die ja immerhin die Schließung der Amtsgerichtsstandorte Kappeln, Mölln, Geesthacht und Bad Oldesloe befürwortet, hält diese 8-Stellen-Struktur für nicht überzeugend.Ich zitiere aus der NRV-Info vom Oktober 2005: „8 Richter führen gerade einmal in Zivilsachen zu zwei Dezernaten, also dort, wo die Spezialisierung Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 2 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ noch am wenigsten benötigt werden dürfte. In Familien- und FGG-Sachen wäre das erst ab einer Größe von 11-15 Richtern der Fall, in Strafsachen schon bei 6 Richtern.“Dieser Konzeption der Landesregierung ist darüber hinaus entgegenzuhalten, dass bereits mit der heutigen Gerichtsstruktur eine Vertretung jederzeit gewährleistet ist, auch bei kleineren Gerichtsstandorten. Das Konzept der Landesregierung stellt zwar die These auf, bietet aber keinen Beleg dafür, dass hier ein Optimierungsbedarf besteht.Gleiches muss man zur Spezialisierung sagen.Auch die Tatsache, dass bei Amtsgerichten, und zwar nicht nur bei den kleinen Amtsgerichten, Richter in mehreren der vier bereits genannten Rechtsbereiche tätig sind, ist als solche kein Argument für eine Reform. Dass sich aus der heutigen Struktur Effizienzdefizite zeigen, kann die Landesregierung nicht belegen.Kommen wir zur wirtschaftlichen Seite, dem Raumbedarf und den vom Ministerium errechneten Einsparpotenzialen. Da haben sich die Zahlen sozusagen „weiterentwickelt“.In der Unterrichtung der Landesregierung zu diesem Gesetzentwurf vom Februar dieses Jahres waren zunächst ca. 3,1 Millionen Euro an Baukosten bei den aufnehmenden Gerichten eingeplant. Nach dem heute hier im Landtag vorliegenden Gesetzentwurf muss bereits mit 5,7 Millionen Euro an Baukosten an den aufnehmenden Standorten gerechnet werden.Eine Steigerung der Baukosten um immerhin 84 %. Das ist einiges mehr als die Erhöhung der Mehrwertsteuer.Bei den ab 2011 erwarteten Einsparungen bei den Miet- und Bewirtschaftungskosten hat das Justizministerium im Februar in der Unterrichtung zu diesem Gesetzentwurf noch folgende Erkenntnisse vorweisen können – ich zitiere aus Seite 3 der Unterrichtung:„Aufgrund der Abmietung der aufzulösenden Amtsgerichte werden Einsparungen bei den Miet- und den Bewirtschaftungskosten in Höhe von jährlich 744.000 Euro bzw. im Fall einer Mietefinanzierung in Höhe von jährlich 566.000 Euro erwartet.“Im heute vorliegenden Gesetzentwurf rechnet man nun pauschal mit Einsparungen bei Miet- und Bewirtschaftungskosten in Höhe von 698.000 Euro.Ich glaube, es kann durchaus Verständnis dafür aufgebracht werden, wenn dieser Zahlensalat das Vertrauen in die Einsparberechnungen der Landesregierung nicht gerade stärkt. Im Gegenteil, es hat unsere von Anfang an gehegten Zweifel an den diesbezüglichen Aussagen des Justizministeriums bestätigt.Abschließend möchte ich noch einmal den Vorsitzenden des Schleswig- Holsteinischen Richterverbandes, Herrn Martins, aus seiner Stellungnahme vom 29. September 2005 zitieren, weil ich diesen Satz für außerordentlich wichtig halte: „Die Schwäche des Konzeptes zeigt sich – und in geradezu erschreckender Weise – beim Kriterium Bürgernähe.“Dies gilt insbesondere für den Sonderfall Kappeln. Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 3 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ Bürgernähe erreichen Sie nur mit dem Erhalt des Amtsgerichts.Bahnanschluss bis nach Süderbrarup hat diese Stadt nur zu den Heringstagen oder sonstigen Tagen, wenn die alte Dampfbahn einmal fährt.Es ist außerordentlich mühsam für Menschen, die in Kappeln, Maasholm oder Olpenitz wohnen, die Amtsgerichte in Schleswig, Flensburg oder Eckernförde zu erreichen, wenn sie denn keinen eigenen PKW haben.So dauert nach einer Recherche bei der Autokraft die kürzeste einzelne Fahrt von Maasholm bis zum Flensburger ZOB morgens zwischen 7 und 8 Uhr eine Stunde und dreizehn Minuten mit viermaligem Umsteigen.Das ist insbesondere für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung eine Zumutung.Darüber hinaus haben sich sowohl SPD als auch CDU geführte Landesregierungen immer nach der Devise verhalten: „Behördenpolitik ist auch Strukturpolitik.“ Daher gehören auch strukturpolitische Erwägungen in die Diskussion um die Schließung von Amtsgerichtsstandorten. Sie alle wissen, wie Kappeln als schon ohnehin strukturschwache Region extrem von der Schließung von Bundesbehörden betroffen war. Alle, die hier in diesem Parlament sitzen, haben sich immer gegen diese Maßnahmen aus Berlin zur Wehr gesetzt. Sie sollten jetzt nicht mit der Schließung des Amtsgerichts dem Ganzen noch die Krone aufsetzen.“Christian Albrecht, Pressesprecher, V.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 4 Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/